Schwere Schlappe für Schlapphüte und Generalbundesanwalt
Nur einen Tag nach der Bekanntmachung von Ermittlungen wegen Landesverrat gegen das kritische Internetportal netzpolitik.org musste Generalbundesanwalt Range wegen massiver Proteste einen teilweisen Rückzieher machen und erklärte, das Ermittlungsverfahren vorläufig auf Eis zu legen.
Netzpolitik.org hatte Dokumente veröffentlicht, die belegen, wie der Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“ künftig das Internet bespitzeln will. Die Ankündigung eines Verfahrens wegen Landesverrat hatte innerhalb kürzester Zeit eine Welle des Protestes bis weit hinein ins bürgerliche und Regierungslager ausgelöst. Auch Bundesjustizminister Maas sprang nach längerer Wartezeit auf den fahrenden Zug auf. Nur Innenminister de Maiziere hält sich bisher bedeckt. Dabei untersteht ihm doch der „Verfassungsschutz“, der durch eine Anzeige das Verfahren erst in Gang gesetzt hat.
Ausgerechnet der „Verfassungsschutz“, der ungefähr so lupenrein demokratisch ist, wie Wladimir Putin, startete diesen Angriff. Sicher nicht ohne Rückendeckung aus dem Innenministerium.
Dieser Angriff auf demokratische Rechte und Pressefreiheit, der zu Recht mit der „Spiegel-Affäre“ von 1962 verglichen wird, ist Innenpolitik im „Erdogan-Style“, der Kritiker der umfassenden Bespitzelung einschüchtern soll. Damit werden sie nicht durchkommen. Innerhalb nur eines Tages unterschrieben schon fast 50.000 Menschen eine Petition bei change.org (https://www.change.org/p/landesverrat-stoppt-das-verfahren-gegen-netzpolitik-org-heikomaas?source_location=search_index&algorithm=curated_trending).
Ergänzung am 4.8.:
Schon fast 60.000 Menschen haben bis heute abend die Petition bei change.org unterschrieben. Tausende demonstrierten am Wochenende u.a. in Berlin, München, Karlsruhe Frankfurt und Köln (dort vor der Zentrale der Schlapphüte) gegen die Ermittlungen wegen angeblichem Landesverrat.
Weil dieser Skandal das Potenzial hat, sich zu einer richtigen Regierungskrise auszuwachsen, zog die Regierung nun die Reißleine und schasste den Generalbundesanwalt. Dabei war in den letzten Tagen immer deutlicher geworden, dass dieser Einschüchterungsversuch gegenüber Kritikern und Enthüllern der Massenbespitzelung der Bevölkerung von höchsten Regierungsstellen abgesegnet war.
Da die Tätigkeit der Geheimdienste direkt im Kanzleramt koordiniert wird, kann man davon ausgehen, dass schon die Anzeige von "Verfassungsschutz"-Präsident Hans-Georg Maaßen gegen "netzpolitik.org" mit Merkels Zentrale abgesprochen war. Laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" waren Spitzenbeamte mehrerer des Innen- und Justizministeriums frühzeitig über das am 13. Mai eingeleitete Verfahren informiert.
Die Einleitung des Verfahrens verfolgte aber noch ein weiteres Ziel. Indem der absurde Straftatbestand des Landesverrats konstruiert wurde, wurden damit automatisch weitgehende Bespitzelungsmaßnahmen nach §100a StPO legalisiert. So erläutert der Anwalt Markus Kompa bei „Telepolis“:
Diese Katalogstraftaten sind auch der Schlüssel zu anderen über die normale Strafermittlung hinausgehenden Maßnahmen. Sie rechtfertigen nämlich sogar polizeiliche Lauschangriffe und Artverwandtes. Nach aktueller Planung ermöglicht der Verdacht auf Katalogstraftaten den Zugriff auf Daten aus der Vorratsdatenspeicherung. Und in diesem Katalog findet sich in § 100a Abs. 2 Nr. 1 a) der Landesverrat (§ 94 StGB). Mit anderen Worten: netzpolitik.org darf seit Anzeigeerstattung auch nach offizieller Aktenlage elektronisch abgeleuchtet werden.
(…) Und da von einer Strafanzeige der Beschuldigte erst einmal nichts erfährt, ist das ein billiger Schachzug. Der Verfassungsschutz hat sich dieses durchsichtige Manöver von seinem nicht völlig naiven Innenminister eigens absegnen lassen.
Deshalb wäre eigentlich der Rücktritt des Justizministers und vor allem des „Verfassungsschutz“-Präsidenten angezeigt.
Autor:Bodo Urbat (Essen steht AUF) aus Essen-Nord |
20 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.