Flüchtlingsverteilung zwischen Nord und Süd: Essener Grüne rufen SPD zur Sacharbeit und Besonnenheit auf
Schön, dass die angekündigte SPD-Demonstration gegen weitere Flüchtlingsunterkünfte im Essener Norden jetzt doch abgesagt wurde. Schade, dass dazu erst Twitter-Hinweise der NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft notwendig waren, dass die generelle Ablehnung der Aufnahme weiterer Flüchtlinge nicht die Mehrheitsposition der NRW-SPD repräsentiert.
Wie im einzelnen diese Flüchtlingsunterbringung zwischen den Stadtteilen an Emscher und Rhein-Herne-Kanal, bzw. zwischen Baldeneysee und Kettwiger Stausee sowohl sozial gerecht, wie auch ohne den Landschaftsschutz mit Füßen zu treten, geregelt werden muss, ist dabei eine andere Frage.
Für bessere Unterbringungsmöglichkeiten wurden viele Vorschläge gemacht, für deren Durchsetzung sich Demonstrationen lohnen würden. - Wer stattdessen jetzt Parolen wie "Das Bott ist übervoll" nachläuft, beteiligt sich zwangsläufig am Geschäft rechter Scharfmacher - selbst er es anders gemeint haben sollte.
Wollte die Nord-SPD gegen sich selbst demonstrieren?
Es sollte auch nicht vergessen werden, wir haben zwar einen CDU-Oberbürgermeister, aber die Stadt Essen wird mit einer schwarz-roten Mehrheit regiert. Da sollte es für SPD-Ortsvereine andere politische Entscheidungsmöglichkeiten geben, als Strassenblockaden anzudrohen, die dann wahrscheinlich freudig von von AfD, Pro NRW oder anderen Pegidafreunden unterstützt würden.
Dass grundsätzliche Problem besteht wohl darin, dass die SPD im Stadtbezirk V, die hier nicht nur den Bezirksbürgermeister, sondern auch die absolute Mehrheit im Bezirk stellt, anscheinend die Integrationmöglichkeiten für viele Flüchtlinge grundsätzlich bezweifelt.
Integrationswilligkeit der Flüchtlinge ist weitestgehend ungetestet
Die allermeisten Flüchtlinge, insbesondere in den Zeltlagern - z.B. diejenigen, die zu mehreren Hundert im Mathias-Stinnes-Stadion in Karnap untergebracht sind - hatten bisher überhaupt keine Gelegenheit, in irgendwelchen Integrationskursen oder überhaupt nur Sprachkursen zu beweisen, ob sie integrationsfähig sind oder nicht. Die übergroße Zahl dieser Menschen hatte auch überhaupt noch keine Chance, gegenüber staatlichen Stellen ihre Begründung zur Flucht aus den Heimatländern darzustellen.
Alternativen zur Flüchtlingsunterbringung
Es bleibt bemerkenswert, wenn wir auf unserem defizitären, zur Abwicklung anstehenden Flughafen Essen/Mülheim zwar über Wochen Zelte und Infrastruktrur für ein Oktoberfest-Event bereitstellen können - aber keine Flüchtlingsunterbringung. ( keinesfalls natürlich nicht mit mehreren Tausend wie in Berlin-Tempelhof geplant) Wenn wir z.B.seit Jahren leerstehende Immobilien staatlicher Institutionen, bzw, staatseigener Firmen wie das Hochaus an der Henri-Dunand-Str. in Rüttenscheid, das leere Hochhaus am Hauptbahnhof oder das frühere Ledigenheim an der Twendmannstr. in Altenessen-Süd nicht zur Flüchtlingsunterbringung herrichten, ist das in der aktuellen Lage nicht nachvollziehbar. Über die einzelnen Begründungen ließ sich auch kurzfristig sachlich streiten, ernst zu nehmende Argumente Pro und Contra könnten zeitnah zur Geldung kommen.
Ein grundsätzliches Nein zur weiteren Flüchtlingsaufnahme untergräbt aber unser demokratisches System. Vielleicht müssten wir die ganze Demonstrationsenergie besser für eine andere Außenpolitik einsetzen, die sich z.B. mit absoluter Kraft für ein Ende des Kriegs in Syrien einsetzt und dabei auch den Bürgerkrieg Erdogans gegen die Kurden in der Türkei nicht ausläßt.
Folgende Erklärung der Essener Grünen wurde noch vor der kurzfristigen Absage der geplanten Nord-SPD-Demonstration gegen weitere Flüchtunterbringung in Altenessen und Karnap erstellt. Für die weiteren Debatten bleibt sie aber aktuell:
Essens Norden muss tolerant bleiben
Zur Blockade-Ankündigung dreier SPD-Ortsvereine am kommenden Dienstag unter dem Motto "Der Norden ist voll!" erklärt Kai Gehring MdB, Parteivorsitzender von Bündnis 90/ Die Grünen Essen:
"Wer den Aufruf der drei SPD-Ortsvereine liest, fragt sich, ob die Genossen im Essener Norden Maß und Mitte verloren haben und AfD und NPD nachlaufen wollen. Über diesen Populismus sind wir entsetzt und rufen die SPD auf, zu Sacharbeit und Besonnenheit zurückzukehren.
Das Gemeinwohl und der soziale Frieden in unserer Stadt sind hohe Güter, die durch solche Aktionen nicht gefährdet werden dürfen. Es braucht einen weiter konstruktiven und gesamtstädtischen Dialog und offenbar einen deutlichen Ordnungsruf in der SPD, wenn einzelne Ortsverbände derart entgleisen.
Die SPD trägt als Teil der Großen Koalition im Stadtrat und mit ihrem Planungsbeigeordneten Best Verantwortung dafür, dass sich die Verwaltung viel zu langsam um die Unterbringung Geflüchteter gekümmert hat und die Hilfen des Landes zu zögerlich annimmt. Essen bräuchte längst eine umfassende und systematische Suche nach Wohnungen anstelle teurer und kurzzeitiger Großlösungen in Zelten.
Falsche Strategie von Stadtdirektor und Planungsdezernent Dr. Best (SPD)
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Für eine stadtweit ausgewogene Verteilung von Unterkünften war es ein Fehler, dass Herr Best eine Mindestflächengröße von 2 Hektar festgelegt hat. Aufgabe von Politik und Verwaltung muss darin bestehen, auch kleinere Flächen zu identifizieren, damit es zu einer ausgewogenen Verteilung über alle Stadtteile kommt. Wir fordern zudem seit Monaten, die Prüfung der Umnutzung leerstehender Immobilien zur Asylunterbringung endlich zu intensivieren und zu beschleunigen.
Es wäre verdienstvoll, wenn die SPD an solchen guten, schnellen und nachhaltigen Lösungen zur Unterbringung und Integration mitwirkt, anstatt Kreisverkehre zu blockieren und Rechtspopulisten hinterherzulaufen.
Bündnis 90 / Die Grünen Essen
Autor:Walter Wandtke aus Essen-Nord |
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