Anlagerichtlinien für Finanzanlagen der Stadt Essen ändern
Schmutzler-Jäger: Städtische Kapitalanlagen klimafreundlich und ethisch ausrichten
In der Sitzung des Finanzausschusses am 2. Juli und des Rates der Stadt Essen am 10. Juli beantragt die Ratsfraktion der Grünen eine Ausrichtung von Kapitalanlagen der Stadtverwaltung an Nachhaltigkeitskriterien. Dazu erklärt Hiltrud Schmutzler-Jäger, Fraktionsvorsitzende der Ratsfraktion der Grünen:
„Konsequenter Klimaschutz bedeutet für uns Grüne auch, dass sich die Stadt Essen nicht direkt oder indirekt an klimaschädlichen Unternehmen beteiligt. Bislang gelten Nachhaltigkeitskriterien lediglich für das volumenmäßig geringe Stiftungsvermögen der Stadt Essen. Wir wollen aber auch, dass sonstige Finanzanlagen wie zum Beispiel Pensionsrücklagen der Stadt bzw. seiner Beteiligungsunternehmen klimafreundlich und ethisch ausgerichtet werden.
Trennung von RWE-Aktien und dem STEAG-Firmenanteil ist überfällig
Das bedeutet selbstverständlich auch, dass sich die Stadt Essen - gerade zu diesem günstigen Zeitpunkt endlich - von ihren 18,7 Millionen RWE-Aktien und hoffentlich bald von ihrem 15 prozentigen Anteil an der STEAG GmbH trennt.
Weltweit ziehen immer mehr Investoren, Unternehmen und öffentliche Institutionen ihre Investitionen aus klimaschädlichen und unethischen Finanzanlagen zurück. Die Stadt Essen sollte dem Vorbild der Stadt Münster folgen und seine Anlagenrichtlinie für städtische Kapitalanlagen konsequent an Nachhaltigkeitskriterien ausrichten.
Dies dient nicht nur dem Klimaschutz, sondern ist auch ökonomisch sinnvoll. Denn Investitionen in Kohle, Öl, Fracking-Gas oder Atomkraft sind zunehmend risikobehaftet. Außerdem ist der Einfluss solcher Investments evident. Denn je mehr die Fonds in CO2-lastige Unternehmen investieren, umso mehr behindern oder vereiteln sie die Energiewende und den kommunalen Klimaschutz.“
Antrag der grünen Ratsfraktion:
Ausrichtung von Kapitalanlagen der Stadtverwaltung an Nachhaltigkeitskriterien
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Stadt Essen beantragt, der Ausschuss für Finanzen und Beteiligungen empfiehlt, der Rat der Stadt Essen beschließt,
Die Verwaltung wird beauftragt, den städtischen Gremien eine an Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtete städtische Anlagenrichtlinie für Kapitalanlagen der Stadt Essen zur Beratung und Entscheidung vorzulegen. Soweit rechtlich zulässig, sollen diese Richtlinien auch für städtische Beteiligungsunternehmen gelten.
Für die Bewirtschaftung von Fonds und Kapitalanlagen, die durch die Stadt Essen gehalten werden oder an denen sich die Stadt beteiligt, sollen folgende Mindeststandards gelten:
· keine Beteiligung an Unternehmen, die Kinderarbeit zulassen,
· keine Beteiligung an Unternehmen, die eine Verletzung von Menschenrechten zu verantworten haben,
· keine Beteiligung an Unternehmen, die Militärwaffen herstellen oder vertreiben,
· keine Beteiligung an Unternehmen, die auf Atomkraft oder nicht nachhaltige und klimaschädliche Energien, wie Kohle, Öl oder mit Fracking gewonnenes Erdgas, setzen.
