Schafft Karnap das Nahheizwerk ab?
„Wir möchten endlich selbst entscheiden!“ Nach jahrelangem Heizungsstreit in der Mathias-Stinnes-Siedlung bahnt sich die Emanzipation der Karnaper vom Nahheizkraftwerk Hattramstraße an.
Viele Eigentümer und Mieter liegen mit dem Dresdener Kraftwerkbetreiber Energie Consulting und Service (ECS) im Clinch. Im Kern geht es um Heizkosten, die sich weit jenseits des gängigen Marktpreises bewegen. Um Abschläge von monatlich 200 Euro, Nachzahlungen in vierstelliger Höhe und mehr. Da langfristige Verträge einen Anbieterwechsel ausschlossen, waren den Karnapern zuletzt die Hände gebunden.
Zum Jahr 2014 laufen jedoch die Wechselsperrfristen aus. Die Mieter- und Eigentümer-Initiative Karnap-West sieht nun die Chance, sich des ungeliebten Nahheizkraftwerks zu entledigen. Voraussetzung ist jedoch, dass rund 150 Eigentümer und ausgerechnet die Deutsche Annington, die zirka 50 Objekte in Karnap vermietet, an einem Strang ziehen. Tatsächlich habe das derzeit größte Wohnungsunternehmen Deutschlands kräftig für Karnap mitverhandelt, betont Initiativensprecher Michael Schwamborn. „Ohne die Deutsche Annington wären wir nicht so weit gekommen“, lobt der Lokalpolitiker den einstigen Verhandlungsgegner.
Heizungs-Contracting als Ausweg?
Ein Ausweg aus der Heizkostenfalle, der auf der Bürgerversammlung im Gemeindezentrum Hattramstraße vorgestellt wurde, ist das so genannte Heizungs-Contracting der Stadtwerke. Das „Leasing-Paket“ des Essener Versorgungsunternehmens enthält den Einbau, Betrieb und Wartung einer Erdgas-Heizung. Jährlicher Kostenpunkt laut Beispielrechnung (bei einem Verbrauch von 15.000 Kilowattstunden im Jahr): 2.083 Euro Brutto jährlich, bei einer Laufzeit von 15 Jahren. Macht insgesamt 31.245 Euro, danach ist die Heizungsanlage abbezahlt.
Ein Gegenangebot der ECS liegt bei 2.754 Euro (Beispielrechnung bei einer Wärmeabnahme von 18.858 Kilowattstunden). Macht in Summe - über die angebotene Laufzeit von zehn Jahren gesehen - rund 27.540 Euro.
Die Eigentümer entscheiden nun über die Zukunft des Nahheizkraftwerkes mit. Je mehr sich bis Ende 2013 zu einem Wechsel durchringen, desto weniger rentiert sich der Betrieb der Anlage an der Hattramstraße. Schwamborn: „100 Häuser benötigt die ECS, um das Kraftwerk wirtschaftlich zu betreiben.“ Die Annington reagiert abwartend, das Unternehmen lässt aber durchblicken, dass es aus wirtschaftlichen Gründen mit einer Loslösung liebäugelt.
Hintergrund:
Das Nahheizkraftwerk an der Hattramstraße wurde 1986 erbaut und 1987 in Betrieb genommen. Angefeuert wird es mit Kohle und Öl. Was damals schon nicht mehr besonders zeitgemäß war, ist heute klar als verdeckte Subvention für den Bergbau zu bezeichnen. Bergbauangehörige wurden mit bis zu 2.100 Mark bezuschusst (bei jährlichen Heizkosten von 2.200 Mark), auch Nicht-Bergbauangehörigen wurden variable Tarife in Aussicht gestellt. Allerdings reichten Kapazitäten der Anlage nie aus, um die komplette Mathias-Stinnes-Siedlung warm zu halten. Heute räumt Schwamborn ein: „Ich hätte nie zugestimmt, wenn ich gewusst hätte, was wirklich auf uns zu kommt.“
Autor:Patrick Torma aus Essen-Nord |
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