Sicherheitsrisiko Stadtteilfeste? Nach Duisburg und NRW-Erlass reiben sich Veranstalter an neuen Bestimmungen.
Es sollte ein rauschendes Fest werden - doch die Loveparade in Duisburg mündete in einer Tragödie. Bei einer Massenpanik kamen 21 Partygänger ums Leben, zahlreiche Besucher wurden verletzt. Um das Risiko derartiger Unglücksfälle zukünftig zu minimieren, fordert das Innenministerium des Landes NRW höhere Sicherheitsstandards. Nicht ohne Folgen auch für Essener Stadtteilfeste...
Von Sabine Pfeffer und Patrick Torma
Die Vorbereitungen zum Zechenfest im September auf Zollverein waren schon abgeschlossen - da musste das bewährte Sicherheitskonzept über Bord geschmissen werden. „Wir haben schon immer viel Wert auf die Sicherheit gelegt. Und objektiv betrachtet sind die neuen Bestimmungen richtig“, beginnt Ute Durchholz von der Stiftung Zollverein ihre Ausführungen. Doch rückblickend sagt sie auch: „Das war schon alles sehr knapp.“
Brandschutznachweise, Angaben zum engagierten Sicherheitsdienst sowie unabhängige Gutachten, die - kurzfristig in Auftrag gegeben - nicht wenig Geld kosten, mussten wenige Tage vor dem Festbeginn noch vorgelegt werden. Ein Kraftakt, den die Stiftung gemeinsam mit vielen Akteuren aus dem Stadtteil und Sponsoren noch rechtzeitig vollführen konnte.
Ob die Schonnebecker hierzu ebenfalls in der Lage sind, wird sich in diesen Tagen zeigen. In einer Woche, am 9. November, soll hier der traditionsreiche Martinszug stattfinden, mit knapp 5.000 Besuchern gehört er zu den größten Umzügen der Stadt. Doch macht ihn das gleich zu einer Großveranstaltung? Siegfried Brandenburg, Vorsitzender des Schonnebecker Werbeblocks und Mitglied des hiesigen Martinsausschusses spricht von Unverhältnismäßigkeit: „Veranstaltungen wie die Loveparade kann man doch nicht mit einem Martinszug vergleichen! Mit dem neuen Erlass erschwert man nur die Ehrenamtsarbeit.“
Die teure Versicherung, die wird der Werbeblock noch zähneknirschend abschließen. Aber ein kostspieliges, externes Gutachten, das ist definitiv nicht drin. Nicht nur, weil es unerschwinglich ist - schließlich arbeite man schon jetzt nicht kostendeckend - sondern auch, weil man schlichtweg nicht wisse, welche Auflagen zu erfüllen seien. „Wir wollen ja ein Sicherheitskonzept vorlegen - aber bei der Verwaltung weiß keiner, was zu tun ist“, kritisiert Brandenburg.
Denn auch wenn die neuen Bestimmungen vom Land auferlegt wurden, für die Genehmigung sind weiterhin die Kommunen verantwortlich, wie Simone Ramakers, Pressesprecherin für Polizeiangelegenheiten im Landesinnenministerium bestätigt.
In Essen sitzen Ordnungsamt, Feuerwehr und Bauordnungsbehörde in einem Boot, wenn es um die Beurteilung von Veranstaltungen unter Berücksichtigung aller Sicherheitsaspekte geht.
Mike Filzen, Pressesprecher der Feuerwehr, betont: „Wir wollen Veranstaltungen ermöglichen und Panikmache vermeiden.“ Dazu gehöre auch, dass das Konzept jeder einzelnen Veranstaltung rechtzeitig der Koordinierungsgruppe vorgelegt werden müsse. Jeder Einzelfall werde dann genau beurteilt. Das, wohlgemerkt, habe man auch bisher schon getan. Insofern habe sich in den Vorschriften „vom Grundsatz her nichts geändert“. Sie würden nur konsequenter umgesetzt.
Das kann, wie im Falle des Zechenfests, ein Gutachten erforderlich machen. Bisher, so Filzen, habe die Feuerwehr selber die Organisatoren auf alles Notwendige hingewiesen - kostenlos. In den meisten Fällen werde auch künftig kein besonderes Gutachten erforderlich sein.
Für ein besonderes Gelände aber, wie das auf Zollverein, schon: „Und das wird dann von einem externen Gutachter erstellt werden müssen, denn wir können ja nicht unsere eigenen Vorschriften kontrollieren.“ Externe aber kosten Geld. Filzen: „Das muss der Veranstalter bezahlen, und das ist der Punkt.“ Der Punkt nämlich, an dem es für die Organisatoren richtig teuer werden kann.
Für Martinszüge aber dürfte sich nichts ändern, schätzt der Feuerwehrsprecher. Von der Polizei abgesperrte Straßen, dazu meist die Beteiligung der Freiwilligen Feuerwehr, das reiche aus.
Nur bringt diese Einschätzung den Veranstaltern noch nicht die erforderliche Klarheit. „Bisher gültige Absprachen werden durch verbindliche Bestimmungen ersetzt. Aber Genaueres können wir noch nicht sagen“, erklärt Gerd Hußmann, Vorstandsmitglied in der IG Altenessen, hinsichtlich des nächsten Stadtteilfestes.
Auch Brandenburg verweist auf laufende Gespräche. Stand heute wird der Schonnebecker Martinszug wie geplant losziehen können. Hoffnung macht das Beispiel der Frintroper Kollegen: Nach ähnlichen Diskussionen wird ihr Martinszug nun am kommenden Wochenende stattfinden.
Hintergrund:
Als Reaktion auf das Loveparade-Unglück stellte NRW-Innenminister Ralf Jäger am 17. August u. a. folgende „Maßnahmen im Zusammenhang mit Großverstaltungen“ vor:
„Die Anforderungen an die Qualifikation von Sicherheitsunternehmen [...] sind zu erhöhen.“
„Wir wollen eine gesetzliche Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung für Großveranstaltungen.“
"[M]it standardisierten Durchführungskontrollen [muss] sichergestellt werden, dass erforderliche Sicherheitsmaßnahmen tatsächlich vom Veranstalter eingehalten werden."
Die gesamte Rede von Ralf Jäger finden Sie unter folgender URL: http://www.mik.nrw.de/sch/doks/100817kabinettpk.pdf
Autor:Patrick Torma aus Essen-Nord |
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