Vogelheim zwischen Wandel und Privatisierung
Ein Stadtteil veändert sein Gesicht: Zwei Jahre nach dem Ankauf der THS-Immobilien in Vogelheim durch Häusser Bau ist die Siedlung zwischen Hafen- und Beckstraße kaum wiederzuerkennen. Veränderungen sind nach langen Jahren des Stillstandes ja zunächst nichts Schlechtes. Aber vor allem eingefleischte Anwohner fragen sich, ob mancher Eigentümer über das Ziel hinausschießt.
Häusser Bau-Sprecher Ralf Bettges räumte vor zwei Jahren ein: „Die Wohnraumprivatisierung ist leider ein Geschäftsfeld, in dem man sich wenig Freunde macht.“ Damals sorgten sich Anwohner vor unlauteren Geschäften und einer weiteren Verwahrlosung der Siedlung. Zumindest optisch ist der Eindruck ein anderer. Auch habe Häusser Bau die dringlichsten Mängel beseitigt, berichtet Bernd Ingensandt von der Mieterinitiative. Die Klagen wurden leiser. Was auch daran liegen könnte, dass einige Vogelheimer ihre Sachen packten.
Jetzt, wo ein Teil der Gebäude weiter veräußert wurde, flammt die Verunsicherung wieder auf. Neue Eigentümer gehen nicht immer sachte zu Werke, wie nicht genehmigte Baumfällungen zeigen.
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Es ist die Kehrseite der Privatisierung: Wenn die eigene Nachbarschaft nicht mehr dieselbe ist, verstehen Alteingesessene die Welt nicht mehr. Mit Pinselstrichen, parzellierten Gärten und anderen gestalterischen Maßnahmen müssen diese Menschen eben leben, mag man einwenden. Schließlich bleibt nichts für die Ewigkeit. Bis dahin kann ein wenig Fingerspitzengefühl aber auch nicht schaden, wie diese zwei Geschichten aus Vogelheim zeigen.
Vogelheim besitzt einen Ruf als grüne Wohnstadt. Im Hinterland der Förderstraße prangt aber neuerdings eine Mondlandschaft. 40 Bäume, so heißt es, seien von heute auf morgen weggeholzt worden. Darunter schützenswerte Exemplare wie jener Weihrauchbaum, an dem sich wohl Kirchengemeinden aus ganz Essen bedienten. Das Problem: Für die Fällungen gab die Stadt keine Genehmigung, wie Stefan Schulze aus dem Presseamt bestätigt. Derzeit untersuche die Untere Landschaftsbehörde das Ausmaß der Abholzungen. Inwiefern mit einem Ordnungswidrigkeitsverfahren für den Verursacher zu rechnen ist, dazu hält sich der Pressereferent bedeckt: „Es handelt sich um ein laufendes Verfahren.“
Zu diesem Verfahren gehört auch die Ermittlung des Verursachers. Häusser Bau, so sagen Anwohner, habe an die neue Eigentümerin verwiesen. Die sei allerdings erst ab dem 1. Oktober die tatsächliche Eigentümerin - und spielte den Ball unter Zeugen an das Bochumer Unternehmen zurück.
Inzwischen soll die Eignerin, die noch drei weitere Häuser und mehrere Grundstücke in der Siedlung erworben habe, im Oman weilen. So berichtet es Häusser Bau-Sprecher Ralf Bettges. In der Aufregung und in der Anwesenheit von Lokalpolitikern habe sie sich wohl einer „Notlüge“ bedient, vermutet er. „Häusser Bau hat mit den Fällungen nichts zu tun“, beteuert Bettges. Ob die Stadt zu demselben Ergebnis kommt, bleibt abzuwarten.
Michael Schwamborn, EBB-Bezirksvertreter und Mitglied der Stadtteilkonferenz, sieht noch ein weiteres Problem: „Obwohl einzelne Bäume in den Gärten standen, wurden die Anwohner nicht informiert. Da hat sich jemand unerlaubt an der Mietsache zu schaffen gemacht. Das ist in meinen Augen mindestens Hausfriedensbruch.“
In dieser Sache ermittelt die Stadt allerdings nicht. „Es geht uns nur um die Fällungen“, so Stadtsprecher Schulze. Soll heißen: Bei allem anderen müssten die Betroffenen selbst juristisch aktiv werden. Womit nicht zu rechnen ist: Unter dem Eindruck eines Aufeinandertreffens mit der Eigentümerin ist die Stimmung gekippt, inzwischen sind die Beschwerdeführer ihrer Sache nicht mehr sicher. Dabei belastet sie die Situation schwer. „Ich kann deswegen nicht mehr schlafen“, sagt ein Mieter.
Thorsten Wolf dagegen hat keine Probleme damit, seinen Namen in der Zeitung zu lesen. Er muss sich mit keinem Eigentümer gut stellen. Seine Familie machte in der Stichstraße Förderstraße vom Vorkaufsrecht für ihre Wohnung Gebrauch. Und im Grunde genommen hat er auch kein Problem mit den neuen Eigentümern an der Hafenstraße. Sondern vielmehr mit der Stadt, die es zuließ, dass die Käufer dort ihre Garageneinfahrten zur Förderstraße bauen konnten. „Obwohl ihre Häusereingänge zur Hafenstraße hin liegen, fallen bei uns in der Straße die Parkplätze weg“, beklagt der Diplom-Sozialpädagoge und deutet auf die neue Halteverbotszone.
Und wie er erfuhr, sind bereits zwei weitere Garagen in Planung. „Wenn das so weitergeht, entsteht hier die erste städtische Privatstraße“, rettet sich Thorsten Wolf in Sarkasmus. Weniger witzig: Auf Nachfrage bei der Stadt sei sein Vater abgekanzelt worden. Da eine Beschwerde gegen das Amt für Stadtplanung und Bauordnung noch nicht beantwortet wurde, leitete Thorsten Wolf sein Anliegen an die Bezirksregierung Düsseldorf weiter. Bislang ohne Antwort.
Es sind Geschichten wie diese, die in Vogelheim Unruhe schüren. Ralf Bettges von Häusser Bau kann diese Unruhe „subjektiv“ nachvollziehen. Aber: „Man darf nicht verkennen, dass hier etwas stattfindet. Nämlich Stadtentwicklung.“ An der in Vogelheim manche mehr, andere weniger beteiligt sind.
Häus(s)er-Verkauf
Aus Sicht des Bochumer Bauträgers ist die Privatisierung der alten THS-Bestände „ganz gut“ angelaufen. 23 von 66 Eigentumswohnungen sind in private Hände übergegangen, wobei 24 Wohneinheiten noch nicht zum Verkauf standen. Von 35 Häusern sind 18 verkauft worden.
Autor:Patrick Torma aus Essen-Nord |
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