Wahlkampf (IV): Interview mit Horst Dotten, Bundestagskandidat der MLPD

Horst Dotten, Bundestagskandidat der MLPD im Wahlkreis 119, bei einer Solidaritätsaktion für die Bochumer Opel-Kollegen
4Bilder
  • Horst Dotten, Bundestagskandidat der MLPD im Wahlkreis 119, bei einer Solidaritätsaktion für die Bochumer Opel-Kollegen
  • hochgeladen von Bodo Urbat (Essen steht AUF)

In der Essener Stadtpolitik ist die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) seit vielen Jahren eine feste Größe. In den Medien spiegelt sich das nicht wider. Im Gegenteil. In den Lokalredaktionen der WAZ in Gelsenkirchen und Essen gibt es seit Jahren einen ganz strikten, politisch motivierten Boykott gegenüber der MLPD. Deshalb erlaube ich mir, den Kandidaten der MLPD für den Wahlkreis 119 hier selbst zu Wort kommen zu lassen.
Horst Dotten (55) ist gelernter Metallfacharbeiter und arbeitet bei Kolektor (ehemals Krupp Widia). Seit über 30 Jahren macht er aktive Gewerkschaftsarbeit. Horst gehört zu den Gründungsmitgliedern von „Essen steht AUF“. Wir sind seit langem befreundet und ich kenne Horst als einen Menschen, der konsequent und unbestechlich für seine Grundsätze eintritt. Hier seine Antworten auf meine Fragen.

Warum kandidiert die MLPD, obwohl sie es nicht in den Bundestag schaffen wird?

Wir wollen möglichst vielen Menschen die Möglichkeit geben, mit ihrer Stimme ein Signal für eine Richtungsentscheidung für eine echte gesellschaftliche Alternative zu setzen. Deshalb ist unsere Hauptaussage im Wahlkampf „Radikal links, revolutionär – für echten Sozialismus“. Das trifft bei vielen Menschen einen Nerv, die nach einer Alternative zum Kapitalismus suchen. Die „Wählerinitiative Horst Dotten“, die sich Ende letzten Jahres zur Unterstützung meiner Kandidatur und meines Wahlkampfs gegründet hat, ist in den letzten Wochen stark gewachsen, auf 130 Mitglieder. Die sind wirklich sehr aktiv und führen den Wahlkampf. Sie haben hervorragend plakatiert, 50.000 Wahlzeitungen verteilt und viele Infostände, Hausbesuche und Straßenumzüge durchgeführt.

Die MLPD ist im Wahlkampf nicht zu übersehen. Trotzdem wird sie von den Medien regelrecht totgeschwiegen.

Letztes Beispiel dieses Medienboykotts in Essen war das Verschweigen der Kundgebung mit dem Parteivorsitzenden Stefan Engel am 7. September auf der Porschekanzel. Trotz persönlicher Vorsprache wurde diese gut besuchte Kundgebung weder angekündigt noch wurde im Nachhinein darüber berichtet, weil eben nur das kommt, was die Chefredaktion für „relevant“ hält. Klar, das behindert uns. Aber es spornt uns auch an. Wir haben viel Lob für unsere Plakate bekommen, die sich wohltuend vom nichtssagenden Einheitsbrei der etablierten Parteien abheben. Etliche Leute kaufen unsere Plakate. Der Renner sind die Plakate "Revolutionen sind die Lokomotiven der Geschichte". Wir haben in den letzten Wochen mit unserem Straßenwahlkampf zehntausende Menschen erreicht. Die etablierten Parteien setzen dagegen allein auf die Medien. Da müssen sie sich nicht wirklich den Menschen stellen, sondern können eine inszenierte Show abziehen und unliebsame Parteien und Meinungen raushalten.

Während die Wirtschaftskrise oder die Umweltkrise im Wahlkampf bei sämtlichen „Nicht-Sonstigen“ Parteien keine Rolle spielen, wird um einen Stinkefinger ein Riesen-Bohei gemacht …

