Piraten verbreiten (noch) Angst und Schrecken - unter den Parteien...
Umfragehype hier, Einzug in die Länderparlamente dort... Die Parteienforschung wird gegenwärtig mächtig durcheinander gewirbelt. Grund dafür ist der Aufschwung der Piratenpartei, die den Sprung in den Berliner Senat und in den saarländischen Landtag zuletzt geschafft hat.
Das Osterwochenende haben viele Parteien zum ersten Stimmungstest im Vorfeld der NRW-Landtagswahl am 13. Mai 2012 genutzt. Im Essener Norden gaben sich die SPD und die Grünen bürgernah, andere Parteien hatte ich im Zeitfenster meiner Anwesenheit nicht bemerkt. Das Spannende an solchen Aktionsständen sind nicht die Gespräche mit den Sympathisanten der eigenen Partei - diese sind eher wohltuend -, sondern verbale Auseinandersetzungen mit Nicht-Wählern, Politikverdrossenen und "Fremd"-Wählern.
Hin und wieder bekam ich zu hören, dass "ich diesmal die Piraten wähle"... Glückwunsch, zumindest macht man von seinem Wahlrecht gebrauch - ist mir immer lieber als ein politisch Desinteressierter.
Die Frage nach dem "Warum" und "Wofür" blieb hingegen stets unbeantwortet. Und genau dieses Phänomen macht den Erfolg in den Umfragewerten aus.
Das große Thema Internet und Datenwelt haben die Piraten prominent besetzt, jedoch haben sie nach wie vor keine Linie gefunden. Wie sonst lässt sich erklären, dass immer noch darüber gestritten wird, ob man Internet-Seiten mit kinderpornografischem Inhalt sperren soll oder nicht. Auch frage ich mich, wieso man jegliche Software kostenfrei anbieten muss, wo doch eine gewisse Leistung dahinter steckt und diese auch entlohnt werden muss. Stöbert man etwas tiefer in den Foren der Piraten, stellt man fest, dass nichts feststeht.
Das zweite große Thema der Piraten ist das der Transparenz. Schönes Thema. Ich halte nicht viel von in der virtuellen Welt frei zugänglichen Versammlungen, um sich gänzlich transparent darzustellen, wenn aber andererseits Berliner Senatsmitglieder ihre eigenen Lebensgefährten als Mitarbeiter einstellen. Fair geht anders.
Laut Parteiengesetz sollen "Parteien an der Bildung des politischen Willens des Volkes auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens mitwirken, ..." (dies ist nur eine von vielen Aufgaben). Ich bezweifle, ob die Piratenpartei das wirklich kann, wenn man ohne politisches Programm (oder schnell abgekupfert) agiert, keine Stellung beziehen kann zu den politischen Herausforderungen eines Landes.
Die Sympathie für die Piraten basiert auf ihrem Image, "anders" zu sein, auf dem Versprechen, politisch "verkrustete Strukturen aufzubrechen", usw... Aber reicht das?
Früher etablierten sich Parteien anhand von Konfliktlinien, Arbeit gegen Kapital, Stadt versus Land, etc. Die Piratenpartei entdeckt das Potential der Nicht-Wähler und das der Protest-Wähler für sich. Beide Gruppierungen jedoch werden sich bei genauerem Blick schnell wieder abwenden, weil politische Inhalte und politische Arbeit am Ende doch entscheidend sind.
Und bei gerade mal zwei, drei Anfragen im Berliner Senat seit dem Einzug 2011 kann von Arbeit und Inhalt nun wirklich nicht die Rede sein.
Autor:Dzenan Kurspahic aus Essen-Nord |
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