Wohnungsroulette in Vogelheim - Anwohner sind verunsichert, fühlen sich bedrängt

So wie sie ihr Erbauer erschuf: An den THS-Immobilien - das bestätigen mehrere Anwohner unabhängig von einander - wurde wenig bis gar nichts getan. Hier hat Häusser Bau auch zwei "Verkaufsbüros" eingerichtet.
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  • So wie sie ihr Erbauer erschuf: An den THS-Immobilien - das bestätigen mehrere Anwohner unabhängig von einander - wurde wenig bis gar nichts getan. Hier hat Häusser Bau auch zwei "Verkaufsbüros" eingerichtet.
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Vogelheim ist ein beschauliches Quartier. Man kennt sich, viele haben hier einen Großteil ihres Lebens verbracht. Kurz: Es herrscht kaum Fluktuation. Doch nun könnte Bewegung in den Stadtteil kommen.

Vogelheim hat sich - durch den Einsatz der großen Wohnungsgesellschaften - gewandelt. Dieser Wandel wird nun durch den Ausstieg von THS überschattet. „Die Wohnungunternehmen haben richtig viel Geld für Vogelheim in die Hand genommen - nur die THS nicht“, klagt der Vorsitzende der SPD-Vogelheim, Karl-Heinz Kirchner. Durch die Sanierungen sei der Mietspiegel in Vogelheim gestiegen, und davon habe die THS enorm profitiert.

Die THS hat sich zu diesem Vorwurf bislang nicht geäußert. Dieter Remy, Pressesprecher der in Vogelheim präsenten Allbau, weiß: „Seit 2003 wurden 30 Millionen in Vogelheim investiert. Und die stammen nicht nur von uns.“ - „Da sind wohl nicht mehr als ein paar Pinselstriche getätigt worden“, gibt hingegen ein weiterer Branchenkenner zu Protokoll.
Fakt ist: Die THS-Immobilien sind zum Teil in einem unzumutbaren Zustand. Wasserschäden, veraltete Heizungsanlagen, löchrige Dachstühle, witterungsbedingte Fliesenschäden, fehlende Wärmedämmung- die Mängelliste ist lang.

Dabei sei es nicht so, dass die THS von diesen Schäden nichts wüsste. „Es kommt nur keiner raus“, moniert eine Betroffene. Und das in manchen Fällen schon seit Jahren. Besonders bitter: Warmmieten in Höhe von 450 Euro für etwas mehr als 50 Quadratmeter werden erhoben. „Meine Wohnung ist wie ein Gefängnis“, klagt eine Anwohnerin der Hafenstraße. Mit ihrer kärglichen Rente könne sie keinen Umzug finanzieren, geeignete Seniorenwohnungen gebe es in Vogelheim nicht.

Für zusätzliche Verunsicherung sorgt das Geschäftsgebahren des neuen Eigentümers. „Die Häusser Gruppe verfolgt eine radikale Vermarktungsstrategie“, betont Helmut Lierhaus vom Mieterforum Ruhr. Häusser Bau kaufe Wohnungsbestände auf und gebe sie an private Investoren weiter. Aus dieser Geschäftsphilosophie macht das Unternehmen selbst keinen Hehl. „Es ist geplant, die Immobilien in Vogelheim zu privatisieren“, bestätigt Ralf Bettges. Doch der Sprecher der Häusser Gruppe weiß auch: „Das ist leider ein Geschäftsfeld, in dem man sich wenig Freunde macht.“

Helmut Lierhaus meint zu wissen, warum: „Häusser versucht Mieter rauszukaufen. Es drohen Mieterhöhungen und auch die Instandhaltung ist nicht gewährleistet.“ Derartiges bestätigt auch Dieter Habermehl von der Mieter-Interessengemeinschaft Bergmannsfeld; in der Freisenbrucher Siedlung hat Häusser rund 500 Wohnungen übernommen: „Es wurde versucht, den Mietern neue Verträge unterzuschieben, um höhere Einnahmen zu erreichen.“ Dies soll nun auch in Vogelheim geschehen. Es geht das Gerücht um, Häusser-Mitarbeiter hätten bereits Haustürgeschäfte getätigt, konkrete Beweise hierfür liegen bislang nicht vor.

