Wie redliche Bürger von der Stadt schikaniert werden
Dort, wo statt Gardinen zerrissene Pappkartons oder vergilbtes Zeitungspapier die Fenster zieren, schaut die Stadt Essen gerne weg. Gegenüber, wo Menschen gerne ihre Fassade verschönern wollen, blockiert die Essener Politik und Verwaltung seit Monaten in unmenschlicher Weise den Bürgerwillen zum Engagement für ein schöneres Stadtbild. Wie es den betroffenen Menschen dabei geht, interessiert die Stadt einen Dreck.
Zitat: "Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Stadtplanung hat in seiner Sitzung am 07. Dezember 2017 beschlossen, dass die Anwendung der Richtlinie der Stadt Essen zur Verbesserung des Wohnumfeldes auf privaten Hof- und Hausflächen für die Bereiche, in denen der Rahmenplan Gladbecker Straße eine Neuordnung der Gebäudestruktur vorsieht, bis auf weiteres ausgesetzt wird."
Wo leben wir hier eigentlich?
Was hier hinter den Kulissen passiert, ist skandalös. Die Stadt Essen kommt mit einem, vor Fehlern nur so strotzenden, Rahmenplan um die Ecke und propagiert ein Abrissszenario von (zunächst) 10 Häusern. Völlig absurd ist das Ganze, da es sich zum größten Teil um Häuser handelt, wo Menschen zu bezahlbaren Mieten sehr gerne wohnen. Die Häuser sind in einem guten Zustand und zum Teil gerade innen komplett frisch saniert worden (mit moderner Brennwert-Technik, etc,). Die von einigen Akteuren transportierte Auffassung, dass man das Eigentum anderer einfach mal aufgrund eines Rahmenplans abreißen könne, hält einer juristischen Prüfung wohl kaum stand.
Mit freundlicher Unterstützung des Stadtplaners Reinhard Schmidt, veröffentliche ich hiermit einen Fragenkatalog, der für alle Interessierten und Betroffenen,
insbesondere aber auch für Journalisten einiges an "Futter" bietet.
Fragenkatalog zum „Rahmenplan Gladbecker Straße“
Die Fragen wurden im Verlauf der „Bürgerbeteiligung“ (erste Veranstaltung quasi unter
Ausschluss der Öffentlichkeit am 16.11.16 und Versammlung am 26.04.17 für die vom
Abriss der eigenen Häuser betroffenen) so formuliert und sind bis heute nicht beantwortet
worden.
Zur Bürgerbeteiligung
Altenessen-Süd wird über die Städtebauförderung „Soziale Stadt“ gefördert. Im Bereich
der Sozialen Stadt ist eine Aktivierung und Beteiligung erforderlich, die über das normale,
nach Baugesetzbuch vorgesehene Verfahren, deutlich hinausreicht. Hier sollen Bewohner
des Stadtteils aktiviert werden um nachhaltige Verbesserung der Partizipation und des
Engagements im Stadtteil zu erreichen. Wird die bisher geleistete Beteiligung der Stadt
Essen zum Rahmenplan Gladbecker Straße diesem Anspruch gerecht? Warum hat man
die Planungen, die immerhin den Abriss der gesamten straßenbegleitenden Bebauung auf
der Westseite der Gladbecker Straße im „Entwicklungsbild“ des Rahmenplans vorsehen,
nicht über ein Forum wie z.B. die Altenessen-Konferenz zur Diskussion gestellt? Hier geht
es um eine enormen Stadtumbau mit Abrissplanungen, die möglicherweise Eingang in
eine verbindliche Bauleitplanung finden werden.
Zur Planung
Ziel der Planung ist „die Qualität der Wohnsituation und des Wohnumfeldes entlang der
Gladbecker Straße zu erhöhen“. Wie realistisch ist dieses Ziel, wenn im Rahmenkonzept eine notwendige Halbierung der Fahrzeugbelastung als nicht erreichbar dargestellt wird und man unter dem Motto „Ab durch die Mitte“ im Rahmenplan den status-quo auch für die Zukunft festschreibt. Wie werden die extremen Luftbelastungen und Lärmbelastungen zukünftig verringert, damit das Ziel erreicht werden kann? Im Rahmenplan findet sich leider keine Antwort.
