Hartz IV und nie vergessen: Wer hat´s erfunden?

Bildschirmschnappschuss Tagesschau 14.3.: Berliner Montagsdemonstranten vor der Jubelveranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung
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10 Jahre „Agenda 2010“: Montagsdemo-Bewegung kämpft weiter

Am 14. März 2013, dem 10. Jahrestag der Verkündung der „Agenda 2010“ durch Ex-Bundeskanzler Schröder veranstaltete der „Managerkreis“(!) der (SPD-nahen) Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin eine Jubiläumsfeier zum Thema „Agenda 2010 - Bilanz und Perspektive“. Unter den illustren Podiumsgästen waren nicht nur SPD-Größen wie Frank-Walter Steinmeier und natürlich Ex-Kanzler Schröder, sondern auch der Chefredakteur eines Wirtschaftsblattes, der frühere Vorsitzende des Unternehmerverbandes Gesamtmetall, Banker von der Schweizer Skandal-Bank UBS und sogar der ehemalige bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber. Klar, dass von diesen Leuten Kritik an der „Agenda 2010“ weder zu erwarten noch erwünscht war.

Die protestierenden Montagsdemonstranten und Jusos mussten ohnehin draußen bleiben, nur geladene Gäste durften rein. Aber auch drinnen gab es noch ganz vereinzelt Kritiker wie etwa Ursula-Engelen-Kefer, frühere stellvertretende DGB-Vorsitzende. Doch sie und andere Kritiker aus dem Publikum wurden vom Moderator abgebügelt, wie ein Teilnehmer der Veranstaltung auf den „NachDenkSeiten“ berichtet.

Am interessantesten an der ganzen Veranstaltung war vielleicht noch eine Äußerung von Edmund Stoiber zur sozialpolitischen Brisanz der ganzen Agenda-„Reformen“, die auch in der Tagesschau gebracht wurde:

„Stellen Sie sich mal vor, ich hätte als Unionskanzler diese Positionen und diese Reformen durchzusetzen versucht, dann hätten wir nicht nur Montagsdemonstrationen gehabt …“

Wie wahr. Selbst die Schröder-Fischer-Regierung hatte größte Mühe, die Montagsdemo-Bewegung, die Hunderttausende auf die Straße brachte, wieder einzudämmen. Dazu wurden sogar eigene Lagezentren des Innenministeriums eingerichtet. Nur durch massive Spaltung und Hetze gelang es, der Montagsdemo-Bewegung ihren Massencharakter zu nehmen. Aber sie war und ist nicht tot zu kriegen. Am 2. März traf sich die bundesweite Montagsdemo-Bewegung zu ihrer 11. Bundesdelegiertenkonferenz. In einer aktuellen Pressemitteilung zu 10 Jahre „Agenda 2010“ schreibt die Koordinierungsgruppe der bundesweiten Montagsdemonstrationsbewegung am 14.3.:

„Der kürzlich veröffentlichte Armutsbericht der Bundesregierung ist ein einziges Armutszeugnis für ihre Sozial- und Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahre. Er belegt eindringlich die einschneidenden Folgen der Agenda 2010 für die Arbeits- und Lebensbedingungen Arbeiter, Angestellten, Arbeitslosen und ihren Familien. Die Anzahl der Menschen, die in Armut leben oder davon gefährdet sind, ist rasant angestiegen. Allein die Kinderarmut hat sich laut Kinderschutzbund durch Hartz IV verdoppelt. Über eine Million Menschen sind auf die ca. 900 Tafeln in Deutschland angewiesen. Durch die Hartz-Gesetze wurde der Niedriglohnsektor systematisch durch Leiharbeit, verstärkte Teilzeit, Befristung und für die Jugend schlecht oder nicht bezahlte Praktika, ausgebaut. Im Januar 2005 brüstete sich Gerhard Schröder auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos: "Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt." Heute schuften acht Millionen Menschen in Deutschland für einen Minilohn. Vier Millionen teilweise weit unter 7.-€. So gibt es immer mehr Aufstocker, die trotz Arbeit weiter auf Hartz IV angewiesen sind. Die bisher gezahlten Subventionen für die Unternehmen belaufen sich bereits auf über 50 Mrd. € an Steuergeldern. Im Klartext heißt das, wer schlecht bezahlt oder Vollzeitarbeitsplätze in Minijobs zerlegt, bekommt als Belohnung noch Steuergelder zur verschärften Ausbeutung. Gegenüber den Arbeitslosen haben die Agenturen für Arbeit im letzten Jahr dagegen über eine Million brutale Sanktionen von bis zu 30% des schon zu niedrigen Hartz IV-Regelsatzes ausgesprochen.
Die untere Hälfte der Haushalte in Deutschland, verfügt gerade über 1% des gesamten Privatvermögens. 1998 waren das noch 4%, 2003 3%. Dagegen verfügen die "oberen" 10% der Privathaushalte allein über 53% des Nettovermögens. Die Vermögen waren also noch nie so ungleich verteilt wie heute! Im Bundestagswahljahr sollte diese gesellschaftliche Realität vertuscht werden. Deshalb wurde der Bericht, der schon im September letzten Jahres vorlag, zwei mal geschönt. Aktualisiert nennt das dreist die Bundesregierung. Die SPD spielt sich als großer Kritiker des Berichts auf. Sie war es aber, die vor 10 Jahren die Agenda 2010 beschloss und die Hartz-Gesetze einführte.
Für die bundesweite Montagsdemonstrationsbewegung ist der 10. Jahrestag der Agenda 2010 Anlass und Ansporn, ihren unermüdlichen Protest gegen den Sozialkahlschlag, insbesondere gegen die Hartz-Gesetze fortzusetzen. Auf unserer Agenda stehen darüber hinaus der Kampf um jeden Arbeitsplatz wie gegenwärtig bei Opel Bochum, die Forderung nach einem allseitigen gesetzlichen Streikrecht und die 30-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich.
Auf ihrer kürzlich stattgefundenen Bundesdelegiertenkonferenz haben die MontagsdemonstrantInnen beschlossen, am 19. Oktober 2013 die 10. Herbstdemonstration in Berlin durchzuführen und die neue Regierung – wie sie auch immer aussehen wird - gebührend zu begrüßen. Wir machen weiter, bis die Hartz-Gesetze und die Agenda 2010 vom Tisch sind!“

Und natürlich werden 10 Jahre „Agenda 2010“ auch Thema der 427. Essener Montagsdemo sein. Wie immer ab 18 Uhr auf der Porschekanzel.

Bildschirmschnappschuss Tagesschau 14.3.: Berliner Montagsdemonstranten vor der Jubelveranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung
Bildschirmschnappschuss Tagesschau 14.3.: der "Genosse der Bosse", Ex-Kanzler Schröder verteidigt seine "Agenda 2010" gegen Kritik, die er nicht zulässt
Autor:

Bodo Urbat (Essen steht AUF) aus Essen-Nord

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