„Grüne Infrastruktur“ heißt das neue Zauberwort

Über 130 Fenster im Sanaa-Kubus - Aber keine Fensterreden!
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Rannten Landschaftsarchitekten bei der Politik offene Türen ein?

ESSEN-ZOLLVEREIN. Seit sich Essen den Titel „Grüne Hauptstadt Europas“ für 2017 sichern konnte, geben sich bei uns Umweltpolitik, Klimaschutz und Stadtentwicklung die Klinke in die Hand. Neugierig geworden („ausgerechnet Essen?") hatte sich auch der einflussreiche Bund Deutscher Landschaftsarchitekten (bdla) den Sanaa-Kubus auf Zollverein für die Jahrestagung ausgeguckt: Denn, der mit dem Architekten-„Oscar“ (Nike) ausgezeichnete Japaner-Bau vereint ja auch innen verblüffend „Landschaft mit Architektur“: Jedes der über 130 verschiedenen Fenster erlaubt herrliche Ausblicke in die Zechen-Natur der Umgebung - auch während der Tagung.

Tags zuvor hatte im „Grünen-Hauptstadt-Projektbüro“ Dezernentin Simone Raskop immer wieder beeindruckend mit allen grünen Pluspunkten Essens gewuchert (so wurde der „Pitch“ im zweiten Anlauf geholt), schon kam Stadtdirektor Hans-Jürgen Best im Schnellverfahren zur Essener Stadtgeschichte, „in der über 1000 Jahre lang Frauen als regierende Äbtissinen das Sagen“ hatten.

„Grüne Infrastruktur“ seit 1929 durch RVR

Regionalverbands-Chefin Geiß-Netthöfel erinnerte, dass ihr RVR schon seit Gründung 1929 Grüner Infrastruktur verpflichtet ist: Gerade weil hier die Natur durch die Industrialisierung so geschunden wurde, war es überlebenswichtig, etwa sauberes Wasser sicherzustellen. So hat man städtische Kulturlandschaften, Gewässerentwicklung, Stadtgrün, emmissionsneutrale Mobilitätssysteme und Naturschutz immer als Einheit betrachtet, ohne immer die heutigen Vokabeln zu verwenden. Und so konnte das ehemals nur „graue Revier“ trotz aller hartnäckigen Vorurteile weltweit längst im Stillen ergrünen: „Ich kann´s schon nicht mehr hören, wenn Erstbesucher sich über soviel Grün wundern.“, lacht die RVR-Chefin, Feuer und Flamme für die „Grüne Hauptstadt Essen“, die europaweit diese Vorurteile endgültig erledigen soll.

Auch Landschaftsarchitektur-Allrounder Andreas Kipar (Krupp-Gürtel, Krupp-Park „Five Hills Park“, Masterplan Essen, Baldeney-Konferenz „Neue Wege zum Wasser“) sah, in großer Motivationsrede zur Grünen Infrastruktur, Essen beim „Stadtumbau“ auf dem besten Wege. Schwerpunkt seiner vielfältigen Arbeit ist sicherlich auch die „Agenda Grüne Infrastruktur“, die nun hier als Leitfaden offiziell vom bdla an Landes- und Bundes-Politik übermittelt wurde.

Hauptforderung ist ein eigenes Investitions-Förderprogramm für Grüne Infrastruktur beim Bund. Dazu gehört, auch Städte besser auf den Klimawandel, auf Sturm- und Hochwassergefahren vorzubereiten. New York baut nach den Erfahrungen mit „Sandy“ künstliche Riffe für Fische und Algen, die Sturmwellen abmildern sollen. Unterirdische Wasserüberläufe sollen dort Überschwemmungen besser verteilen. In den Niederlanden und den skandinavischen Ländern werden öffentliche Plätze so gestaltet, dass sie bei Hochwasser Seen bilden. Regenwasser ist kostbares Naturkapital und kann weiter verwendet werden: „Grüne Infrastruktur“ ist längst globaler Zeitgeist.

NRW-Grünbuch wird in Essen vorgestellt

Für das NRW-Umweltminister bezifferte Viktor Haase die Investitionen der Landesregierung auf rund 83 Millionen an Steuergeldern für Investitionen in Grüne Infrastruktur, wozu Anträge bei der Bezirksregierung zu stellen sind. Am 8. Mai 2017 will Minister Remmel (Grüne) das „Grünbuch“ des Ministeriums vorstellen - in Essen!

Die Umwelt- und Baupolitische Sprecherin ihrer Bundestagsfraktion, CDU-MdB Marie-Luise Dött legte noch ein entscheidendes Schippchen drauf: „Grün in der Stadt ist für uns nicht nur eine Begleitmaßnahme. Wir wollen ein eigenes Städtebau-Förderprogramm, das Investitionen in die Grüne Infrastruktur in den Mittelpunkt stellt. Die Verhandlungen zum Haushaltentwurf 2017 laufen im Parlament bereits und wir hoffen, dieses Projekt voranzubringen.“

Mit Beginn der Legislaturperiode wurden Bau- und Umwelt-Ministerium zu einem zusammengefasst. Und damit endete weitgehend pragmatisch jahrzehntelanges gegenseitiges Ausbremsen zumindest der Ministerien. (Nicht umsonst war Kanzlerin Merkel ja auch mal Bundesumweltministerin). So wurde plötzlich der Weg für „neues Denken“ frei. Die Abgeordnete weiter: Mit einem eigenen Haushaltstitel „Grüne Infrastruktur“ können auch langfristige Ziele umgesetzt werden: Abmilderung der Folgen des Klimawandels, Förderung der Gesundheit, Schutz der Gewässer, des Bodens und der Luft, Bio-Diversität in Siedlungsgebieten, Steigerung der Wohnqualität und der Wertigkeit von Immobilien, Soziales wie Grünanlagen als Begegnungsstätten und Naherholungs- und Naturerlebnisräume für alle, aber infolge des demografischen Wandels verstärkt auch für ältere Menschen mit eingeschränkter Mobilität.“

Start in die Grüne Zeitenwende?

Tja, die etwas vorsichtige „bdla Agenda“ rannte hier wohl offene Türen ein. Der Landschaftsarchitekten-Verband konnte sein Glück kaum fassen. Denn auch MdB Michael Groß von der SPD, Baupolitischer Sprecher seiner Fraktion war sich bei „Grüne Infrastruktur“ mit seiner Koalitions-Bundestagskollegin Dött völlig einig. So stand plötzlich hier im grauen Sanaa-Kubus auf Zollverein sozusagen der „Engel der Grünen Zeitenwende“ mitten im Raum - Und auch die nötigen Mittel dafür werden gerade auf allen Ebenen locker gemacht!

Ja, „aber Hallo Weltkulturerbe!“. Hat sich da der lange Atem beim Kampf für Vernunft ja doch gelohnt? Live zu erleben ab 2017 bei uns in Essen, der nächsten „Grünen Hauptstadt Europas“. Alle Parteien sagten „Glück Auf!" (cd)

Über 130 Fenster im Sanaa-Kubus - Aber keine Fensterreden!
Selten einig in Sachen Grüner Infrastruktur: (v.l.) Michael Groß (SPD-MdB), Hilmar von Lojewski (Dt. Städtetag), Andreas Kipar (Landschaftsarchitekt), Hans-Jürgen Best (Stadtdirektor), Marie-Luise Dött (CDU-MdB) und Till Rehwald (Präsident bdla).
Autor:

Caro Dai aus Essen-Werden

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