Die Gladbecker Straße und das EuGH-Urteil zur Stickoxid-Belastung

Systematisch und anhaltend nahmen und nehmen Politiker billigend in Kauf, dass Bürger krankmachende Luft atmen müssen. Dafür gab es nun eine „Klatsche“ vor dem höchsten europäischen Gericht, Strafen jedoch werden nicht verhängt.
Derweil wird dem tödlichen Trio „Lärm, Gift und Raserei“ auf der Gladbecker Straße noch immer der blutrote Teppich ausgerollt.

Während ich diese Worte tippe, liegt der Stickoxid-Wert bei 61, also weit über dem Grenzwert. Wer darüber hinaus glaubt, dass Luft bereits dann als gesund zu bezeichnen ist, wenn Grenzwerte unterschritten werden, liegt falsch. Dr. Barbara Hoffmann (Umweltmedizinerin am Universitätsklinikum Düsseldorf) erklärte jüngst im WDR, dass Krankheitseffekte auch bei Werten unter 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft zu erkennen sind.

Diabetes, Atemwegserkrankungen, Herzkreislauferkrankungen und der Tod

Mehr als 400 000 Diabetes-Erkrankungen ließen sich laut einer Studie aus dem Jahr 2018 auf Stickstoffdioxid in der Außenluft zurückführen, bei Atemwegs-Erkrankungen sieht es ähnlich aus. Trotz höchst alarmierender Ergebnisse, scheint die Krankheitslast immer noch unterschätzt zu werden.

Wie sieht es konkret aus auf der Gladbecker Straße?

Während im ersten Quartal des Jahres 2020 der NO2-Mittelwert bei 28,33 lag, liegt er im Vergleichszeitraum 2021 bei 34. Und man kann es nicht oft genug sagen: Menschen atmen keine Mittelwerte ein. Hier atmet in diesem Moment ein Kind giftigstes Stickoxid ein. Noch katastrophaler sieht es übrigens bei den Feinstaub-Werten aus: Mit 16 Überschreitungstagen (Stand heute), ist die Gladbecker Straße unrühmlicher Spitzenreiter der NRW-Liste.

Warnung der Fachgesellschaft der Lungenärzte

Bereits vor Jahren warnte Joachim Heinrich, Professor am Deutschen Zentrum für Lungenforschung, davor, entlang viel befahrener Straßen spazieren zu gehen oder Rad zu fahren. Aufgrund der immer noch existierenden Überschreitungen heißt das übersetzt: Bürger sollten ohne Blick auf die aktuellen Werte auf der Gladbecker Straße weder spazieren gehen, noch Radfahren.

Das oft heuchlerische und hilflose Tun der Essener Politik

Jüngst war in der WAZ über eine geplante Umgehungsstraße in Vogelheim zu lesen:
„Eine vierspurige Straße entlang eines Altenheims und eines Kindergartens zu bauen halte ich nicht für durchdacht“, erklärte Kirchner in der Sitzung der Bezirksvertretung. Unterstützt wurde er von Markus Spitzer-Pachel (Die Grünen), der beklagte, dass die Anwohner an der Welkerhude eine „Feinstaub-Schwerlasttrasse“ vor die Tür gesetzt bekämen.“ Bravo, alles richtig, jedoch kein einziges Wort zu den Ist-Zuständen im Essener Norden, insbesondere auf der Gladbecker Straße, wo LKW und PKW Tag für Tag in der Nähe von Kindergarten und Schulen rasen können, wo Menschen 24 Stunden die Folgen der politischen Unterlassungen tragen müssen. Es wäre jetzt an der Zeit, den Essener Norden als Gesamtes zu sehen und zu erkennen, dass es nie zu Verbesserungen kommen wird, solange wir ungezügelt Verkehrsmassen in den Norden ein- und ausströmen lassen und so tun, als würden wir im Klein-Klein-Denken etwas Positives schaffen können. Zu viele Fahrzeuge bleiben zu viele Fahrzeuge und Politiker sollten sich endlich die Frage stellen, warum überhaupt sie schweigend Transit-LKW-Massen in der Stadt zulassen? Davon hat hier niemand etwas.

SPD und Grüne müssen jetzt Farbe bekennen

Für eine gute Entwicklung im Essener Norden sollten SPD und Grüne nun endlich Tatsachen schaffen. Ihrem mündlich längst geäußerten NEIN zum A52-Ausbau muss eine Ratsentscheidung folgen, erst dann wird eine, für die meisten kaum vorstellbare, Flächenentwicklung im Essener Norden möglich. Alles andere würde den „Status des Stückwerks“ verstetigen, der Norden bliebe zerrissen und weiterhin kämpfen die Menschen aus den „halbwegs gesunden, schönen Ecken“ gegen die aus den jahrzehntelang ignorierten Bereichen.

Politiker sollten sich hüten, laut von Verbesserungen zu reden. Die Luft in Essen ist an vielen Stellen giftig und dem Gesundheitsschutz der Bürger wird weiterhin nicht Rechnung getragen. Das Beispiel „Gladbecker Straße“ sollte als Mahnung gesehen werden: Es ist zu laut, es ist zu giftig, es wird weiterhin Kranke und Tote geben.

Es reicht nicht mehr aus, die Bewohner der Gladbecker Straße taktisch in eine Schmuddelecke zu stellen und ihnen arrogant einen Umzug ans Herz zu legen.
Für die Zustände und das Verhalten einiger Verkehrsteilnehmer auf dieser Straße sollte sich ganz Essen schämen.
Anstatt sich der großen Schweigemasse anzuschließen, wäre es an der Zeit, sich solidarisch mit denen zu erklären, die aus der Gladbecker Straße einen lebenswerten, gesunden Ort machen wollen, einen Ort, der auch optisch eine schöne Anmutung bietet. Einen Ort mit PKW- und LKW-Fahrern, Spaziergängern und Radfahrern, die gesund durchs Leben kommen und gegenseitigen Respekt, Achtung und Mitgefühl zeigen. Einen Ort, an dem Recht- und Ordnung endlich umgesetzt wird. Einen Ort, an dem der Gesundheitsschutz der Menschen nie wieder ignoriert und mit Füßen getreten wird. Einen Ort, an dem Gesundheitsschutz überhaupt erstmal einzieht.

Autor:

Susanne Demmer aus Essen-Nord

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

19 folgen diesem Profil

2 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.