Stromversorgung 2.0: RWE-Pilotprojekt AmpaCity beliefert die Innenstadt mit Energie aus Supraleiter
Vor rund einem Jahr machte RWE den ersten Spatenstich eines revolutionären Experiments von Stromverteilernetzen: Zwei Umspannanlagen der Innenstadt wurden durch das längste Supraleiterkabel der Welt verbunden. Ende April wurde der ein Kilometer lange Draht eingeweiht und offiziell in den realen Betrieb genommen. Nachteile hat die Technologie eigentlich keine - allein die Kosten sind bisher enorm.
Seinen Anfang hatte der „Traum des verlustfreien Energietransportes“ schon 1986, als Dr. Johannes Georg Bednorz und Karl Alexander Müller die neue Technolgie entdeckten und dafür nur ein Jahr später den Physik-Nobelpreis erhielten: Skepsis schlug zu Euphorie um, Theorie konnte Praxis werden.
Erst Ende April 2014 ging der erste und längste Supraleiter nach einjähriger Bauzeit in der Umspannanlage an der Herkulesstraße für eine Testzeit von zwei Jahren ans Netz. Bis dahin war es ein steiniger Weg, denn Konstruktion, Verarbeitung und Kühlung waren fast 30 Jahre lang problematisch. Umso schöner ist die Premiere, wie Ministerpräsidentin Hannelore Kraft findet: „Das ist ein guter Tag für RWE, die Stadt Essen, Nordrhein-Westfalen und die Energiewende in Deutschland.“
Zahlreiche Argumente sprechen für das Keramik-Kabel: Der Supraleiter garantiert einen nahezu verlustfreien Energietransport, ein Strombegrenzer sorgt für mehr Sicherheit im Verteilernetz und eine Menge Platz wird gespart, denn wo sich vorher mehrere Kupferdrähte quetschten, braucht man gerade mal einen Leiter. Zudem werden weniger Umspannanlagen benötigt, wodurch Raum zur Stadtplanung frei wird.
Nur, wie funktioniert die hypermoderne Technologie? Gar nicht einfach zu beantworten. Selbst Hannelore Kraft muss gestehen, dass sie trotz Belegung des Chemie-Leistungskurses die Technologie hinter dem „Hochtemperatursupraleiter“ nicht „bis ins Detail verstanden hat“. Kern ist eine hocheffiziente Kühlung über Stickstoff, die den Transport der mehreren Millionen Ampere erlaubt - eine entsprechende Kupferleitung schafft gerade Mal einige hundert.
Der größte Nachteil sind dabei die beachtlichen Kosten. Das Premierenkabel forderte eine Gesamtsumme von 13,5 Millionen Euro, fünf bis sechs Mal so viel wie Normalkabel. Christof Barklage vom Kabelhersteller Nexans beschwichtigt: „Die Preise werden runtergehen und sich alle zwei bis drei Jahre halbieren.“
Essen profitiert zudem noch auf andere Weise von der Zukunftstechnologie erklärt Oberbürgermeister Reinhard Paß: „Das Thema verbessert unsere Chancen für die Grüne Hauptstadt Europa 2016 ein gutes Stückchen.“ Läuft der Feldversuch wie erhofft könnte bald ein ganzer „Cityring“ durch Supraleiter versorgt werden - wieder ausgraben wird das Keramik-Kabel für den Moment bestimmt keiner.
Autor:Alexander Müller aus Essen-Borbeck |
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