Maßnahmen gegen das Insektensterben
Fliß: nachtaktive Insekten durch richtige Außenbeleuchtung schützen

Nachts auf der Brücke über Rhein-Herne-Kanal und Emscher zwischen Karnap und Altenessen - gleissendes Licht würde hier für unzählige Insekten den Tod bedeuten. An vielen öffentlichen Stellen der Stadt wären zumindest nach 23 Uhr Bewegungsmelder mit einer nachfolgenden begrenzten Zeit für die Wegbeleuchtung der umweltfreundlichere wie sparsammere Weg für die weiterhin notwendige Sicherheit. | Foto: Walter Wandtke
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  • Nachts auf der Brücke über Rhein-Herne-Kanal und Emscher zwischen Karnap und Altenessen - gleissendes Licht würde hier für unzählige Insekten den Tod bedeuten. An vielen öffentlichen Stellen der Stadt wären zumindest nach 23 Uhr Bewegungsmelder mit einer nachfolgenden begrenzten Zeit für die Wegbeleuchtung der umweltfreundlichere wie sparsammere Weg für die weiterhin notwendige Sicherheit.
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Die Ratsfraktion der Grünen stellt in der Ratssitzung am 24. Juni einen Antrag, dass sich die Stadt Essen für eine insektenfreundliche Außenbeleuchtung einsetzen soll. Dazu erklärt Rolf Fliß, umweltpolitischer Sprecher der Ratsfraktion der Grünen:
„Damit die Außenbeleuchtung nicht zu einer tödlichen Falle für zahlreiche nachtaktive Insekten wird, sollte die Stadt systematisch insektenfreundliche Leuchten einsetzen und bei allen Bauvorhaben einfordern. Dies ist sowohl konstruktiv wie auch kosteneffizient möglich. Lichter sollten fokussiert von oben nach unten herableuchten. Ihr Gehäuse sollte geschlossen sein und möglichst wenig seitwärts und nach oben leuchten. Auch die Wahl von warm-weißem Licht mit langen Wellenlängen schützt Insekten.

Öffentliche Gebäudefassaden nicht nach 23 Uhr beleuchten

Licht sollte generell nur eingesetzt werden, wenn es gebraucht wird. Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung lässt sich auch durch Bewegungsmelder und zeitlich besser abgestimmte Beleuchtungskonzepte herstellen. In der Nähe von Biotopen sollte Außenbeleuchtung möglichst ganz vermieden werden. Auf die Beleuchtung der Fassaden von öffentlichen Gebäuden sollte nach 23 Uhr ganz verzichtet werden.
Insekten sind ein wesentlicher Bestandteil der biologischen Vielfalt. In den vergangenen Jahrzehnten haben sowohl die Artenvielfalt der Insekten als auch deren Häufigkeit stark abgenommen. Die Lichtverschmutzung, also die Aufhellung der Nacht durch unachtsame Nutzung von künstlichem Licht, stellt einen wesentlichen Grund fürdiesen Artenrückgang dar. Lichtverschmutzung hat aber auch massive negative Auswirkungen auf Fledermäuse und verändert auch die Lebensbedingungen von tagaktiven Tieren.“
Die Ratsfraktion fordert in ihrem Antrag, dass die Verwaltung einen Beleuchtungsleitfaden zur Vermeidung und Verminderung von störend auf den Naturhaushalt wirkenden Lichtimmissionen entwickelt. Dieser soll sich sowohl an Vorhaben in kommunaler Zuständigkeit wie auch an Dritte richten und bei der Bauleitplanung und Baugenehmigung grundsätzliche Anwendung finden.

Grüner Ratsfraktion im Wortlaut:
TOP 12:

Insektenfreundliche Außenbeleuchtung

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt, das Rat der Stadt Essen beschließt:

Die Verwaltung wird aufgefordert:

1. Beim Einsatz von Leuchtkörpern in kommunaler Zuständigkeit (Straßen- und Wegebeleuchtung, Beleuchtung von Gebäuden und Freiflächen etc.) ist künftig ein Design zu wählen, das zugleich ästhetisch und effizient ist sowie den Stromverbrauch senkt, dabei aber die Umweltbelastungen, insbesondere die Wirkung auf Insekten und Fledermäuse, auf ein unvermeidbares Minimum begrenzt. Dieses Ziel gilt für den urban geprägten Raum genauso wie für die Siedlungsrandlagen und die großen Freiräume im Stadtgebiet.