Begründung
Der Rat der Stadt Essen hat am 29.5.2019 die Anlagerichtlinie für Kapitalanlagen der Stadt Essen verabschiedet, die sich an den Nachhaltigkeitsanforderungen der Arbeitsgruppe Treasury/Finanzmanagement des Deutschen Städtetages ausrichtet. Allerdings bezieht sich diese Anlagerichtlinie lediglich auf das Stiftungsvermögen der Stadt Essen. Diese Anlagerichtlinie berührt hingegen nicht die volumenmäßig sehr viel größeren Finanzrücklagen bzw. Investitionstätigkeiten der Stadt Essen sowie seiner Beteiligungsunternehmen.
Mit der Bewerbung als Grüne Hauptstadt Europas 2017 hat die Stadt Essen die Klimaziele der Bundesregierung übernommen
(Reduzierung der CO2-Emissionen mit Basisjahr 1990 um 40 % bis 2020, 55% bis 2030, 70% bis 2040 und 95 % bis zum Jahr 2050 und Primärenergieeinsparung mit Basisjahr 1990 von minus 20% bis 2020 und minus 50% bis 2050) und hat diese Ziele ergänzt um das Ziel einer Primärenergieeinsparung mit Basisjahr 1990 um minus 30% bis 2030.
Ein Mittel zur Erreichung der Klimaziele der Stadt Essen ist die Reduzierung der Investitionen in umweltschädliche Energieformen. Denn auf den Finanzmärkten entscheidet sich, ob finanzielle Ressourcen in Klimazerstörung oder in klimafreundliche und sozial gerechte Projekte fließen.
2030 - Agenda für Nachhaltige Entwicklung:
Am 27.2.2019 hat der Rat der Stadt Essen einstimmig die Unterzeichnung der Erklärung "2030 - Agenda für Nachhaltige Entwicklung: Nachhaltigkeit auf kommunaler Entwicklung gestalten" beschlossen. Kernstück der Vereinbarung bilden die sog. „Sustainable Development Goals“ (SDGs). Diese 17 Nachhaltigkeitsziele schaffen erstmals einen globalen Bezugsrahmen für die ökonomische, ökologische sowie sozialer Dimension nachhaltiger Entwicklung bis 2030. Die Stadt Essen betont durch eine Unterzeichnung der Musterresolution des Deutschen Städtetages den politischen Willen, sich für ausgewählte Nachhaltigkeitsthemen zu engagieren und im Rahmen der eigenen Möglichkeiten entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Hierdurch wird öffentlich signalisiert, dass Politik und Verwaltung die nachhaltige kommunale Entwicklung weiterhin aktiv unterstützen und in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft ausbauen.
Entsprechend dieser Nachhaltigkeitsziele sollte der Stadt Essen daran gelegen sein, dass die Stadtverwaltung sowie die städtischen Beteiligungsunternehmen nicht mehr von Renditen profitieren sollen, die mit Ausbeutung oder massiver Umweltzerstörung erzielt worden sind.
Das European Stability and Risk Board der Europäischen Zentralbank hat zudem festgestellt, dass von karbon-gestützten (klimaschädlichen) Technologien auch systemische Risiken für das Wirtschafts- und Finanzsystem ausgehen. So lässt sich weltweit beobachten, dass immer mehr große Investmentgesellschaften klimaschädliche und andere ethisch fragwürdige Geschäfte aufgeben. Einige große Versicherer wie Axa, Allianz und Münchener Rück kündigten vor einiger Zeit an, sich mehr oder weniger aus der Finanzierung von Kohle zurückzuziehen. Der norwegische Staatsfonds (der größte Staatsfonds der Welt), der Anteile an mehr als 9000 Unternehmen hat und ein Kapital von umgerechnet rund 930 Milliarden Euro verwaltet, zieht sich zunehmend aus Unternehmen heraus, die ihr Geld mit Kohle, Öl- oder Gas verdienen. Laut Süddeutscher Zeitung vom 13.6.2019 zeige die Strategie der Norweger, „dass es mittlerweile ein unkalkulierbares Risiko sei, in fossile Brennstoffe zu investieren.“
Bereits im Jahr 2016 hat das Europäische Parlament und der Rat der EU die „Richtlinie über Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung" verabschiedet. Diese Richtlinie richtet sich an betriebliche Pensionsfonds, die europaweit Vermögenswerte in Höhe von etwa 3.500 Milliarden Euro verwalten. Bei Investitionen müssen betriebliche Altersversicherungen zukünftig eine Deinvestment-Strategie verfolgen, also sich von fossilen Brennstoffen verabschieden. Sie müssen das Geld der Kundinnen und Kunden nach sozialen und ökologischen Kriterien anlegen und eine gute Unternehmensführung berücksichtigen. Die internen Risikoeinschätzungen müssen bei Finanzanlagen in fossile Brennstoffe nunmehr etwaige Wertverluste aus dem Klimawandel zwingend einschließen.
