Tatort Elisabeth-Krankenhaus - Pfleger räumt Konto von Koma-Patienten
Ein Mann aus Essen-Steele liegt im Krankenhaus und verstirbt. Die Familie steht unter Schock, da der Mann sich gerade auf dem Weg der Besserung befand, als sich die Ereignisse überschlugen. Ein Jahr später steht ein Pfleger vor Gericht, der mehrere tausend Euro vom Konto des Verstorbenen abgehoben hatte. Die Strafsache wird wegen Geringfügigkeit eingestellt.
Die entsetzte Familie klagt an: "Was hier passiert ist, ist ein Skandal und an fehlender Humanität und Moral kaum zu überbieten. Der Patient und wir als Angehörige waren auf allen Ebenen schutzlos ausgeliefert."
Was geschah im Krankenhaus?
Heinz M. (Name geändert) ging im Februar 2015 voller Hoffnung ins Elisabeth-Krankenhaus in Essen. Eine Operation im Unterleib führte zu einem langen Aufenthalt auf der Intensivstation, wo der Patient auch ins künstliche Koma versetzt wurde. Jeden Tag bekam er Besuch von seiner Familie, Freunden und seinem Pfarrer. Noch immer unerklärlich für die Angehörigen ist eine plötzliche Verlegung auf eine normale Station, denn einen Tag später lag der Patient wieder auf der Intensivstation und es ging ihm rapide schlechter. Im März verstarb Heinz M.
Einen Tag später holte eine Nichte die mitgebrachten Utensilien des Verstorbenen ab. Diese befanden sich in einem vom Krankenhauspersonal abgeschlossenen Raum. Die Nichte war übrigens nicht bekannt bei den Pflegern und Ärzten und war zufällig vor Ort, da sie ebenfalls einen Angehörigen besuchen wollte, jedoch wurden ihr ohne Nachfrage die Sachen ausghändigt.
Die Familie kümmerte sich in Folge um die anstehende Beerdigung und es fiel auf, dass die Kontokarte des Verstorbenen nicht zu finden ist.
Der riesige Schock in der ersten Trauerphase
Man rief umgehend das zuständige Kreditinstitut an und bekam die entsetzliche Nachricht, dass über 6600,00 € abgebucht worden sind. Sofort suchte man eine Polizeidienststelle auf und erstattete Anzeige. Es dauerte nicht lange, dass ein Brief mit den Worten „Ermittlungen wegen Diebstahls eingestellt“ eintraf. Nun war die Staatsanwaltschaft gefragt.
Wochen und Monate vergingen, in denen sich insbesondere die beiden Kinder immer wieder die quälende Frage „Was ist unserem Vater passiert?“ stellten. Wie ein Martyrium begleiteten „schreckliche Vorstellungen“ die ohnehin schon belastende Trauerbewältigung. Wann, wo und von wem wurde die Karte überhaupt entwendet? Die Familie bestätigt, dass Heinz M. stets übervorsichtig mit seiner Karte umgegangen ist und seine Pin-Nummer nur im Kopf mit sich trug.
Man schloss nach und nach immer mehr mögliche Tathergänge aus und redete über die bis dahin fast unvorstellbare Möglichkeit, dass die Karte auch vom Krankenhauspersonal gestohlen worden sein könnte. Die Grübeleien gingen weiter: Hat man dem ohnmächtigen, hilflosen Vater womöglich brutal die Karte entwendet und war das vielleicht der Grund für die rapide Verschlechterung seines Zustandes? Hat ein interner Mitarbeiter die Schlüssel aus dem gesicherten Schrank entwendet und ist in die Wohnung des Witwers eingedrungen? Hat jemand seinen komatösen Zustand ausgenutzt und sich so seine Pin-Nummer erschlichen?