Bestandsaufnahme
Wie detailiert sich eine Planung mit ihrem Gegenstand auseinandersetzt, wird schon in der
Bestandsaufnahme deutlich. Hier werden im folgenden unrichtige bis skurrile Aussagen
aus der Bestandsaufnahme der Rahmenplanung, die die Qualität und Ernsthaftigkeit der
Planung in Frage stellen, dargestellt.
Warum wird zwischen Radhoffstraße und Hövelstraße von einem durchgängigen
Parkstreifen ausgegangen, wenn dieser dort so nicht vorhanden ist? Wie groß ist dann die
Chance hier einen Radweg anzulegen? Wie realistisch ist dann die Möglichkeit den
vorhandenen Parkstreifen von der Bamlerstraße bis Krablerstarße zu einem
durchgehenden Radweg umzubauen?
Warum findet sich im Bereich Gladbecker Straße/Radhoffstraße eine Baulücke im Plan?
Hier hat seit einigen Jahren eine Kita in der ehemaligen alten Wäscherei ihren Ort, weithin
sichtbar durch die Gestaltung des alten Kamins als „Leuchtturm“.
Warum ist die Kita der ev. Gemeinde in der Hövelstraße falsch verortet. Der Umzug hat
vor etwa 30 Jahren stattgefunden?
Warum wird für die Siedlung Pörtgenweg ein Substanzcheck empfohlen? Die Siedlung ist
vor wenigen Jahren durch die Allbau AG übernommen und modernisiert worden
(energetische Sanierung, Vorsatzbalkons, neue Dächer und Fenster). Das ist bei einer
Bestandsaufnahme vor Ort unmittelbar zu sehen. Warum also Bestandscheck?
Warum werden insbesondere die historischen Gebäude zwischen Bäuminghausstraße
und Pörtgenweg als schlecht bewertet? Hier findet gerade der für Planer immer so
wichtige Generationswechsel statt und er ist, wie man jetzt bereits sehen kann auf einem
guten Weg. Keine Verkäufe an Spekulanten, die hier dann „Schrottimmobilien“ entstehen
lassen, sondern verantwortungsvoller Übergang auf jüngere Eigentümer. Warum wird
dieser Prozeß nicht gefördert, sondern durch das Vorenthalten der Fassadenmittel und
Stigmatisierung durch negative Zuschreibungen behindert?
Verkehrsszenario
Die Entwicklung der Verkehrsszenarien wird in der Rahmenplanung inhaltlich mit der
Entscheidung zur faktischen Aufgabe der Planungen zur A52 durch Altenessen verknüpft.
Ist diese Verknüpfung zulässig?
Die Planungen zur A52 laufen seit über 50 Jahren und sind über das Nordstadtkonzept
aus den späten 1960er Jahren und die Standortprogramme der 1970er Jahre zum
zentralen Lösungsansatz für die Verkehrsprobleme des Essnere Nordens und des
mittleren Ruhrgebietes geworden. Diese Planungen betreffen das Bundesfernstraßennetz
und die regionale Verkehrsplanung.
Ist die Verlagerung dieser Lösungssuche und die Verlagerung auf eine Ebene der lokalen
Szenarienbildung planungshandwerklich seriös? Werden hier nicht Ebenen in
unzulässiger Weise vermischt? Wie realistisch ist die Suche nach einer Lösung auf lokaler
Ebene, für ein Problem, das die Verkehrsplaner auf regionaler und Landesebene seit
Jahrzehnten beschäftigt?
Warum werden nicht wenigstens Vorhaben wie die mögliche Schaffung einer neuen
Abfahrt an der A42 zwischen Bottrop-Süd und AK Essen-Nord, verbesserte
Radverkehrsbeziehungen im Zuge der RVR Planungen, einbezogen?
Gleichzeitig zu dieser Szenarienplanung lässt die Stadt Essen den sechsspurigen Ausbau
der Gladbecker Straße und eine Lösung mit alternierender Freigabe von Fahrspuren im
Verhältnis 3:1 prüfen? Müssen diese Szenarien nicht ebenso diskutiert werden, wenn man
über die Verbesserung der Wohnsituation an der Gladbecker Straße oder aber über
Abrisspläne spricht (ohne großflächigen Abriss ist eine sechsspurige Straße nicht zu
realisieren)?