internationalen Nachhaltigkeitskriterieninternationalen
Nachhaltigkeitskriterien für Pensionsfonds in NRW
Das Land Nordrhein-Westfalen hat seine Anlagerichtlinien für die Verwaltung von Anlagen des Sondervermögens „Pensionsfonds des Landes Nordrhein-Westfalen“ im Jahr 2017 um den Aspekt der Nachhaltigkeit erweitert. Die neuen Anlagerichtlinien orientieren sich an etablierten nationalen sowie internationalen Nachhaltigkeitskriterien und ermöglichen gleichzeitig ein rentables Anlagemanagement. Die NRW-Landesregierung NRW hat bei der Definition einer nachhaltigen Kapitalanlage sowohl ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance – ESG) als auch gezielt Ausschlusskriterien berücksichtigt. In den Anlagerichtlinien wird Nachhaltigkeit ab jetzt als ökonomischer Erfolgsfaktor betrachtet. Somit wird eine nicht-nachhaltige Anlage im Gegensatz zu einer vergleichbaren nachhaltigen Anlage mit einem erhöhten Risikoprofil bewertet und würde daher nicht in die Anlageüberlegungen miteinbezogen werden.
Vorreiter für ein nachhaltiges Finanzinvestment einer Kommune ist die Stadt Münster. Der Rat der Stadt Münster hat am 4.11.2015 nachhaltige und soziale Mindeststandards für kommunale Finanzanlagen beschlossen. Für die Bewirtschaftung von Fonds, die durch die Stadt Münster gehalten werden oder an denen sich die Stadt beteiligt, gelten seit dem Jahr 2016 folgende Mindeststandards:
· keine Beteiligung an Unternehmen, die Kinderarbeit zulassen,
· keine Beteiligung an Unternehmen, die Militärwaffen herstellen oder vertreiben,
· keine Beteiligung an Unternehmen, die Atomenergie erzeugen oder auf nicht nachhaltige und klimaschädliche Energien setzen,
· keine Beteiligung an Unternehmen, die Schiefergasgewinnung (sog. „Fracking“) betreiben.
Die Umsetzung erfolgt in Form des sogenannten Best-in-Class-Ansatzes, gegebenenfalls kombiniert mit einer Negativliste.
NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) hat am 2.8.2018 die Stadt Münster in einer Pressemitteilung als Gewinnerin des Deutschen Nachhaltigkeitspreis gewürdigt. Ausgezeichnet wird Münster als Vorreiterin kommunaler Nachhaltigkeit, wobei insbesondere auch das Engagement als deutschlandweit erste Divestment-Kommune hervorgehoben wird.
Für das vorgeschlagene Vorgehen der Erstellung einer städtischen Anlagerichtlinie hat das NRW-Innenministerium bereits im Jahr 2012 eine Grundlage gelegt: So wurden mit Erlass vom 11.12.2012 (MBl. NRW. Nr. 33 vom 28.12.2012, Seite 741 ff) die Grundsätze für mittel- und langfristige Kapitalanlagen der Gemeinden und Gemeindeverbände modifiziert. Seit dem Erlass obliegt es der Stadt Essen, in eigener Verantwortung über die Grundsätze der Kapitalanlagen zu entscheiden.
Autor:Walter Wandtke aus Essen-Nord |
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