Glosse
Dieselfahrverbot auf der Gladbecker Straße? Das darf doch wohl nicht wahr sein!

Als vor exakt drei Wochen unbekannte Menschen (darunter viele Ausländer) in völlig geistiger Umnachtung Grenzwerte festlegten, war die Welt in Altenessen noch in Ordnung. Riesige Schiffe, PKW und LKW fuhren entlang der nördlichen B224 und die ausnahmslos sozial schwachen Anwohner erfreuten sich an der guten Luft draußen und dem schönen Idyll. In ihren Häusern hielten sie sich eh nicht gerne auf, da dort das immer brennende Kerzenlicht nicht nur Gift, sondern auch ohrenbetäubenden Lärm verursachte. Einziger Wermutstropfen: Dort, wo sie sich täglich aufhalten und ihre Kinder Richtung Kita oder Schule laufen, steht diese grässliche Messstation. Sämtliche Anträge, die Messstation dorthin umzusiedeln, wo keine Menschen leben, liefen ins Leere. „Das schmerzte uns sehr, vor allem weil doch schon eine Machbarkeitsstudie vorlag, die uns an dieser Stelle einen todschicken PKW-Parkplatz in Aussicht stellte. Aber wahrscheinlich sind wir selber schuld. Wir sind halt bildungsfern und können nicht so gut schreiben. Müssen sich die Pizzaboten eben einen anderen Parkplatz suchen.“

Ein Anwohner, der sich als Sprecher des Bundesstraßen-Prekariats vorstellt, spricht angesichts des Urteils von einer Vertreibung aus dem Paradies der Grünen Hauptstadt. Er erzählt von der 100%igen Arbeitslosigkeit vor Ort und dass die PKW und LKW doch dafür sorgen, dass man überhaupt aus dem Bett kommt. „Ich kenne hier keinen ohne Schlafstörungen und das ist auch gut so. Sonst käme hier doch keiner zum Arzt und somit auch zu keiner Bewegung. Und Bewegung ist doch wichtig. Das Rütteln in den Betten aufgrund der über maroden Asphalt rasenden LKW reicht doch nicht aus. Auch nicht, wenn man dabei kräftig hustet.“

Als sich dann gestern unausgebildete Laiendarsteller als Richter ausgaben und vermeintliches Recht sprachen, war das Entsetzen auch bei der Stadt groß. Der Oberbürgermeister fühlte sich ins Gesicht geschlagen und die Umweltdezernentin erzählte auch was. Für sie und die Anwohner in Altenessen ist nichts mehr so, wie es war.
„Hätten wir gewusst, dass mit dem Abriss unserer Häuser die freie Fahrt auf der A40 und in all den betroffenen Stadtteilen hätte gewährleistet werden können, wir wären doch sofort unter die Brücke gezogen“ sagen Anwohner der B224 mit Tränen in den Augen, „Es ging uns doch nicht um unser Obdach, wir haben doch nur so viel Spaß an den illegalen Autorennen in der Nacht. Wo kann man denn heute noch wohnen, ohne dass Stadt oder Polizei jemals die Geschwindigkeit kontrolliert? Und wir haben ja sonst nichts, außer den paar Baumkrüppeln, an denen wir uns treffen, um unser verkorkstes Leben schön zu saufen. Und noch was: Wir riechen hier ganz genau, was da so aus dem Auspuff kommt und das riecht alles andere als nach Feinstaub. Wir Bildungsfernetiker wissen ganz genau wie Staub riecht und schmeckt. Das können sie sich mal hinter die Ohren schreiben.“

Dass es weitere Verdachtsfälle für gesundheitsgefährdende Luftwerte in Essen gäbe und dass das Gericht nun eine aktuelle Belastungskarte für das gesamte Essener Stadtgebiet einfordert, halten die Anwohner für eine Frechheit. „Bitte? Wo sollen die schlechten Werte denn herkommen? Das ist doch völlig absurd, quasi so, als würde man Plastiktannen auf den Weihnachtsmarkt stellen. Halten die uns für bekloppt? Der Oberbürgermeister hat doch völlig Recht, wenn er sagt, dass andere das vermasselt haben. Allein der Blick aufs Gradierwerk in der Gruga zeigt doch, was die Stadt Essen für gute Luft tut. Und was der Mann und sein Team für uns an der Gladbecker Straße getan haben, das ist doch schier eine Meisterleistung. Wir sind hier auf alle Fälle sehr dankbar. Und eins muss klar sein: Weniger Verkehr in der Stadt bedeutet noch lange nicht weniger Verkehr in der Stadt. Das sagen sogar Fachleute. Im Gegenteil, wenn die Gladbecker Straße 16spurig ausgebaut würde, hätte man in ganz Essen Ruhe. Kapiert das denn hier keiner? Meine Fresse, als Frau Raskob damals für weniger Kamine in Essen gesorgt hat, hat das doch auch geklappt und alles wurde schöner. Lasst die einfach mal weiter machen und gut ist.“

Auf Äußerste kritisieren die Menschen an der Gladbecker Straße auch die Kinderärztin, die gestern im Fernsehen von den schlimmen Auswirkungen schlechter Luft auf Kinder berichtete. „Lügenpresse, gekaufte Lobbyistin der Deutschen Umwelthilfe“, schallt es aus ihren heiseren und dreckigen Hälsen und sie wollen sich nun mit aller Kraft dafür einsetzen, dass alles so bleibt, wie es war.

Das jahrzehntelange Ignorieren und das jetzige Bekämpfen des Rechts sehen sie als perfekte Möglichkeit, ihr Idyll im Norden zu erhalten. „Wir haben doch nix, außer den 47.000 Fahrzeugen, die unseren tristen und traurigen Alltag ein wenig lebenswert machen. Hätten wir keine Frau Raskob oder keinen Herrn Kufen, es würde sich doch keiner mehr um uns kümmern. Das geheime Projekt „Alles für die Alfredstraße“ werden wir auf alle Fälle tatkräftig unterstützen.“

Autor:

Susanne Demmer aus Essen-Nord

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