SPD im Essener Norden: Zwischen Aufbruch und Beständigkeit
Die heiße Phase beginnt: Am 25. Mai stellen die Essener die politischen Weichen für die nächsten Jahre. Wir beschäftigen uns in den kommenden Wochen mit den Parteien, ihren Kandidaten sowie deren Programm für die bevorstehende Kommunalwahl vor, immer mit Blick auf den Essener Norden. Dort gehen traditionell die Sozialdemokraten als Favoriten ins Wahlrennen.
Die Zeiten, in denen sie 70 Prozent der Wählerstimmen im Essener Norden vereinigte, sind lange vorbei. Dennoch ist die SPD rund um Carl und Zollverein eine Bank. In allen Stadtteilen der Bezirke V und VI knackten die Genossen bei der Kommunalwahl 2009 die 40 Prozentmarke (Essen gesamt: 37,2 Prozent), in Katernberg und Vogelheim fielen sogar mehr als die Hälfte der Wählerstimmen auf die SPD (50,1 bzw. 55,7 Prozent). Lediglich in Frillendorf lieferten sich die Sozialdemokraten ein knappes Rennen mit der CDU – das sie mit drei Punkten Vorsprung (36,1 zu 33,1 Prozent) für sich entschieden.
Der Norden war und ist rot, die Altenessener Ortsfiliale ist mit Abstand die größte der Stadt. Da kann nicht viel schiefgehen, oder? Gerade auf diese mögliche Form der Selbstüberschätzung spekuliert die Konkurrenz. Nur weil die rote Dominanz im Norden lange Bestand hat, muss sie nicht ewig halten. Als mahnendes Beispiel dient die Kommunalwahl 1999, als die SPD auf Stadtebene erdrutschartige 15 Prozent verlor und der CDU im Rat den Vortritt lassen musste.
Diskussionen über Personalien
Zumal die Sozialdemokraten gegen Ende der laufenden Legislaturperiode mit sich selbst beschäftigt waren: Grabenkämpfe in Altenessen, Karnap und Stoppenberg, dazu ein Oberbürgermeister, der zunehmend den Rückhalt der Basis vermisst – zu oft standen bei der SPD die Personalien im Mittelpunkt. Mit Folgen für das Wahlergebnis?
Schlaflose Nächte bereiten die Schlagzeilen der vergangenen Monate eher weniger. „Sie lassen uns nicht kalt“, räumt Michael Zühlke zwar ein. Der Bezirksbürgermeister der Zollverein-Stadtteile gilt als ein besonnener Vertreter seiner Zunft. Dennoch - oder gerade deshalb - wertet er das „ernsthafte Ringen“ um Positionen und Listenplätze als ein positives Zeichen: „Es zeigt, dass die Ortsvereine lebendig sind.“ Ähnlich hält es Theo Jansen, der Vorsitzende der Altenessener Genossen, die ihre Nominierungsveranstaltung im September, trotz aller Zwistigkeiten hinter den Kulissen, mit Anstand über die Bühne brachten: „Wir sehen unseren Ortsverein gut aufgestellt. Insofern eröffnen diese Diskussionen neue Chancen.“
In der Tat finden sich in den Reihen der Genossen viele junge und unverbrauchte Gesichter. Mit Martin Schlauch und Vanessa Grehmer stellten die Altenessener zwei talentierte Nachwuchskräfte für Rat und Bezirksvertretung auf. In Stoppenberg besitzt Jungsozialdemokrat Martin Schröder gute Chancen, in das Stadtteilparlament Zollverein einzuziehen, ebenso wie Lucien Luckau, der mit gerade 23 Jahren zum Vorsitzenden der Katernberger SPD gewählt wurde. Arndt Gabriel (Katernberg-Beisen) und Heike Brandherm (Schonnebeck) sollen im Gegenzug in den Rat aufsteigen. Ein Neustart erfolgt jenseits des Kanals mit Stephan Dudda, der die Karnaper SPD in harmonischere Zeiten führen und in der Bezirksvertretung Erfahrung sammeln soll.
Die Mischung aus neuen und gestandenen Kräften - wie Karlheinz Endruschat, Rudi Jelinek, Ilona Kirchner oder Guido Reil - soll‘s richten. Inhaltlich steht die Fortsetzung der nachhaltigen Arbeit in den Stadtteilen im Mittelpunkt. Dazu gehören Investitionen für Schulen und Kitas und die Förderung der Klein-Kultur. Im Nachklang der Angstraum-Debatte rund um den Altenessener Bahnhof hat die Stadt(teil)entwicklung an Bedeutung gewonnen. „Wir haben die Vermarktung des Schweinesmarktes und des Möbelbahnhofes vorangetrieben, der Lärmschutz für die A42 kommt in 2015, und hinsichtlich des wilden Autohandels können wir allmählich schmerzhafte Nadelstiche setzen. Auch an der Entstehung der Neuen Mitte Karnap waren wir nicht ganz unbeteiligt. Wenn jetzt noch die Marina gebaut wird und der Waldpark auf dem Schlammfeld in Karnap entsteht, dann sind wir der Aufwertung des Bezirkes einen Riesenschritt näher gekommen“, urteilt Theo Jansen.
Im Nachbarbezirk geht es darum, bestehende Strukturen zu erhalten und auszubauen. Denn die Förderung für Katernberg aus dem Topf Soziale Stadt, von der auch Stoppenberg und Schonnebeck profitierten, läuft aus. Im Fokus der Bemühungen steht die Jugendarbeit. „Mit dem Projekt „Wir von hier“, das jungen Menschen mit niederschwelligen Angeboten den Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht, und dem Jugendforum Zollverein unterstützt die Bezirksvertretung zwei Initiativen, die unserem jungen und bunten Bezirk gerecht werden“, ist Michael Zühlke überzeugt. Obendrein ist der Bezirk Zollverein ein Bezirk, der wächst - entgegen dem Trend, wohlgemerkt . Junge Familien, die nach bezahlbarem Eigentum streben, zieht es verstärkt in den Essener Nordosten.
Die SPD warnt vor einem Schulengpass und ist bemüht, eine Sekundarschule im Bezirk zu installieren. Des weiteren fordert sie mehr Verantwortung von großen Wohnungsunternehmen wie der Deutschen Annington oder Corestate ein.
Das Programm: Betulich, ohne große Aufreger
Jugend und Integration fördern, Nachbarn unterstützen, städtebauliche Schandflecke beseitigen - so lassen sich die Hauptanliegen der SPD im Essener Norden umschreiben. Ein Programm, das sich betulich liest - richtige Aufregerthemen fehlen. Schon in der jüngeren Vergangenheit warfen Kritiker der Stadt-SPD eine zaudernde Haltung vor - beispielsweise im Fall des Messe-Bürgerentscheides oder im Zuge der Asyldebatte.
„Wir arbeiten lieber, als in der Zeitung zu lamentieren“, erklärt Jansen. Und Michael Zühlke ergänzt: „Klar sind ‚Ordnung‘ und ‚Sicherheit‘ schöne Schlagworte. Für einen Wahlkampf sind sie mir aber zu banal.“ Wie unaufgeregt der Wahlkampf der SPD tatsächlich ausfällt, zeigen die nächsten Wochen.
Autor:Patrick Torma aus Essen-Nord |
1 Kommentar
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.