Andauernde Einschränkungen des Essener Ruhrbahnangebots
Seit einem Vierteljahr - Corona-Einschnitte im ÖPNV gehen weiter
In vielen Bereichen unseres Lebens hat die Coronakrise auch nach Ende des strengen Lock-downs sichtbare Spuren hinterlassen. Nicht alle Menschen können und wollen ständig im home-office sein oder home-schooling betreiben. Wer zum Arbeiten oder Einkaufen die Wohnung verlassen muss, brauchte eigentlich auch in den vergangenen Monaten einen verlässlichen öffentlichen Personennahverkehr. Leider bietet die Ruhrbahn aber bei gleichbleibenden Ticketpreisen und Tarifen für Monatskarten jetzt schon seit März des Jahres erheblich weniger Fahrten als vor der Coronakrise an.
ÖPNV-Totalausfall nach 23.00 Uhr
Insbesondere für Menschen die sich aus beruflichen, wie auch vielen anderen Gründen wochentags erst nach 23.00 Uhr auf den Heimatweg machen können, ist die Ruhrbahn seit März ein Totalausfall. Auch wenn klar ist, dass unsere öffentliche Verkehrsgesellschaften durch die Coronakrise noch tiefer als in den Jahrzehnten zuvor in die roten Zahlenin geraten, kann dieses Problem nicht auf dem Rücken derjenigen ausgetragen werden, die auch am späteren Abend zuverlässige ÖPNV-Leistungen brauchen. Andersfalls treiben wir die Leute - wenn wir Glück haben - aufs Fahrrad, sehr viele andere aber leider doch wieder ins Auto.
Zu diesem fortdauernden Problem hatte die Ratsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen in der Ratssitzung am 24 Juni folgende schriftliche Anfrage gestellt
Die Anfrage des verkehrspolitischen Sprechers der Fraktion, Ratsherr Ernst Potthoff im Wortlaut:
TOP 50: Anfragen von Ratsmitgliedern
Coronabedingte Einschränkungen beim Angebot der Ruhrbahn
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
nach Einschätzung des Fahrgastverbandes PRO BAHN, Regionalverband Ruhr, gibt es in Essen sehr gravierende coronabedingte Einschränkungen beim Angebot der Ruhrbahn, verglichen mit vergleichbaren Großstädten. Diese Einschränkungen treffen nicht die Lebenswirklichkeit der Menschen, die ihren Alltag inzwischen zum Glück weitgehend wieder normal gestalten können. Konkret geht es um folgende Einschränkungen:
- Stadtweit wird um 23 Uhr der Nahverkehr werktags komplett eingestellt. In der ganzen Stadt ist seit über drei Monaten kein Nahverkehr nach 23 Uhr mehr existent. Dadurch können die Besucherinnen und Besucher der gut besuchten Außengastronomie sowie spät arbeitende Menschen nicht mehr mit Bus und Bahn nach Hause fahren.
- Am Wochenende verkehren nach 23 Uhr nur einzelne Fahrten einzelner Nachtbuslinien in einige Stadtteilen, viele Stadtteile sind noch komplett abgehängt.
- Auf wichtigen Tram-Linien dauert der Halbstundentakt samstags bis gegen 11 Uhr (üblich: 8:30 Uhr). Die halbstündig verkehrende Straßenbahn ist dadurch um 10 Uhr ab Haltestelle Rüttenscheider Markt regelmäßig brechend voll.
- Auch samstagsendetauf den Tram-Linien, auf der U18 und auf wichtigen Buslinien (wie der Linie 145) der Viertelstundentakt gegen 19 Uhr (üblich: 21 Uhr). Während sich die Innenstadt inzwischen wieder gut füllt, bietet der Nahverkehr in dieser Zeit aber nur Verbindungen alle halbe Stunde an.
- Sonntags fahren diverse Linien statt im Viertelstundentakt generell nur im Halbstundentakt (so die Tram-Linien, die U18 und wichtige Buslinien wie die Linie 145). Einige Buslinien wie der SB15 fahren sonntags sogar ab 18 Uhr nur noch stündlich (üblich: halbstündlich).