2. Im ersten Schritt ist in der Zeit zwischen 23 Uhr und Morgendämmerung auf eine Beleuchtung der Fassaden baulicher Anlagen der Stadt Essen generell zu verzichten. Bei Fassaden, die sich der freien Landschaft oder größeren innerstädtischer Grünanlagen bzw. Grünflächen zuwenden, ist auf die Beleuchtung im Sommerhalbjahr generell zu verzichten. Abweichungen, zum Beispiel aus kulturellen oder touristischen Gründen, sind entsprechend zu begründen

3. Die Verwaltung wird aufgefordert, ein kommunales Regelwerk und Maßnahmenkonzept („Beleuchtungsleitfaden“) zur Vermeidung und Verminderung von störend auf den Naturhaushalt wirkenden Lichtimmissionen zu entwickeln. Dieses soll sich sowohl an Vorhaben in kommunaler Zuständigkeit wie auch an Dritte richten und zum Beispiel in der Bauleitplanung, der Bauordnung und der Bauberatung sowie in der Wirtschaftsförderung grundsätzlich Anwendung finden. Für die Entwicklung des Konzeptes sind die Leitfäden des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen sowie des Bundesamtes für Naturschutz anzuwenden. Die Möglichkeiten zur Förderung der Erstellung und beispielhaften Umsetzung dieses Konzeptes mit Mitteln des Aktionsprogrammes Insektenschutz des Bundesumweltministerium sind zu prüfen und dem Ausschuss für Umwelt, Verbraucherschutz, Grün und Gruga in der Sitzung am 18.8.2020 zu berichten. Bei der Erarbeitung des Konzeptes sind die anerkannten Naturschutzverbände einzubeziehen.

Begründung

Insekten sind die artenreichste Gruppe aller Lebewesen und stellen gut 70 % der Tierarten weltweit. Sie sind damit ein wesentlicher Bestandteil der biologischen Vielfalt. In den vergangenen Jahrzehnten haben sowohl die Artenvielfalt der Insekten als auch deren Häufigkeit stark abgenommen. Neben der Zerstörung und Veränderung von Lebensräumen insbesondere durch die intensive Landwirtschaft stellen auch Lichtimmissionen eine wesentliche Ursache für den Rückgang und Verlust von Insektenarten dar.

Laut Bundesamt für Naturschutz sind 60 % aller Insektenarten dämmerungs- und/oder nachtaktiv. Daher haben Veränderungen der Lichtverhältnisse deutliche Auswirkungen auf die biologische Vielfalt. Viele nachtaktive Insekten fallen nachweislich der Lichtverschmutzung zum Opfer, der Aufhellung der Nacht durch unachtsame Nutzung von künstlichem Licht. Falsche Straßenbeleuchtung kann den Insekten enorm schaden. Eine Vielzahl der Insekten wird von Licht angezogen und stirbt dort vor Erschöpfung oder fällt ihren Fressfeinden zum Opfer. Neben der Sogwirkung des Lichts können sich die Abstrahlungen benachbarter Straßenleuchten überschneiden und eine Barriere darstellen, die es Insekten wesentlich erschwert, eine beleuchtete Straße zu passieren. Sind die Insekten dem Lebensraum entzogen, fallen sie auch als Nahrungsgrundlage für andere Tiere aus. Nachtaktive Schmetterlinge werden desorientiert und können daher ihrer Funktion als Bestäuber für bestimmte Pflanzenarten nicht nachkommen.

Die negativen Auswirkungen auf dämmerungs- und nachtaktive Arten können weiterhin auch die Bedingungen und Lebensgemeinschaften von tagaktiven Arten verändern. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass Lichtimmissionen massive Auswirkungen auf Fledermäuse haben und für diese ganze Landschaftsräume versperrt werden, da sie Licht meiden oder Quartiere unbenutzbar werden, nachdem sie einer verstärkten Beleuchtung unterliegen. Die ins Licht gelockten Insekten sind für Fledermäuse nicht mehr in gleicher Weise erreichbar.

Künstliches Licht kann auch die von Pflanzen wahrgenommene Tageslänge verlängern und dadurch die Information über jahreszeitliche Veränderungen überlagern. Unter anderem wird die Signalwirkung für den Laubabwurf und die Blüteninduktion verändert. Ein verspäteter Laubabwurf und veränderte Blütezeiten können zur Folge haben, dass einbrechender Frost das Gewebe beschädigt oder die Synchronisation der Blüten mit dem Auftreten der Bestäuber beeinträchtigt wird.

Der besonders hohe Grad an Lichtverschmutzung in Essen lässt sich auf Satellitenkarten wie „Radiance Light Trends“ im Internet (https://lighttrends.lightpollutionmap.info) farblich sichtbar machen. Dort sind weite Teile Essens gelb (hohe Belastung) und an vielen Stellen sogar rot gekennzeichnet (sehr hohe Belastung).

