Mein letzter Hilfeschrei - Historische Gebäude sollen fallen & hunderte Menschen weg ziehen?
Niedergeschlagen, deprimiert, aber auch kämperisch schreibe ich diese Zeilen. Es werden vorerst die letzten Worte sein, bevor ich mich zum Kraft sammeln ein paar Tage zurück ziehe.
Ich bin jedem Leser dankbar, der sich die Zeit nimmt und diesen Text, den ich aus purer Verzweiflung ob der völlig aus den Fugen geratenen Stadtplanungspolitik verfasst habe, aufmerksam liest. Es geht hier nicht um mich, sondern um hunderte Menschen in Altenessen.
Fassaden
"Hausfassaden sind das Gesicht eines Stadtteils. Freundliche und gepflegte Ansichtsflächen von Gebäuden können bereits das Lebensgefühl in der unmittelbaren Nachbarschaft positiv beeinflussen. Ein gepflegter und attraktiver Ortsteil stärkt das Miteinander der Bürgerinnen und Bürger", so lautet das Credo der Stadt Essen und mit Stolz präsentiert man zu Recht Beispiele, die ausdrucksvoll zeigen, wie die positive Strahlkraft der Anmutung eines Hauses auf die Lebens- und Wohnqualität wirkt.
Jüngst entschlossen sich auch Anwohner der Gladbecker Straße zur aktiven Stadtteilpflege und Stadtteilerhaltung und gründeten die "Bürgerinitiative Gladbecker Straße". Zeitgleich kamen auch mehrere Immobilienbesitzer zum Entschluß "anzupacken" und starteten mit dem Vorhaben "Sanierung der historischen Fassaden". Man holte sich Erkundigungen über das Fassadenprogramm der Stadt Essen und erste Angebote von Fachfirmen ein und ging frisch ans Werk. Erste Ergebnisse sind nun sichtbar. Es gab einen regelrechten "WOW- Effekt", als erste Gerüste abgebaut wurden und das neue "Rote Haus" an der B224 erstrahlte. Am Stück sollen allein hier fünf historische Gebäude ihren alten Glanz zurück erhalten.
Freitag fielen hier alle aus den Wolken und in Schockstarre
Für meine Vermieter übernahm ich die Vorbereitungen und bekam die mündliche Zusage der Stadt, dass auch hier bald der Startschuss für die Sanierung fallen kann. Ende letzter Woche erreichte mich dann die Nachricht eines entsetzten Nachbarn, dass die Stadt Essen das Fassadenprogramm für viele Häuser gestoppt habe. Grund: Man will den Abriss dieser Häuser prüfen. Ich rief sofort bei der Stadt an und mir wurde bestätigt, dass das Fassadenprogramm für Teile der Gladbecker Straße (auf der Seite der ungeraden Hausnummern) ausgesetzt sei.Meine Vermieter, wie auch weitere Hauseigentümer, fielen aus allen Wolken.
Wir alle wohnen hier in einer extrem gut funktionierenden Nachbarschaft und keiner will weg ziehen. Im Gegenteil, manche sind in den letzten Jahren sogar bewusst aus Kettwig und Rüttenscheid hier hergezogen und haben trotz der Verkehrsprobleme diesen "historischen Ort" als ihre neue Heimat gewählt. Hier leben alt und jung (zum Teil in der vierten Generation) gerne und friedlich zusammen.
Das Essener "Koma des Nichthandelns"
Die Stadt Essen schaffte es seit Jahrzehnten nicht, verkehrliche Probleme auf der Gladbecker Straße zu lösen und verfiel daraufhin auch in puncto sozialer Probleme in ein "Koma des Nichthandelns". Man schaute viel zu lange seelenruhig zu, wie zum Beispiel eine Immobilie an der Hövelstraße zur Schrottimmobilie mutierte und schaffte es bis heute nicht, diese anzukaufen. Dass nun wie aus dem Nichts hoch motivierte und einsatzbereite Bürgerinnen und Bürger daran gehindert werden sollen, dem Verfall des Essener Nordens Einhalt zu gebieten, ist nicht mehr zu verstehen. Jeder hier weiß, dass Abriss kein einziges Problem lösen würde, da auch die Menschen in den bereits nach hinten versetzten Häusern über exakt die gleichen Dinge klagen wie die Menschen, die ein paar Meter näher zur Straße hin wohnen.
Das Projekt "Soziale Stadt"
Altenessen ist Teil des Programms "Soziale Stadt" und hier müsste Bürgerbeteiigung ganz besonders gefördert werden. Man rühmt sich in dem 161 Seiten schweren Werk damit, dass man "Vorreiter" sein möchte, Was hier aktuell passiert, ist alles andere als sozial und kann nur noch als weitere "städtische Eskapade eines entfesselten Bauwahnsinns" bezeichnet werden.
Es klingt wie Hohn, dass perfekt funktionierende Nachbarschaften genau in dem Stadtteil zerstört werden sollen, wo es wie kaum an anderer Stelle in Essen so viele soziale Schieflagen gibt. Und was dem Fass den Boden ausschlägt: Zeitgleich zur "Abriss-Idee" wird in Hinterzimmern längst ein Beton-Tsunami geplant, der über riesige Grün- und Gartenflächen rollen soll. Dieses Sammelsurium aus Widersprüchlichkeiten und völliger Konzeptlosigkeit entbehrt jedweder Logik einer bürgerfreundlichen Stadtplanung. Wer sich wie die Stadt Essen derart rückwärtsgewandt den verstaubten und zukunftsfeindlichen Ideen einer 6-spurigen B224 oder dem Ausbau von "mehr Raum für Feinstaub & NOx" zuwendet, muss mit Gegenwind rechnen. Dass immer häufiger die Fachlichkeit und Kompetenz der Planer dieser Stadt angezweifelt wird, bleibt dabei auch nicht aus.
Das vorläufige Ende
Nach einem Telefonat mit einer Mitarbeiterin der Stadt wurde ein Termin zum persönlichen Gespräch avisiert. Schon jetzt ist klar, dass hier ein "kleines gallisches Dörfchen" gegen den Irrsinn des Abrisses kämpfen wird. Die große Frage, warum man nicht schon längst die Immobilienbesitzer zum Gespräch gebeten hat, bleibt unbeantwortet. Die freundliche Mitarbeiterin der Stadt sagte selbst, dass manch ein Vermieter ja vielleicht gar nicht hier wohne und so folglicherweise die (meist eh mickrigen) Ankündigungen zur Bürgerbeteiligung gar nicht erhalten konnte.
Ich erinnere zuguter Letzt an eine Fotoausstellung im Sommer 2016 in der Rathausgalerie, wo man die Geschichte der Häuser als Brücke der Vergangenheit in die Zukunft, sowie deren Bedeutung in der heutigen Gesellschaft mit voller Überzeugung dokumentierte. Schöne Worte, die man bei der Stadt Essen jedoch mit Füßen tritt. Es steht der Stadt Essen nicht gut an, dass Stadtplanung sich am laufenden Band als Bedrohung für den Bürger präsentiert.
Ich danke, auch im Namen meiner Nachbarn, für Ihre/Eure Aufmerksamkeit.
Autor:Susanne Demmer aus Essen-Nord |
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