Politik der verbrannten Erde
Wie RAG, Wintershall DEA und andere Konzerne unsere Flüsse vergiften
Es hat 30 Jahre gedauert und 5,5 Milliarden Euro gekostet, um die Emscher von einer Industriekloake wieder in einen richtigen Fluss zu verwandeln. Auf Veranstaltungen wurde das dieses Jahr groß gefeiert als Beispiel für einen angeblich „erfolgreichen Strukturwandel“. Doch die ganze aufwendige Renaturierung der Emscher wird nicht nur durch die völlig legale Einleitung stark salzhaltiger Abwässer aus der Erdgasförderung in Niedersachsen zur Farce.
Allein der Vorgang, wie dieses sogenannte Lagerstättenwasser von Niedersachsen in die Emscher gelangt, ist so bizarr wie skandalös. Recherchen des WDR, die Anfang des Monats in der Sendung Westpol gezeigt wurden, ergaben:
Das Abwasser stammt aus der Gasförderung der Wintershall DEA AG, des größten europäischen Erdgas- und Erdölkonzerns. Nachdem der niedersächsische Landkreis Nienburg sich schon vor Jahren geweigert hatte, das Lagerstättenwasser in seine Kläranlagen entsorgen zu lassen, wurde es in Industrieabwasser umdeklariert und in Tanklastwagen zu Kläranlagen in NRW transportiert. Über die Kläranlage Gütersloh wurde so das Flüsschen Lutter in ein halbtotes Gewässer verwandelt, denn Kläranlagen können die Salzfracht nicht zurückhalten.
Über die Kläranlage Bottrop gelangt die Dreckbrühe von Wintershall DEA in die frisch renaturierte Emscher. Zurecht empört sich der Sprecher der Emschergenossenschaft/Lippeverband (EGLV), dass „damit die Emscher aufgrund von Salzeinleitungen ein biologisch toter Fluss bleibt“ (NRZ vom 9.12.22).
Der nordrhein-westfälische Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) wusste genau, was da vor sich ging. Sein Statement bei Westpol: Dagegen kann man nichts machen, weil die Einleitungen legal und genehmigt seien. Ansonsten peinliches Gestammel von „merkwürdigen Umwegen“ und „Gesetzeslücken“ und die Bemühung des St.-Florians-Prinzip: sollen sie es doch in Niedersachsen entsorgen. Dann wäre für Krischer alles in Ordnung.
Legal, illegal - der RAG egal
Es ist aber nicht nur Wintershall DEA, die unsere Flüsse mit Giftstoffen und hohen Salzfrachten belastet, sondern in noch größerem Umfang die Ruhrkohle AG (RAG). Auch die RAG leitet zurzeit noch Grubenwasser in die Emscher ein, natürlich legal und mit Genehmigung. Zum Ende dieses Jahres soll eigentlich damit Schluss sein, aber es ist fraglich, ob die RAG das einhalten kann.
Auch wenn offiziell ab 2023 kein Grubenwasser mehr in die Emscher geleitet werden darf – in Rhein, Ruhr und Lippe darf die RAG es weiter einleiten. Die RAG tut immer so, als ob das völlig harmlos wäre, weil das Grubenwasser ja verdünnt wird. Wie harmlos das ist, konnten wir dieses Jahr beim katastrophalen Fischsterben in der Oder sehen, das durch hohe Salzfrachten aus dem Bergbau verursacht wurde.
Nicht ohne Grund wurde die RAG diesen Sommer behördlich verpflichtet, die Einleitung von Grubenwasser in die Ruhr aus dem Schacht Heinrich in Überruhr zeitweise zu stoppen. Bei Wasserproben aus der Niedrigwasser führenden und überwärmten Ruhr wurde eine drastische Verschlechterung der Wasserqualität festgestellt. Bei niedrigen Pegelständen und unter einer bestimmten Fließgeschwindigkeit der Ruhr darf vom Schacht Heinrich eigentlich kein Grubenwasser mehr in die Ruhr geleitet werden.
Doch die Kontrollen gegenüber der RAG sind sehr lax und konnten nicht verhindern, dass die RAG zwischen 2018 und 2020 an 115 Tagen illegal Grubenwasser in die Ruhr eingeleitet hat. Das hat der Landesverband der Bergbaubetroffenen (LVBB) NRW anhand bisher zugänglicher Daten ermittelt. Auch im heißen Sommer 2022 wurde der Pegel an der Ruhr häufig unterschritten. Daten zur Einleitung von Grubenwasser werden dem LVBB jedoch inzwischen von RAG und Bezirksregierung Arnsberg verweigert – mit der dreisten Begründung, dass daran „kein öffentliches Interesse“ bestehe. Der LVBB hat deshalb Strafanzeige gegen die RAG und die Bezirksregierung Arnsberg als Aufsichtsbehörde gestellt.
Die bundesweite Bergarbeiterbewegung „Kumpel für AUF“ fordert den sofortigen Stopp und das Verbot der Einleitung von ungefilterten und nicht entsalzten Gruben- und Lagerstättenwässern in unsere Flüsse und Kläranlagen!
Herausgabe aller Daten zur Grubenwasser-Einleitung gemäß dem Informationsfreiheitsgesetz durch RAG und Bezirksregierung!
Es ist technisch schon längst und ohne großen Aufwand möglich, solche Wässer mindestens in Brauchwasserqualität aufzubereiten, bevor man sie in Oberflächengewässer einleitet. Das alles ist der RAG nur zu teuer. Obwohl die RAG-Stiftung zur Finanzierung der sogenannten „Ewigkeitskosten“ gegründet wurde, versucht sie mit allen Mitteln, möglichst viele dieser Kosten loszuwerden bzw. auf die Kommunen und die Allgemeinheit abzuwälzen. Vor allem aber setzt die RAG ihre Politik der verbrannten Erde unvermindert fort. Allein mit der Flutung der stillgelegten Stollen wird durch den unter Tage eingelagerten Giftmüll und das tonnenweise unter Tage verbliebene Ultragift PCB eine unabsehbare Katastrophe provoziert. Der Widerstand gegen diese Politik ist lebendig und nimmt gerade einen Aufschwung.
Autor:Bodo Urbat (Essen steht AUF) aus Essen-Nord |
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