Mit „Pranger und Peitsche“ gegen Hartz-IV-Bezieher
„Zuckerbrot und Peitsche“ ist eine seit langem beliebte Herrschaftsmethode. Wenn man auf Hartz IV angewiesen ist, wird einem nicht mal das Zuckerbrot gegönnt. Da gilt die Devise „Pranger und Peitsche“. Für den Pranger ist in der Regel die BILD-Zeitung zuständig. Die Peitsche, das sind die Sanktionen, die vermehrt von den Jobcentern gegen Hartz-IV-Bezieher verhängt werden.
2011 wurden 912377 Sanktionen verhängt, die sich auch noch auf gerade mal 151377 Leistungsberechtigte verteilen. 64 Prozent aller Sanktionen wurden 2011 wegen Verstößen gegen Meldepflichten verhängt, also weil der Hartz-IV-Bezieher nicht zu Terminen erschien oder eine Arbeit oder „Weiterbildungsmaßnahme“ ablehnte. Dafür kann es viele und nicht zuletzt viele berechtigte Gründe geben, etwa wenn Hartz-IV-Bezieher zum wiederholten Mal zum Bewerbungstraining verdonnert werden oder ihnen ein unzumutbarer 1-Euro-Job „angeboten“ wird.
Für BILD war die 2011 gestiegene Zahl der von Sanktionen Betroffenen ein willkommener Anlass, um Mitte April mal wieder so richtig gegen die „Hartz-IV-Schmarotzer“ vom Leder zu ziehen. Flugs wurde die Gesamtzahl der Sanktionierten in der Schlagzeile als Betrüger diffamiert. Und zahlreiche „Qualitätsmedien“ plapperten das ungeprüft nach – so als ob BILD eine Nachrichtenagentur und kein Lügenblatt wäre.
Tatsächlich ist jedoch die Zahl der sogenannten „Betrugsfälle“ (bei denen Straf- und Bußgeldverfahren wegen Missbrauch eingeleitet wurden) gegenüber 2010 um 22 Prozent gesunken. Dass die Zahl der Sanktionen dennoch gestiegen ist, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass bestimmte „Verstöße“ durch bürokratische Schikanen regelrecht provoziert werden.
So wie in Essen, wo seit dem Übergang der Jobcenter in alleinige städtische Verwaltung („Optionskommune“) die Hartz-IV-Bezieher nach Ablauf der halbjährigen Bewilligung keinen „Weiterbewilligungsantrag“ mehr automatisch zugeschickt bekommen, weil die neue Software das nicht kann! Kein Betroffener wurde über diese wichtige Änderung persönlich informiert. Leider lässt sich kaum ermitteln, wie viele Langzeitarbeitslose deswegen die Weiterbewilligung nicht rechtzeitig beantragt haben. Nur eins ist sicher: Verspätete Antragstellung führt zu Sanktionen!
Auf der Montagsdemo am 23. April berichteten mehrere Teilnehmer, dass die telefonische Erreichbarkeit der Jobcenter nach wie vor eine Katastrophe ist. Auch über lange Bearbeitungszeiten von Anträgen wird immer wieder berichtet. Eine Teilnehmerin berichtete gar, dass das Jobcenter ihren Krankenkassenbeitrag nicht abgeführt hatte, wie sie durch Nachfrage ihrer Krankenkasse erfuhr.
Zwar räumte Jobcenter-Chef Gutschmidt in der WAZ vom 26. März Fehler ein, jedoch nur um sie weiter herunterzuspielen und die Betroffenen darauf zu vertrösten, dass man „Nachjustieren“ werde. Seitdem ist wieder ein Monat vergangen, ohne dass sich etwas verbessert hat.
Gleichzeitig treibt die Diskriminierung und Ausgrenzung von Hartz-IV-Betroffenen neue Blüten, wie jetzt mit ihrem geplanten Ausschluss von der unseligen Herdprämie.
Wer will, dass nicht die Opfer, sondern die Nutznießer und Verteidiger der unmenschlichen Hartz-Gesetze an den Pranger gestellt werden, sollte zur Montagsdemo kommen (jeden Montag ab 18 Uhr vor der Marktkirche auf der Porschekanzel). Die Montagsdemo am 23. April beschloss eine Protesterklärung an den Sozialdezernenten zu diesen Missständen.
Autor:Bodo Urbat (Essen steht AUF) aus Essen-Nord |
1 Kommentar
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.