Doch damit nicht genug: Anwohner berichten von unangekündigten Besuchen, mal wollten die Mitarbeiter Wohnungen vermessen, mal verschwänden sie unter dem Vorwand, einen „Lichttest“ durchzuführen, in den Keller- und Dachbodenräumen. In einem Fall sei sogar um die Herausgabe eines Haustürschlüssels gebeten worden. Von „Anzugträgern“ und „Autos mit getönten Scheiben“ ist die Rede. Einzelne Anwohner fühlen sich massiv bedrängt, wollen deshalb ihren Namen nicht in der Zeitung lesen.

„Das ist totaler Unsinn“, entgegnet Ralf Bettges auf den Vorwurf, dass Häusser-Angehörige Mietverträge an der Wohnungstür abschlössen. Auch von unangemeldeten Wohnungsbesichtigungen wisse die Geschäftsführung nichts. Hundertprozentig ausschließen könne er ein derartiges Vorgehen allerdings nicht. Bestätigen kann Bettges hingegen die „Invasion der Anzugträger“: „Unser Geschäftsführer war mit Gutachtern vor Ort.“ Zudem wurden an der Bergbrücke zwei Verkaufsbüros eingerichtet.

Die an Kellern und Dachböden interessierten Häusser-Mitarbeiter erweisen sich dagegen als „externe Brandschutzgutachter“. „Die sollten sich aber erkenntlich zeigen“, pflichtet Ralf Bettges bei. Der Häusser-Sprecher verspricht, Mitarbeiter auf diese Problematik nochmal hinzuweisen.

Den Betroffenen wird dennoch weiterhin empfohlen, plötzlichen Besuchern kritisch gegenüberzustehen und keine Schriftstücke im Hausflur zu unterzeichnen. Häusser-Mitarbeiter, stimmt Ralf Bettges zu, sollten sich ausweisen oder eine Vollmacht vorlegen können. Im Zweifelsfall empfiehlt sich die Nachfrage bei Häusser selbst.

Weitere Infos:

THS-Verkäufe:

549 Wohneinheiten der Wohnungsgesellschaft TreuHandStelle (THS) sind zum 1. Januar in den Besitz der Bochumer Häusser Gruppe übergegangen, 495 folgen zum 1. April. Vom Verkauf betroffen sind insbesondere viele Vogelheimer, in dem Stadtteil wechseln 404 Wohnungen den Besitzer.

Warum die THS die Wohnungen in Vogelheim verkaufen musste, diese Frage hat das Unternehmen bislang nicht beantwortet. Helmut Lierhaus hat sich mit der THS beschäftigt: „THS hat vor wenigen Jahren eine Bundesbeteiligung von 450 Millionen Euro zurückgekauft. Der Verkauf der Wohnung wird mit den Folgewirkungen begründet. Perspektivisch hat der Verkauf etwas mit der geplanten Fusion von THS und Evonik zu tun. Ohne Altlasten ist die Braut eben hübscher.“ Zu dem Paket, das die THS abgestoßen hat, gehören auch Wohnungen in Borbeck, Stoppenberg, Altendorf und dem Südostviertel.

Mietverträge:
Die THS verwaltet rund 70.000 Wohnungen, darunter viele ehemalige Bergmannswohnstätten. Mieter, die Angehörige im Bergbau bescheinigen können oder selbst unter Tage gearbeitet haben, besitzen ein Dauerwohnrecht. Mieter ohne Bergbauvergangenheit müssen ihre Wohnung unter Umständen verlassen - „falls der Erwerber Eigenbedarf anmeldet“, wie Lierhaus erläutert. Dieser Eigenbedarf muss juristisch begründet sein. Häusser-Sprecher Ralf Bettges betont hingegen: „Häusser Bau ist ein Unternehmen auf Grundlage des Grundgesetztes. Wir können keine Mietverträge aushebeln.“

Autor:

Patrick Torma aus Essen-Nord

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