Zeitungsverleger diktierten Raubzug auf Zusteller direkt in den Koalitionsvertrag
Laut Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) gibt es bundesweit rund 140.000 Zeitungszusteller, von denen die meisten als sogenannte Minijobber für 450 € monatlich arbeiten. Allein in meinem Bekanntenkreis kenne ich mehrere Leute, die den Zustellerjob als Zweitjob machen, weil sie sonst mit ihrem Verdienst nicht auskommen würden. Ohne diese fleißigen Leute, die bei jedem Wind und Wetter ihren Job machen, wären die ganzen Druckerzeugnisse nur ein wertloser Haufen Papier. Doch ausgerechnet auf Kosten dieser Kolleginnen und Kollegen, die ohnehin schon am unteren Ende der „Nahrungskette“ in der Zeitungsbranche stehen, wollen die Verleger ihre Profite steigern.
Dafür hat ihr Lobbyverband BZDV ganze Arbeit geleistet und folgenden Abschnitt in den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD diktiert:
„Zur Sicherung der bundesweiten Versorgung mit Presseerzeugnissen für alle Haushalte – in Stadt und Land gleichermaßen – wird bei Minijobs von Zeitungszustellerinnen und Zeitungszustellern der Beitrag zur Rentenversicherung, den die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu tragen haben, befristet für die Dauer von fünf Jahren bis zum 31. Dezember 2022, von 15 auf 5 Prozent abgesenkt.“
In den Koalitionsvertrag hineindiktiert hat das Mathias Döpfner, Chef des Springer-Verlags und BDZV-Präsident, der sich gerne seines direkten Drahtes zu Merkel rühmt. In einem „Neujahrsgruß an die Verleger, Herausgeber und Geschäftsführer der BDZV-Mitgliedsunternehmen“ stellte er entsprechende Forderungen auf. Dazu berichtet das Online-Magazin „Rubikon“ am 16.2.:
Punkt eins seiner politischen Agenda betraf dann auch gleich die „Zeitungszustellung in alle Haushalte in Deutschland“. Diese müsse „weiterhin möglich und durch geeignete Maßnahmen für die Verlage finanzierbar bleiben“ Denn professioneller Journalismus sei für die „Verteidigung der Demokratie gegen populistische Strömungen wichtiger denn je“. Gerade die Tageszeitungen leisteten „einen unverzichtbaren Beitrag hierzu – in der Region und im Lokalen“. Und dann kommt es: „Die neue Bundesregierung muss zügig über entsprechende Sicherungsmaßnahmen entscheiden.“ Ähnlich hatte sich Döpfner im vergangenen September beim Jahreskongress der Verleger in Stuttgart geäußert: Demnach müssten die Lohnnebenkosten für Zeitungszusteller „deutlich“ gesenkt werden und zwar nach dem Muster der haushaltsnahen Dienstleistungen. Für diese gilt bereits der reduzierte Rentenbeitrag von fünf Prozent. Nun zeigt sich: Die Möchtegern-Großkoalitionäre wollen dem Wunsch nicht irgendwie nachkommen. Sie wollen eins zu eins das liefern, was bestellt wurde und kupfern dazu auch noch Döpfners Diktion – von wegen „Sicherung der bundesweiten Versorgung“ – in nahezu identischem Wortlaut ab. Und nicht nur die Union und die SPD legen sich für die Verlegerlobby ins Zeug. Auf besagter Jahrestagung brach auch Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann eine Lanze für die Branche und versprach, mit Blick auf die verlangte „Entlastung“, sich dafür einzusetzen, „dass das funktioniert“. Denn: „Man liest seine Zeitung ja beim Frühstück und nicht draußen vor der Tür.“
(den ganzen Artikel gibt es hier: https://www.rubikon.news/artikel/raffgierige-zeitungsboten)
Bereits von der jetzt noch geschäftsführenden alten Großen Koalition wurden die Zusteller, speziell durch Arbeitsministerin Andrea Nahles, drei Jahre um den (ohnehin mickrigen und löchrigen) vollen gesetzlichen Mindestlohn betrogen.
(siehe dazu meinen Lokalkompass-Artikel vom 15.2.: http://www.lokalkompass.de/essen-nord/politik/groko-vertrag-macht-zeitungsverlegern-ein-millionengeschenk-auf-kosten-der-zeitungszusteller-d827701.html
Die Behauptung der Verleger, ohne diesen Raubzug bei den Zustellern würden die Printmedien am Ende sein, ist reine Zweckpropaganda. So erklärte der Hauptgeschäftsführer des BDZV noch vor Abschluss des Koalitionsvertrages am 2.2.:
„Die nach Jahren starker Verluste vergleichsweise positive Grundstimmung fußt auf einer verbesserten Geschäftsentwicklung.“
Über diesen sozialpolitischen Skandal schweigen sich die Medien weitgehend aus. Es werden höchstens mal falsche Fährten gelegt. So macht die FAZ die CSU als alleinigen Schuldigen für diese Sauerei aus, obwohl das alle drei beteiligten Parteien einvernehmlich beschlossen haben. Es ist sowieso nur die Fortsetzung der bekannten Politik der Dienstleistung für die großen Konzerne, egal, ob es nun eine Jamaika-Koalition geworden wäre oder eine neue GroKo wird.
Autor:Bodo Urbat (Essen steht AUF) aus Essen-Nord |
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