Die Fahndung ohne Familienbefragung
Nach Monaten erschien eine Öffentlichkeitsfahndung in den Medien. Man ermittelte wegen möglichen EC-Kartenbetrugs und wusste bis dato, dass ein Mann quer durch die Stadt an diversen Automaten Geld abgehoben hat. Die betroffene Familie wurde in der gesamten Zeit nicht befragt. Die Versicherung der Hausbank ersetzte glücklicherweise den finanziellen Schaden, so dass die Kosten für die Beerdigung entgegen erster Ängste rasch beglichen werden konnten.
Der Täter war der Pfleger
Wann der Täter ermittelt wurde, weiß die Familie nicht. Nur durch einen Zufall erfuhren sie von der Verhandlung im März 2016. Das Ende vom Lied: Der in Marokko geborene Pfleger lies über seinen Anwalt verlauten, dass der Verstorbene ein „tüddeliger“, verwirrter, älterer Herr mit Demenz gewesen sei, der ihm die Karte geschenkt hätte und gesagt habe, er dürfe sich alles Geld abholen. Naheliegende Zeugen, wie zum Beispiel der behandelnde Stationsarzt oder andere Angestellte wurden in dieser Strafsache nicht befragt.
Für die im Verhandlungssaal sitzende Schwiegertochter war dies ein Schlag in die Magengrube. Sie machte sich bemerkbar und wurde kurz in den Zeugenstand gerufen. Vehement erklärte sie, dass Heinz M. weder demenziell erkrankt war oder jemals einem Fremden seine Karte übergeben hätte. Für die Richterin schien das nicht zu reichen, um weitere Beweise zu suchen. Dass ein Pfleger die EC-Karte eines Patienten an sich gebracht hat und das Konto leer geräumt hat, schien kein Gewicht zu haben, schließlich habe der Pfleger das Geld ja an die Bank zurück gezahlt.
Nach ein paar Minuten Verhandlung wurde die Strafsache wegen Geringfügigkeit eingestellt.
Besonders absurd scheint das Urteil der Richterin vor dem Hintergrund, dass Öffentlichkeitsfahndungen nur bei „Straftaten mit erheblicher Bedeutung“ eingesetzt werden, so Oberstaatsanwältin Milk in der WAZ.
Der hilflos ausgelieferte Patient
Die Ausmaße eines solchen Urteils sind in puncto Vertrauensverlust und Angst unermesslich. Potentielle Opfer könnten wir alle sein. Hätte Heinz M. keine Angehörigen, hätte der 48jährige Pfleger das Geld behalten und keinen hätte es interessiert. Man mag sich nicht ausmalen, wie viele Demenzkranke oder unter starken Medikamenten stehende Patienten schon zum Opfer wurden.
Der Beklagte zeigte sich im Gerichtssaal weder reuig, noch äußerte der zweifache Familienvater eine Entschuldigung in Richtung der Familie. Er arbeitet weiter als Pfleger.
Das Krankenhaus schweigt
Nach dem Urteil wandte sich die Familie erneut an das Krankenhaus, um mögliche Antworten auf die fehlenden Details der Tat zu erhalten. Nachdem bei einem ersten Kontakt nach dem Motto "Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts" verfahren wurde (Zitat: "...wissen von diesen Vorgängen allerdings überhaupt nichts), wurde beim zweiten Kontakt sofort lapidar gesagt "Der Betreffende sei entlassen worden". Man wusste also scheinbar weitaus mehr. Vielleicht hatte die Krankenhausleitung auch lediglich Angst vor möglichen Schadensersatzansprüchen, schließlich wurde als erste Reaktion die Schadensabteilung eingeschaltet. Zu keinem Zeitpunkt wollte die Familie Schadensersatzansprüche stellen.
Was die Familie sich gewünscht hätte: Etwas mehr Empathie, vielleicht eine Einladung zu einem persönlichen Gespräch oder der Hinweis darauf, dass man sein Sicherheitskonzept überarbeiten werde. Vor allem aber die freiwillige Aussage, dass hier die hauseigenen Ethikrichtlinien von einem Mitarbeiter mit Füßen getreten wurden und man dies verurteile. All das geschah nicht.
Für die Familie bleiben viele quälende Fragen offen.
Autor:Susanne Demmer aus Essen-Nord |
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