Karnap kann das! Fest mit Flüchtlingen statt Streit ums Stinnes-Stadion

Mit breitem Bühnenprogramm begrüßte der Runde Tisch Karnap die Flüchtlinge im Mathias-Stinnes-Stadion im Stadtteil. Foto: Schwamborn
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Im kleinen Karnap schlug die Nachricht ein wie eine Bombe: Wurden in den anderen Zeltdörfern nur 400 Flüchtlinge untergebracht, sollten im Mathias-Stinnes-Stadion satte 700 Plätze geschaffen werden – und das bei nur rund 7.850 Einwohner. Das Team des Runden Tisches Karnap weiß von den Ängsten der Bürger und machte mit einem Willkommensfest den ersten großen Schritt, die Neuankömmlinge in den Stadtteil zu integrieren.

Offiziell in der Liste von Zeltdörfern und Flüchtlingsunterkünften empfangen wird eine Einrichtung mit der obligatorischen Informationsveranstaltung von Sozialdezernent Peter Renzel und Ordnungsdezernent Christian Kromberg: Wie viele kommen rein? Wie sieht’s im Zeltdorf überhaupt aus? Sind denn eigentlich Stadt oder Bund Schuld an der ganzen Misere? Gutes Stimmungsbarometer für Karnap Ende September ist die Tatsache, dass die Herren Dezernenten statt einer Sitzung gleich zwei hintereinander anberaumen mussten, um die Anzahl der interessierten Bürger in die Kirche an der Hattramstraße zu zwängen.
Mit den Flüchtlingen selbst haben die Karnaper kein Problem, die Menge macht’s: „700 sind einfach zu viel!“ ist der Grundtenor. Stress gab’s später nicht nur wegen der Baumaßnahmen am Beisenkampsfurt, Eigenheimbesitzer an der Straße hatten beim Kauf kaum davon geträumt, ihren Lebensabend fünf Meter von einem Zeltdorf entfernt zu verbringen. Der an sich gerechtfertigte Protest ging auch ins Extrem: Plakate mit faschistischen Parolen wurden vor dem Stadion platziert, in den sozialen Netzwerken gab’s Hetzkampagnen, die unter anderem behaupteten, nur alleinreisende Männer würden im Zeltdorf untergebracht – völliger Unsinn, der Staatsschutz ermittelte. „Das waren menschenunwürdige Züge“, wettert Michael Schwamborn, Mitglied des Moderatorenteams und Ratsherr des Essener Bürgerbündnisses. „Sowas gehört nicht nach Karnap!“ Der Runde Tisch will hier ein Gegengewicht bilden, erster großer Schritt war ein Fest für Flüchtlinge Mitte Dezember.

Volles Programm

Ziel der Aktion war sowohl, die zu diesem Zeitpunkt 284 Flüchtlinge in Karnap willkommen zu heißen, als auch, den Neuankömmlingen verschiedene Angebote im Stadtteil aufzuzeigen, damit sie nicht 24/7 Däumchen drehen müssen. „Die Menschen sind auf mich zugekommen, haben geweint, mich umarmt“, berichtet Moderator Schwamborn. „Das sind Momente, die vergisst man nicht!“ Begrüßt wurden die neuen Anwohner mit einer Ansprache auf Deutsch und einer auf Arabisch, hinterher gab’s ein buntes Bühnenprogramm für die Asylsuchenden. Schwerpunkt war aber, die Brücke zwischen Dorf und Stadtteil zu schlagen: „Wir möchten ein Programm auflegen für Karnaper Bürger und Flüchtlinge, damit Menschen möglichst schnell in Kontakt anderen Menschen kommen“, betont Schwamborn.
In recht kurzer Zeit haben die sechs Arbeitsgruppen des Runden Tisches mithilfe anderer Stadtteilakteure einiges an Abwechslung auf die Beine gestellt: Eine erste Gruppe organisiert eine Begehung Karnaps, unter anderem werden Ärzte, Parks und Einkaufsmöglichkeiten besucht. Hier hilft die Stadt Essen, sie will parallel eine Karte mit zentralen Punkten bereitstellen. Eine zweite Gruppe hat Ideen für die Freizeitgestaltung gesammelt, auf dem Plan stehen beispielsweise Veranstaltungen im Bürgerpark oder im Unperfekthaus, Bastel-, Strick- und Nähangebote, Spielgelegenheiten auf dem Hof der Maria-Kunigunda-Schule oder Besuche der Hallenpartien der Assindia Cardinals. Längst ein Intergrationsstandard sind Sportangebote, TV Karnap und FC Karnap laden zu Turnen, Aikido und Fußball ein. Schließlich unterstützt der Runde Tisch auf sprachlicher Ebene, neben der ehrenamtlichen Arbeit gibt’s einen Acht-Wochen-Intensivkurs für rund 70 Flüchtlinge.

Runder Tisch, runde Sache

Im kommenden Jahr trifft sich der Runde Tisch Karnap regelmäßig, jeweils am ersten Dienstag des Monats, in der evangelischen Kirche in der Hattramstraße. Startschuss ist also der 5. Januar, das nächste Treffen ist am 2. Februar. Geplant sind die Sitzungen von 20 bis 21.30 Uhr: „Jeder kann mitmachen!“ Neben ehrenamtlichen Helfern sind Stadtteilinitiative und Flüchtlinge auf Spenden angewiesen: „Was händeringend benötigt wird, sind Schuhe“, weiß Schwamborn. Ebenfalls nie verkehrt sind Spiele ohne große sprachliche Voraussetzungen, wie beispielsweise „Mensch, ärgere dich nicht!“. Die Spenden werden nicht direkt an der Einrichtung abgegeben, sondern beim Runden Tisch per E-Mail an refugium.karnap@outlook.de. Gleichzeitig kann Schwamborn die Bedenken der Bürger beruhigen: „Auf Druck des Runden Tisches hat die Stadt Essen zugesagt, dass 400 die maximale Grenze ist!“

Autor:

Alexander Müller aus Essen-Borbeck

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