Übergangswohnheim Wengestraße: "Es hat sich nichts gebessert"
Brennpunkt Wengestraße: Im Mai klagten Schonnebecker im Nord Anzeiger über Störungen, die von Bewohnern - zumeist Asylbewerber aus Serbien und Mazedonien - eines Übergangswohnheimes ausgehen sollen. Die Bezirksvertretung für die Zollverein-Stadtteile nahm sich der Problematik an. Doch der Spielraum der örtlichen Politik ist begrenzt.
Auch deshalb fällt das Fazit der Betroffenen ernüchternd aus. „Es hat sich nichts gebessert“, berichtet ein Anwohner. Im Wohnheim seien inzwischen andere, die Probleme jedoch dieselben. „Der Lärm dröhnt weiterhin durch die Wengestraße, auf dem Hof werden immer noch Kühlschränke wild ausgeschlachtet. Der einzige Unterschied: Transporter blockieren die Einfahrt. Damit das Gelände weniger einsehbar ist“, schildert ein Nachbar auf Anfrage.
Die Bezirksvertretung VI debattierte im Stoppenberger Ratssaal zunächst hinter verschlossenen Türen. „Es war uns wichtig, uns umfassend zu informieren“, begründet Bezirksbürgermeister Michael Zühlke (SPD) im Nachgang. In einem interfraktionellen Arbeitskreis fanden Gespräche mit den für die Wengestraße zuständigen Fachbereichen statt. Einzelne Ratsherren und Bezirksvertreter sprachen mit betroffenen Nachbarn. Die Erkenntnisse fasst Michael Zühlke in einem Schreiben zusammen, das die Bezirksverwaltungstelle Mitte August allen Anwohner im direkten Umfeld zukommen ließ.
Zur Enttäuschung aller, die auf Lösungen hofften: Das Schreiben besitzt rein informierenden Charakter. Der Nord Anzeiger sprach mit Bezirksbürgermeister Michael Zühlke.
Nord Anzeiger (NA): Herr Zühlke, mit Verlaub, aber das Schreiben erscheint doch ziemlich ergebnisoffen ...
Michael Zühlke: Uns ging es zunächst darum, die Anwohner über den Sachstand aufzuklären. Und darum, ihnen Ansprechpartner zu nennen, die bei Bedarf schnelle Hilfe bieten können.
NA: Sie nennen in dem Schreiben einen Fachbereich bei der Stadt, die Diakonie als Zuständige für das Wohnheim, aber auch das Ordnungsamt und die Polizei - letztere sind als Ansprechpartner bei Ruhestörungen ziemlich naheliegend, oder?
Zühlke: Selbstverständlich. Nur wollen wir nochmal darauf hinweisen, dass die Behörden bei dem Verdacht von Straftaten oder bei Störungen der öffentlichen Ruhe auch konsequent zu benachrichtigen sind. Im Gespräch hat uns die Polizei mitgeteilt, dass sie im vergangenen halben Jahr lediglich zweimal zur Wengestraße gerufen worden ist.
NA: Zur Lösung der Spannungen tragen weitere Beschwerden aber wohl weniger bei. Sie schreiben selbst, dass „nicht alle Ärgernisse“ auszuräumen sind.
Zühlke: Nein, mit dem Heim müssen wir leben. Letztlich können wir im Bezirk nicht viel ausrichten, da ist die Politik im Rathaus gefragt. Wir bekommen nur die lokalen Auswirkungen zu spüren.
Da muss ich im Übrigen auch Kritik an meiner Fraktion üben. Sie hat die Entscheidung über das Asylbewerber-Konzept (vorgestellt von Sozialdezernent Peter Renzel, siehe Infos weiter unten, Anm. d. Red.) auf die Zeit nach der Sommerpause vertagt. Dabei ist die Problemlage nicht neu, die Fakten sind bekannt.