Stadtklimatische Auswirkungen
In der Rahmenplanung finden sich keine Aussagen zu klimatischen Auswirkungen der
Planungen. Die Grün- und Freiflächen im Westen von Altenessen-Süd (ehem. Friedhof
und Kleingartenanlage) unmittelbar im Einflussbeerich der Gladbecker Szraße werden um
mehr als die Hälfte verringert, versiegelt und überbaut. Aus dieser Richtung kommt heute
die frische und kühle Luft, was sich an heißen Tagen sehr positiv auf die Aufheizung im
Verdichtungsbereich auswirkt. Warum sind diese Zusammenhänge, die in der Realität und
im Alltag hier vor Ort unmittelbar erfahrbar sind, nicht untersucht worden. Kann eine
seriöse Stadtplanung auf diese Planungsaspekte im Jahre 2016/17 verzichten?
Fragen zu den Planungen (im „Entwicklungsbild“ dargestellt) Grünzug Zangenstraße
Dieser Grünzug ist bereits im Rahmenplan Altenessen-Süd von 1991 (Büro
Pesch&Partner) vorgesehen. Seither ist nichts zur Realisierung unternommen worden.
Durchgängigkeiten sind im Bereich der Brücke an der Bamlerstraße und am westlichen
Ende Bäuminghaustraße inzwischen verloren gegangen. Wie realistisch ist diese Planung
nach 25 Jahren zuwarten noch?
Bebauung Kleingärten
Bereits in den 1980er Jahren sollten die Kleingärten entlang der Bamlerstraße unter UBahnaushub verschwinden um eine Abschirmung des Parks und der rückwärtigen
Bereiche der Gladbecker Starße vom Gewerbegebiet (damals Bamlerstraße) und dem
zunehmenden Verkehr auf der Bamlerstraße zu erreichen. Ein Planungsgedanke der
neben der aktuellen Planung geradezu menschenfreundlich daherkam.
Heute sollen die Grün- und Freiflächen bis auf den Kernbestand des alten Friedhofes
komplett versiegelt, überbaut und entlang der Bamlerstraße auch gewerblich genutzt
werden. Die Freiflächen werden auf weniger als die Hälfte reduziert. Welcher Vorteil
entsteht für Altenessen- Süd und den Einflussbereich der Gladbecker Straße durch diese
Planung? Warum wird die Chance zur großzügigen Grünvernetzung zu den Friedhöfen im
Segeroth offensichtlich nicht genutzt? Wie wirkt sich die Planung, die die Frischluftzufuhr
aus Westen unterbricht aus und was heißt das für Hitzeperioden? Sind die
stadtklimatischen Auswirkungen geprüft? Ist das Ziel der Klimaanpassung der Stadt hier
berücksichtigt?
Blockbebauung Kreuzung Hövelstraße Gladbeckerstraße
Auch diese Bebauung war schon in verschiedenen Planungen vorgesehen. Ist dieses
Vorhaben realistisch und welche Bebauung für welche Bewohner ist hier vorstellbar,
angesichts der Tatsache, das eine Entlastung der Gladbecker Straße über die
Rahmenplanung nicht erreicht wird?
Quartiersplätze
Was versteht die Rahmenplanung unter einem Quartiersplatz?
Der vorgesehene Quartiersplatz im Bereich Bäuminghausstraße/Großenbruchstraße
ist ein Blockinnenbereich seit Jahrzehnten zum Teil als Garagenhof und Hoffläche genutzt.
Es handelt sich durchweg um nichtöffentliche Flächen. Welche Qualifizierung ist hier mit
welchen finanziellen Aufwendungen denkbar? Und warum bleibt der vergleichsweise triste
Schulhof der Großenbruchgrundschule in unmittelbarer Nähe als Quartiersplatz
unbeachtet?
