Grüne fordern: Kein Freibrief für 123-Millionen-Messeneubau !

Die legendäre Grugahalle -  heutzutage wird das denkmalgeschütze Bauwerk häufig eher als unproduktives Anhängsel der Messe-GmbH betrachtet
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  • Die legendäre Grugahalle - heutzutage wird das denkmalgeschütze Bauwerk häufig eher als unproduktives Anhängsel der Messe-GmbH betrachtet
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Für eine maßvolle Messeertüchtigung statt 123 Millionen-Risiko !

! Kurz vor der entscheidenden Stadtratssitzung, bei der insbesondere SPD und CDU den Neubau etwa des halben heutigen Messebestands durchsetzen wollen, meldet sich der Kreisverband der Essener Grünen zu Wort. Mit einem Beschluss der Mitgliederversammlung vom 10.07.2013 warnen die Grünen vor vielfältigen Unsicherheitsfaktoren dieses auf Risiko geplanten (Halb)Neubaus der Messe Essen an der Gruga. Hier die Argumente im Originalton:

Am 17. Juli 2013 soll der Rat der Stadt Essen über den Vorentwurf zur
„Ertüchtigung“ der Messe Essen mit einem geplanten Investitionsvolumen in
Höhe von 123 Mio. Euro netto entscheiden. Die Finanzierung soll durch einen
Kredit der Stadt Essen in Höhe von 100 Mio. Euro und durch Mittel in Höhe von
23 Mio. Euro aus dem Budget der Messe Essen sichergestellt werden.
Nach eingehender Beratung beschließt die Mitgliederversammlung der Essener
Grünen:
Die Essener Grünen bekennen sich nach wie vor zum Messestandort Essen und zu
einer moderaten, wirtschaftlich tragfähigen Modernisierung der Messe.
Der von der Stadtverwaltung für die Ratssitzung am 17.07.2013 vorgelegte
Vorentwurf zur Messeertüchtigung wird von den Grünen wegen nicht berücksichtigter Kostenrisiken, nicht nachgewiesener Wirtschaftlichkeit und unnötigen Investitionen u.a. mit Investorenmodellen abgelehnt. Dabei sprechen aus Sicht der Grünen insbesondere folgende Aspekte gegen den Entwurf:

Zweifelhafte Obergrenze 123 Millionen Euro

1. Es gibt berechtigte Zweifel, dass ein derartiger Neubau der Messe Essen mit 123
Mio. Euro netto auskommt. Es fehlen valide Zahlen, dass der Kostenrahmen auch
tatsächlich eingehalten werden kann und wird. Die in der Vorlage genannten 5,1
Mio. Euro Budgetreserve für „Unvorhersehbares“ macht gerade mal 4,5% aus
und ist zu gering. Bei einem Bau von Großprojekten im Bestand ist hingegen ein
Kostenpuffer von 15% bis 20% üblich.
2. Massive Risiken für etwaige Kostensteigerungen sehen wir in den noch ungeklärten Logistikfragen während der Bauphase und in dem geplanten Bau von
drei unterirdischen Tagungsräumen mit insgesamt 1.400 Sitzplätzen. Es gibt
weiterhin ungeklärte Finanzposten wie die Interimskosten für den Einsatz von
mobilen Ersatzhallen bzw. für Einnahmeausfälle bei Gruga und Kur vor Ort
während der Bauphase, Tarifsteigerungen im Baugewerbe, Stahlpreiserhöhungen, die Grunderwerbskosten für die Inanspruchnahme von Flächen der Gruga und Mittel für Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen im Grugapark.
Wenn diese Kostensteigerungen auch noch durch zusätzliche Veränderungen am Gesamtentwurf erwirtschaftet werden müssen, bleibt letztendlich nicht mehr viel von dem eigentlichen Entwurf übrig und er wird damit obsolet.