Vor diesem Hintergrund bitte ich um schriftliche Beantwortung folgender Frage:
Wann werden konkret die oben genannten Einschränkungen im Abend- und Nachtverkehr sowie am Wochenende wieder aufgehoben?
Mit freundlichen Grüßen, Ernst Potthoff
Inhaltlich in gleicher Richtung aber nicht ganz so nüchtern zurückhaltend formuliert der Fahrgastverband PRO BAHN, Regionalverband Ruhr,seine Kritik an den weiterhin bestehenden Einschränkungen des Ruhrbahn-Fahrplans:
PRO BAHN kritisiert Corona-Einschränkungen der Ruhrbahn
Betriebsschluss ab 23:00 Uhr untragbar • Einschränkungen im Einkaufsverkehr samstags nicht angemessen • Sonntagsverkehr viel zu schwach
Der Fahrgastverband PRO BAHN kritisiert die nach wie vor anhaltenden massiven Einschränkungen bei der Essener Ruhrbahn. Während andere Städte — auch im Ruhrgebiet — schon lange zur Normalität übergegangen sind, ist das Angebot in Essen außerhalb der Hauptverkehrszeiten noch stark eingeschränkt.
Samstags fahren fast alle wichtigen Stadtbahn-, Straßenbahn- und Buslinien bis gegen 11 Uhr nur jede halbe Stunde, obwohl zu der Zeit der Einkaufsverkehr längst wieder auf Hochtouren läuft. Das gleiche gilt für die Zeit nach 19 Uhr, obwohl die Innenstadt da immer noch gut besucht ist. Sonntags fahren gleich fast alle wichtigen Linien den ganzen Tag nur im Halbstundentakt. Obwohl das gesellschaftliche Leben weitgehend wieder angelaufen ist, mache der Nahverkehr in Essen noch nicht wieder mit, stellt PRO BAHN fest.
Besonders sauer stößt PRO BAHN aber der Nachtverkehr auf: "In Essen ist der Abendverkehr sowieso problematisch, da ab 21 Uhr an allen Tagen Busse und Bahnen auf fast allen Strecken nur halbstündlich verkehren — es gibt keine andere Großstadt dieser Größenordnung außer Duisburg, die sich ein ähnlich schlechtes Angebot leistet", so Lothar Ebbers, Pressesprecher von Pro Bahn Ruhr. "Seit der Corona-Krise bedeutete das jedoch, dass der Verkehr nach der Sternfahrt um 23 Uhr komplett eingestellt wird."
Auch wenn inzwischen auf einzelnen Linien einzelne Fahrten am Wochenende wieder fahren, ist das für den PRO BAHN-Regionalvorsitzenden Dirk Grenz eine Bankrotterklärung des Nahverkehrs: "In den meisten Stadtteilen ist jetzt ein Vierteljahr lang nach 23:30 Uhr kein Bus und keine Bahn mehr gefahren. Die Ruhrbahn wird ihrem Auftrag an eine Grundversorgung nicht gerecht."
Kurios: Gleichzeitig fahren dafür sonntags ab 4 Uhr morgens alle Linien des Tagesverkehrs — ein Überangebot zu einer Zeit, wo der Nachtexpress sonst ausreicht. "Am Geld scheint es nicht zu liegen ...", stellt Dirk Grenz hilflos fest.
Andere NRW-Städte haben ÖPNV-Einschränkungen aufgehoben
Das Problem scheint für PRO BAHN auch speziell in Essen zu existieren, andere Städte in NRW haben diese Einschränkungen mit Lockerung der Corona-Maßnahmen weitgehend zurückgenommen. Selbst in der Ruhrbahn-Partnerstadt Mülheim fahren die Linien bis auf den NachtExpress wieder halbwegs normal — sonntags sogar teils häufiger als in der großen Nachbarstadt Essen.
Eine strukturierte Information für die Fahrgäste gibt es übrigens zum Ärger von PRO BAHN nicht: Fahrgäste müssen alle Fahrten vorab per App oder Webseite der Ruhrbahn planen, aktualisierte Aushänge gibt es nicht. Lothar Ebbers: "Wer nicht online ist, hat keine Chance auf korrekte Informationen. Bei derart grundlegenden Einschränkungen ist das ein Unding."
Autor:Walter Wandtke aus Essen-Nord |
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