Die Vermeidung oder Verminderung von Beeinträchtigungen durch Licht ist nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) schon heute konstruktiv und kosteneffizient möglich. Das BfN hat zu diesem Zweck im Jahr 2019 einen Leitfaden zur Neugestaltung und Umrüstung von Außenbeleuchtungsanlagen herausgegeben (Download: https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/service/Dokumente/skripten/Skript543.pdf), der sich an Kommunen, Licht-, Landschafts-, Stadt- und Regionalplanerinnen und -planer richtet.

Auch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen hat 2018 einen Leitfaden herausgegeben („Künstliche Außenbeleuchtung - Tipps zur Vermeidung und Verminderung störender Lichtimmissionen“, Download: https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuvpubl/1_infoblaetter/LANUV_Info42_Lichtverschmutzung_2017_WEB-gesichert.pdf )

Durch ein geeignetes Design lassen sich Straßenleuchten so gestalten, dass das Licht der Leuchten nicht mehr an der Leuchte selbst, sondern nur auf den Gehwegen und Straßen zu sehen ist.

Das Bundesamt für Naturschutz empfiehlt folgende Grundsätze bei der Wahl von insektenfreundlicher Außenbeleuchtung:

· Die Abstrahlung in den oberen Halbraum ist möglichst zu vermeiden. Empfohlen wird, die Abstrahlung in den Himmel für sämtliche Außenbeleuchtungen so gering wie möglich zu halten und in naturnahen Räumen auf null Prozent zu begrenzen.

· Auch horizontal abstrahlendes Licht ist zu vermeiden, da es Wohn- und Lebensräume beeinträchtigt und Blendungen verursachen kann.

· Fassadenbeleuchtungen sind nach unten auszurichten und Bodeneinbauleuchten, die das Licht nach oben abstrahlen, zu vermeiden.

· Ultraviolette (UV-) und Infrarote (IR-) Strahlung können vom Menschen nicht visuell wahrgenommen werden. Deshalb sollten die eingesetzten Leuchtmittel keine UV- und IR-Strahlungen emittieren. Gegebenenfalls sind Filter zu verwenden.

· Kaltweißes Licht mit hohem Blaulichtanteil (Wellenlängen unter 500 nm und Farbtemperaturen über 3000 Kelvin) ist als Außenbeleuchtung aus folgenden Gründen zu vermeiden:

o Das zirkadiane System von Säugetieren und Menschen reagiert auf blaues Licht besonders empfindlich.

o Blaues Licht übt ebenso wie UV-Licht eine hohe Attraktion auf die meisten Fluginsekten aus.

o Blaues Licht wird in der Atmosphäre stärker als andere Lichtfarben gestreut und hat daher einen größeren Einfluss auf Lichtglocken, welche die Umgebung weiträumig erhellen.

Das Bauplanungsrecht ermöglicht es, der Gemeinde zum Schutz lichtempfindlicher Arten und Lebensräume sowie zum Schutz des Menschen, die Pflicht zur Durchführung von Vermeidungsmaßnahmen in ihren Bebauungsplänen festzusetzen.

Die Bundesregierung hat im September 2019 auf Vorschlag des Bundesumweltministeriums ein „Aktionsprogramm Insektenschutz“ beschlossen und mit jährlich ca. 100 Mio. Euro ausgestattet (Download des Programmes unter: https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/aktionsprogramm_insektenschutz_kabinettversion_bf.pdf). Das Aktionsprogramm soll auch dazu beitragen, dass die Lichtverschmutzung insgesamt reduziert wird und eine Umstellung auf insektenfreundliche Lichtquellen erfolgt.

Nachts auf der Brücke über Rhein-Herne-Kanal und Emscher zwischen Karnap und Altenessen - gleissendes Licht würde hier für unzählige Insekten den Tod bedeuten. An vielen öffentlichen Stellen der Stadt wären zumindest nach 23 Uhr Bewegungsmelder mit einer nachfolgenden begrenzten Zeit für die Wegbeleuchtung der umweltfreundlichere wie sparsammere Weg für die weiterhin notwendige Sicherheit. | Foto: Walter Wandtke
Rolf Fliß, umweltpolitischer Sprecher der Ratsfraktion der Grünen:
„Damit die Außenbeleuchtung nicht zu einer tödlichen Falle für zahlreiche nachtaktive Insekten wird, sollte die Stadt systematisch insektenfreundliche Leuchten einsetzen und bei allen Bauvorhaben einfordern. Dies ist sowohl konstruktiv wie auch kosteneffizient möglich.  | Foto: Grüner KV Essen
Autor:

Walter Wandtke aus Essen-Nord

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