Keine städtischen Mittel mehr für andere wichtige Großinvestitionen

3. Die geplante Umwandlung der ursprünglich als Bürgschaft gedachten 100 Mio.
Euro in einen Kredit seitens der Stadt Essen beschneidet massiv die Möglichkeit,
zukünftig Investitionskredite für wichtige andere kommunale Vorhaben
aufzunehmen. Die Inanspruchnahme des Nettokreditrahmens der Stadt durch
den Kredit für die Messe wird es in den nächsten Jahren unmöglich machen,
weitere als die bislang in der Prioritätenliste des Haushaltes 2013/2014 verankerten Investitionsmaßnahmen zu stemmen.
Damit wird ein weiterer Kita-Ausbau, die Sanierung zusätzlicher Schulen, die Umsetzung des Bäderkonzeptes (Sanierung Grugabad, mögliche Kosten-steigerungen beim Bad am Thurmfeld) massiv erschwert bis unmöglich gemacht.

Umstrittene Notwendigkeit für ein Neues Congress-Center-Essen

4. Die Essener Grünen haben erhebliche Zweifel an der Wirtschaftlichkeit und
Sinnhaftigkeit eines neuen Congress Centers Essen am Ostportal der Messe.
Besonders kritisch sind dabei die erfahrungsgemäß schlecht zu vermarktenden,
da fensterlosen, unterirdischen Tagungs- und Kongressräume zu bewerten (zwei
unterirdische Räume mit einem Fassungsvermögen für jeweils 400 Personen und
der unterirdische Tagungsraum mit einem Fassungsvermögen für 600 Personen).
Zum einen besteht wegen der unterirdischen Bauweise eine hohe Gefahr der
Kostenexplosion. Zum anderen fehlt der Nachweis, dass diese Flächen in dieser
Lage wirklich benötigt werden.
Immerhin verfügt die Messe mit dem Congress Center im westlichen Teil derzeit über mehrere Räume (Säle mit 1.060 Sitzplätzen, 690 Sitzplätzen, 600 Sitzplätzen, 6 weitere Säle mit 130 bis 250 Sitzplätzen und 11 Konferenzräume mit 20 bis 130 Sitzplätzen), die sich auch noch in einem guten Zustand befinden. Es besteht weiterhin die Gefahr der Kannibalisierung von anderen öffentlich finanzierten Essener Tagungs- und Kongresseinrichtungen wie der Zeche Zollverein, der Philharmonie bzw. des Saalbaus und des 1. Obergeschosses des Essener Stadions.

Immer neue letzte Bauvorhaben der Messe Gmbh?

5. Die Grünen sind es leid, alle 7 bis 10 Jahre von Messegeschäftsführern
vorgetragen zu bekommen, mit dem letzten Bauvorhaben sei ein Endausbauzustand erreicht (hier sei nur an den im Jahr 2000 neu gebauten Bellini-Komplex erinnert). Voll funktionsfähige, für teures Geld gebaute Gebäudebestandteile wie das Verwal-tungsgebäude oder die Galeria mit einer öffentlich geförderten Photovoltaikanlage und dem aufwändig gestalteten Immendorf-Fenster sollen nun ohne Wirtschaftlich-keitsnachweis abgerissen werden. Dies stellt nach Auffassung der Grünen eine vollkommen unnötige Verschwendung von Geld und Ressourcen dar, die zudem nicht zur massiven Verschuldung der Stadt Essen passen.

Verwaltunggebäude und Parkhaus nicht ehrlich in Kostenrechnung erhalten

6. Die in der Verwaltungsvorlage beschriebene Errichtung eines neuen Verwaltungs- gebäudes und eines Parkhauses durch Investoren birgt ein hochgradiges Kosten- risiko für die Kommune. Nach diesem Muster sind in der Vergangenheit mehrere Bauskandale der öffentlichen Hand gestrickt worden.
Letztlich steckt in diesem Modell eine verschleierte Staatsverschuldung. Die
Darstellung in der Vorlage, dass sich diese beiden Projekte aus Mehrerlösen aus
dem Kongressgeschäft bzw. durch Parkgebühren in Höhe von jährlich 1,15 Mio.
Euro refinanzieren lassen, bewerten wir als unseriös, da es keinerlei Hinweis bzw.
Beleg, die diese Erwartung begründen ließe, gibt. Wenn sich durch ein Kongress-geschäft Mehreinnahmen generieren lassen, dann sollten diese im Übrigen nicht zum Bau weiterer Messegebäude, sondern zur Verringerung des jährlichen Verlustausgleiches der Stadt zugunsten der Messe in Höhe von durchschnittlich 13,5 Mio. Euro verwendet werden.