NA:
Stimmt es, dass die SPD einen Zaun zwischen Wohnheim und der benachbarten Kindertagesstätte errichten möchte? Es sollen Steine geflogen sein ...
Zühlke:
Darüber wurde nachgedacht, ja. Aber letztlich ist das keine Lösung. Die Kita-Leitung hat hervorragend reagiert und das Gespräch mit den Bewohnern gesucht. Das muss der Weg sein. Das Problem ist nur, dass die Bewohner ständig wechseln.
Im Folgenden veröffentlichen wir Auszüge aus dem Schreiben der Bezirksvertretung VI, unterschrieben von Bezirksbürgermeister Michael Zühlke:
„Hierbei ist mir wichtig, Ihnen zu bestätigen, dass wir Ihre Beschwerden ernst nehmen und es von allen Beteiligten konkrete Bemühungen gibt, die Zustände in der Umgebung des Wohnheimes wieder zu verbessern. Zunächst möchte ich Sie darüber informieren, dass für die Wohnanlage Wengestraße mittlerweile eine unbefristete Baugenehmigung erteilt wurde.
Die Stadt Essen ist zur Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz NRW -FlüAG- verpflichtet. Hierzu werden die Asylbewerber vom Bundesamt für Mi-gration und Flüchtlinge zugewiesen. Wie sie eventuell der Presse entnommen haben, hat die Sozialverwaltung ein neues Konzept zur Unterbringung und Betreuung von Asylbewerbern in Essen erarbeitet, über das derzeit beraten wird. Hierbei geht es u.a. um den Personenkreis, der in den vergangenen zwei Jahren auch im Wohnheim an der Wengestraße untergebracht wurde. Unabhängig davon ist Ihnen vielleicht aufgefallen, dass die Stadtverwaltung mit Unterstützung der Polizei mehrere umfassende Kontrollen des Übergangsheims Wengestraße auch an den Wochenenden durchgeführt hat und weiter durchführen wird.
Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang auch noch einmal darauf aufmerksam machen, dass die Polizei zur Verhinderung und Verfolgung von Straftaten zuständig ist. Ferner ist sie neben der Ordnungsbehörde für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständig, so dass innerhalb der Bürodienstzeiten (z.B. bei Ruhestörungen) der gemeinsame Streifendienst des Ordnungsamtes unter der Telefonnummer 88 32 142 und außerhalb dieser Zeiten die Polizei unter der bekannten Notrufnummer 110 um Hilfe gebeten werden kann.
Wenn ich auch weiß, dass nicht alle Ärgernisse und auch künftig nicht alle Störungen beseitigt werden können so hoffe ich doch, Sie mit diesen Informationen für künftige Problemsituationen ausreichend informiert zu haben.“
--> Asyl-Konzept
Anfang Juli stellte Sozialdezernent Peter Renzel ein neues Asylbewerber-Konzept vor. Wichtigste Neuerung: Asylbewerber sollen in den ersten Monaten kein Geld, sondern Sachleistungen erhalten. Hintergrund sind die zunehmende Zahl der Asylbewerber mit wenig Aussicht auf ein dauerhaftes Bleiberecht und die steigenden Kosten für die Kommune. Flüchtlingen, die vorrangig aus wirtschaftlichen Gründen einreisen, soll der Aufenthalt weniger attraktiv erscheinen. Die CDU befürwortet diesen Vorstoß, während Grüne und Linke der Kritik von Flüchtlingsverbänden folgen, die das Konzept als reine „Abschreckungspolitik“ verstehen. Die SPD im Sozialausschuss meldete Beratungsbedarf an. Pikant: Erst 2010 bekannten SPD und Linke in einem gemeinsamen Antrag, dass „Sachleistungen, Gutscheine oder Geldkarten nicht den humanitären Grundsätzen entsprechen, die sich in Essen als gesellschaftlicher Konsens herausgebildet haben.“
Autor:Patrick Torma aus Essen-Nord |
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