Merkel erweckt ja den Eindruck, als sei es uns und dem Land noch nie so gut gegangen, wie in ihrer Regierungszeit. Diese Selbstbeweihräucherung wird noch durch Horst Seehofer getoppt, der allen Ernstes Bayern als die „Pforte zum Paradies“ bezeichnete. In der Psychiatrie wäre ja jetzt wieder ein Platz frei, nachdem sie den Gustl Mollath freilassen mussten … Aber im Ernst: Das alles geht meilenweit an der Lebenswirklichkeit der großen Mehrheit der Bevölkerung vorbei. Die ist geprägt von unsicherer und schlecht bezahlter Arbeit, von steigenden Preisen für Lebensmittel, Energie und Mieten, von massiven Arbeitsplatzverlusten in der Solar-, Auto- und Stahlindustrie. Die angeblich rosige Wirtschaftsentwicklung hat seit sechs Quartalen negative Vorzeichen. Für die Rettung der Banken wurde die Staatsverschuldung ins Uferlose gesteigert.
Dem begegnet die SPD, indem sie die realen Sorgen und Bedürfnisse der Menschen scheinbar aufgreift, ohne auch nur ansatzweise Forderungen zu entwickeln. Klar, denn dann müsste sie ja zu allererst die Rücknahme ihrer eigenen „Reformen“ fordern, wie der Hartz-Gesetze und der Rente mit 67.
Es merkt doch jeder, dass hier keinerlei wirkliche Opposition am Start ist. Zwischen CDU, SPD, GRÜNEN, und FDP könnte jeder mit jedem. Vieles deutet auf eine große Koalition hin. Und diese nicht unwahrscheinliche Möglichkeit wird der Mehrheit dann von den sogenannten „Meinungsforschern“ noch als ihr sehnlichster Wunsch unterstellt.
Deshalb sage ich: Jede Stimme für diese Parteien ist eine verschenkte Stimme.

Warum dann nicht DIE LINKE wählen?

Weil sich zumindest ihr Führungspersonal immer mehr von linken, fortschrittlichen Positionen verabschiedet, um von der SPD für koalitionsfähig gehalten zu werden. Schau Dir nur die Plakate an: keine klare Kante mehr gegen Hartz IV oder gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr. DIE LINKE positioniert sich ausdrücklich gegen jede revolutionäre Veränderung. Das wäre nicht zeitgemäß. Zeitgemäß ist es dagegen, uns mit Mindestrationen des von uns geschaffenen Reichtums abzuspeisen: Mindestlohn, Mindestrente, Mindestsicherung … Warum sollte man so einer perspektivlosen Politik seine Stimme geben? Natürlich sind wir nicht gegen einen Mindestlohn. Aber unsere Perspektive erschöpft sich eben nicht in der Forderung nach „Ausbeutung light". Wir sind grundsätzlich gegen jede Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und sind deshalb für eine sozialistische Alternative.

Ich höre schon die Einwände ….

Fast 80 Prozent der Menschen in Deutschland halten den Sozialismus für eine gute Idee, versehen das aber oft noch mit einem großen ABER. Hier kommt der moderne Antikommunismus ins Spiel, mit dem Vorbehalte, Vorurteile und diffuse Ängste über den Sozialismus und seine Befürworter gestreut werden. Was die Sache zusätzlich erschwert: Nicht überall, wo Sozialismus draufsteht, ist auch Sozialismus drin. So ist bei der LINKEN oft vom „demokratischen Sozialismus“ die Rede. Soll heißen: die DDR war „undemokratischer Sozialismus“. Tatsächlich hatte das längst nichts mehr mit Sozialismus zu tun, sondern war ein bürokratischer Kapitalismus, wo wieder eine Minderheit dem Volk im Nacken saß. Leute wie Gregor Gysi haben in diesem Staat ein angepasstes, privilegiertes Leben genossen und machen heute den antikommunistischen Kronzeugen gegen einen „Sozialismus“, der keiner war.
Das greift der „Verfassungsschutz“ gerne auf, der systematisch eine psychologische Kriegsführung gegen die MLPD betreibt. Unter anderem behauptete er in seinen Berichten jahrelang einen angeblichen Personenkult um den Parteivorsitzenden Stefan Engel. Beweis sollte sein, dass der Parteivorsitzende Interviews gibt und in geheimer Wahl zum neunten Mal zum Parteivorsitzenden gewählt wurde. Das war selbst dem Landgericht Essen zu plump. Auf eine Verleumdungsklage der MLPD untersagte es im April besonders üble Diffamierungen wie die vom „Personenkult“.
Der Wahlkampf ist sicher eine gute Gelegenheit, sich ein eigenes, unverfälschtes Bild von der MLPD zu machen.

Danke für die interessanten Ausführungen und viel Erfolg.

Autor:

Bodo Urbat (Essen steht AUF) aus Essen-Nord

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

20 folgen diesem Profil

12 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.