Der Westerdorfplatz als bestehender Quartiersplatz wird seit vielen Jahren intensiv
genutzt. Bei einer Umgestaltung in der Vergangenheit ist der Bolzplatz, der seit den
1960er Jahren für Generationen von Straßenfußballern im Quartier zentraler Ort war,
abgebaut worden. Ersatz sollte am Ellernplatz weit abgerückt von der Bebauung
geschaffen werden. Das ist 20 Jahre her und der Ersatz ist nie gekommen. Warum ist der
Ellernplatz auf der Suche nach Quartiersplätzen nicht betrachtet worden?
Gehweg und Radweg entlang der Gladbecker Straße
Abgesehenen von der Tatsache, dass nicht grundsätzlich Parkstreifen vorhanden sind, die
zu breiteren Gehwegen oder einem Radweg umzuwandeln wären, stellt sich hier die
Frage nach der Durchsetzbarkeit. Ist der Verzicht auf den Parkstreifen eine realistische
Option und was ist durch einen Radweg lediglich in nördlicher Richtung
verkehrsplanerisch für den Alltagsradverkehr gewonnen?
Nachverdichtung der Innenbereiche
Welchen Beitrag leistet die Nachverdichtung (Bebauung der Innenhöfe) in den Baublöcken
– Hövelstraße, Gladbecker Straße, De-Wolff-Straße, Großenbruchstraße
– Hövelstraße, Gladbecker Straße, Radhofftsraße, Nienhausenstraße
zur Verbesserung der Wohnqualität? Die vorhandenen Belastungen durch die Gladbecker
Straße und die Hövelstraße (auch 16.000 Fahrzeuge in 24h) werden nicht reduziert,
sondern bleiben „ab durch die Mitte“ auf Sicht erhalten. Zusätzlich verlieren die Bewohner
ihre vergleichsweise ruhigen Innenhöfe. Wo ist bei einer solchen Planung die
Verbesserung?
Neue Mitte
Der Plan sieht im Kreuzungsbereich Gladbecker Straße/ Bäuminghausstraße eine
sogenannte Neue Mitte mit einem Marktplatz entlang der Gladbecker Straße und einem
Cafe vor. Welche Realisierungschance hat ein Marktplatz an dieser Stelle und wer möchte
im tosenden Lärm hier im Cafe unter Bäumen sitzen? An dieser Stelle schließt demnächst
die Sparkasse Essen als letzte öffentliche Institution ihre Filiale.
Abrissplanungen
Welche Vorteile sind für Altenessen-Süd vom Abriss der westlichen Wohnbebauung im
Zuge der Gladbecker Straße zu erwarten? Werden hierdurch die Belastungen durch Lärm
und Abgase für die Wohnquartiere auf der östlichen Seite der Gladbecker Straße
nachhaltig gesenkt? Gibt es Untersuchungen, die Verbesserungen in diesem Bereich, als
erwartbar und realistisch bezeichnen? Wenn Nein, besteht nicht vielmehr die Gefahr, das
durch Formulierung solcher Abrissziele eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt wird, wenn
verunsicherte Mieter und Eigentümer endgültig aufgeben, ausziehen oder an Spekulanten
verkaufen?
Insgesamt ist die Rahmenplanung von der Bestandsaufnahme bis zum Entwicklungsbild eine Ansammlung von Halbheiten, Ungenauigkeiten und Platzhaltern, die mit dem Ort und dem Stadtteil kaum in Übereinstimmung zu bringen sind. Mängel in der Verortung von Einrichtungen, Baulücken wo sich eine Kindertagesstätte befindet, Quartiersplätze in privaten Hofbereichen, Marktplätze im tosenden Straßenverkehr, Abrissplanungen zur Verbesserung der Luftqualität und Senkung der Lärmbelastungen.
Und ja, selbst wenn am St. Nimmerleinstag ein sechsspuriger Ausbau der B224 tatsächlich passieren würde, so würden doch noch so viele Jahre ins Land gehen, dass sich eine Teilhabe der Betroffenen am Fassadenprogramm für Alle lohnen würde. Anders wäre es ja nicht zu erklären, dass die Stadt selbst aktuell 385 000 Euro investiert hat, um auf selbigem "Planungsgebiet" einen Rad- und Fußweg anzulegen.
Autor:Susanne Demmer aus Essen-Nord |
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