Unterirdisch: 2,5 Millionen tuerer Verbindungsgang der Grugahalle

Die Verwaltungsvorlage lässt auch unbeantwortet, wie der zwischen Grugahalle und Kongresszentrum geplante unterirdische, laut Verwaltungsvorlage 2,5 Mio. Euro teure, Verbindungsgang finanziert werden soll. In den 123 Mio. teuren Investitions-kosten ist er jedenfalls nicht enthalten, obwohl es sich um ein aus der Logik des Konzeptes heraus unabdingbare Verbindung handelt.
7. Es bestehen erhebliche Bedenken einer nachhaltigen finanziellen Tragfähigkeit
der geplanten Investitionen in Höhe von 123 Mio. Euro. In Zeiten des Internets,
der Konferenzschaltungen und von Skype ist die Frage berechtigt, ob man
Messeflächen in dieser Größe braucht.

Top-Nischenplayer als Entwicklungsmodell

Nach Auffassung der Essener Grünen sollte die Messe Essen vor einer wie jetzt geplanten Großinvestition ebenfalls prüfen, ob die Rolle eines Top-Nischenplayers im Sinne von „klein aber fein“ – wie bei der Dortmunder Messe – nicht das wirtschaftlichere und geeignetere Entwicklungsmodell für die Messe Essen ist.
Den Essener Grünen war es immer wichtig, dass bei der Messe-Ertüchtigung eine
über mehrere Jahre gestreckte bauabschnittsweise Vorgehensweise gewählt wird,
die Raum und Zeit schafft, Investitionsentscheidungen regelmäßig im Licht aktueller
Entwicklungen des Messe- und Kongress-Geschäftes neu zu justieren. Dabei sollte
die Ertüchtigung der für das Messegeschäft untauglichen Doppelstockhallen, die
immer den Hauptbegründungszusammenhang für die Messeertüchtigung gebildet
haben, in den Vordergrund gerückt werden und am Beginn der Baumaßnahmen
stehen.

Von früheren moderaten Messeplanungen ist nichts mehr übrig

Der von der grünen Ratsfraktion erwirkte Zusatz im Ratsbeschluss vom 23.11.2011, dass ein wichtiger Bestandteil des Architektenwettbewerbes ein Bauabschnitts-weiser, modularer Ausbau der Messe sein muss, wobei die besonders dringliche Ertüchtigung der Doppelstockhallen 8 und 9 zu den ersten durchzuführenden Maßnahmen gehören solle, wurde jedoch in der jetzt vorliegenden Planung nicht berücksichtigt. Von einer modularen Vorgehensweise ist bei den Messe-Neu--
planungen inzwischen keine Rede mehr.

Bürgerentscheid statt "Alles oder Nichts-Beschlüsse" im Stadtrat

Stattdessen wird vom Rat der Stadt Essen am 17. Juli 2013 eine Entscheidung des „Alles oder Nichts“ eingefordert. Die Mitgliederversammlung der Essener Grünen empfiehlt der grünen Ratsfraktion daher, dem in der Anlage 7 zur Ratsvorlage dargestellten Maximalismus-Plan eines Messe-Neubaus nicht zuzustimmen.
Die grüne Partei spricht sich für ein Bürgerbegehren aus, indem die Essener
Bevölkerung angesichts des größten Investitionsvolumens in der Geschichte
der Stadt Essen befragt wird, ob sie diese Investition befürwortet oder nicht
befürwortet.
Die Mitgliederversammlung beauftragt Partei und Fraktion, gemeinsam die
Voraussetzungen für einen Bürgerentscheid zu schaffen. Dazu gehört
zunächst, möglichst ein parteiübergreifendes Bündnis zur Unterstützung des
Bürgerbegehrens zu bilden."

Wer in Essen also nicht nur auf den Wahlkampf um die Bundestagsmandate für die Septemberwahl schauen müssen. Es bleibt in Essen auch kommunalpolitisch für die nächsten Monate spannend, auch in der sogenannten Sommerpause während der Ferien.

Autor:

Walter Wandtke aus Essen-Nord

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