Pädagogen als Ärzte? Medizinische Bedürfnisse können Teilnahme an Betreuung verhindern
Betreuung in den Ferien ist eine tolle Sache und gerade während der sechs Sommerwochen für viele berufstätige Eltern eine Notwendigkeit. Im Essener Norden bieten hier beispielsweise Rot-Weiss Essen, die Jugendhilfe Essen gGmbH (JHE) und erstmalig die Stiftung Zollverein umfassende Programme für Kinder.
Nicht immer läuft alles dabei so reibungslos, wie man es als Erziehungsberechtigter gerne hätte. So geschehen bei Karina Wolgemuth-Gülen. Sie richtete einen Brief an die Redaktion des Nord Anzeigers, um folgende Problematik zu schildern: Ihr zehnjähriger Sohn hatte im April diesen Jahres einen ersten Krampfanfall und ist seitdem auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen. Abgesehen davon wirken die Krampfanfälle zwar einschüchternd, sind für den Betroffenen jedoch ungefährlich.
Probleme verursachte die Erkrankung ihres Sohnes bei der Anmeldung zur Ferienbetreuung der Jugendhilfe Essen im Bürgerpark an der Kuhlhoffstraße.
Von der gemeinnützigen Gesellschaft erhielt Wolgemuth-Gülen zwei Wochen vor Ferienbeginn die Nachricht, dass ihr Kind nicht am Programm teilnehmen könne, weil für die JHE die medizinische Verantwortung nicht tragbar sei. Möglich wäre die Teilnahme nur, wenn die Mutter eine Bescheinigung der Hausärztin vorlegen könne, in der darauf hingewiesen werde, dass dem Zehnjährigen die Medikamente nicht verarbreicht werden müssen und die üblichen Notfallmaßnahmen - stabile Seitenlage und Benachrichtigung eines Arztes - ausreichen würden. Karina Wolgemuth-Gülen besorgte die Bescheinigung, jetzt verbrachte ihr Sohn die ersten zwei Wochen im Bürgerpark.
Trotzdem offenbart die Geschichte eine rechtliche Zwickmühle: Kind und Mutter fühlen sich wie Menschen zweiter Klasse, die Organisation kann solche Leistungen mit dem bestehenden Personal rechtlich nicht garantieren.
Medizinische Aufsicht nicht möglich
Die Ferienbetreuung übernehmen Honorarkräfte und Pädagogen, die zwar in Erste-Hilfe geschult sind, aber die Qualifikation medizinischen Fachpersonals kann hier nicht gewährleistet werden, erklärt Arndt Wrona, Fachbereichsleiter von der Jugendhilfe Essen: „Was passiert, wenn die falsche Dosis gegeben wird? So etwas lässt sich als Nicht-Mediziner kaum einschätzen und wäre unverantwortlich dem Kind gegenüber.“ Die Verabreichung bei Wolgemuth-Gülens Sohn ist zwar relativ einfach, kann aber von den nicht-qualifizierten Mitarbeitern rechtlich nicht getragen werden.
Kommentar: Rechtliches Dilemma
Vieles hängt hier an der Kostenfrage: Während der Ferienbetreuung permanent einen Mediziner einstellen, wäre unpraktikabel und kann kaum die Lösung sein - schließlich wäre dieser die meiste Zeit nicht beschäftigt.
Bei Honorarkräften medizinische Grundlagen voraussetzen, würde das Angebot wegen finanzieller Mehrbelastung stark einschränken. Die pädagogische Ausbildung mit einer medizinischen verquicken, wäre dagegen zwar eine gute Möglichkeit, in der Folge würde jedoch schlechte Bezahlung oder die Streichung von Stellen drohen.
Eine Lockerung der Vorschriften ginge zu Lasten der Kinder. In Extremfällen müsste Personal ohne notwendige Qualifikation schwerwiegende Entscheidungen treffen.
Opfer der derzeitigen rechtlichen Lage sind Fälle wie Wolgemuth-Gülens Sohn. Was bleibt also? Die Hoffnung, dass - wie hier - individuelle Lösungen gefunden werden können, die am Ende die Teilnahme des Kindes doch noch ermöglichen.
Autor:Alexander Müller aus Essen-Borbeck |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.