Die Schlacht am Wasserturm
Der Kapp-Lüttwitz Militärputsch von 1920 - seine Nachwirkungen über ein Jahrhundert hinweg
Informationen und Hintergründe zum republikfeindlichen Kapp-Lüttwitz –Militärputsch vom 13. März 1920 werden im Gegensatz z.B. zum gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 nicht regelmäßig zu den runden Jahrestagen öffentlich erörtert. Dabei bewirkte der vor 100 Jahren zwar nach wenigen Tagen zusammengebrochene Kapp-Lüttwitz-Putsch doch wesentliche Spaltungen gegen den früheren Zusammenhalt der eigendlich gut organisierten und mächtigen Arbeiterbewegung in Deutschland.
Die moralischen Rechtfertigungen für den bewaffneten Widerstand aus der Arbeiterbewegung heraus, das eigenmächtige Verhalten des Militärs gegenüber der gewählten Regierung, wie auch die Macht von politischen Streiks, machen diese Kämpfe scheinbar auch nach hundert Jahren noch zu einem derartig heißem Eisen, dass der Kapp-Putsch lieber hinter alten Buchdeckeln verschwinden soll. Auch die Bundeszentrale für politische Bildung hat das Thema selbst zum 100. Jahrestag 2020 nicht zu besonderen Veranstaltungen oder Veröffentlcihungen herausgefordert. Nun ist diese Bundeszentrale natürlich auch seit vielen Jahren nicht gerade der Hort progessiv er Geschichtsauseinandersetzung, sondern fest in konservativer Hand.
Die Auseinandersetzung mit dem rechten Militärputsch von 1920, der Deutschland schon 13 jahre hätte zu einer autoritären Diktatur werden lassen, bleibt aktuell. Bis in unsere Gegenwart hinein liefert die Analyse dieser Kämpfe im März/April 1920 spannende Erkennnisse darüber, wie wichtig unverrückbare Grenzen für den Entscheidungsspielraum des Militärs gegenüber der gewählten Politik sein müssen.
Erst mit dem Generalstreik gegen diesen Putsch war die Macht der gewählten Regierung wieder herzustellen. Die Nachwirkungen dieses rechten, antidemkratischen Militärschlags kosteten trotzdem im März, April und Mai 1920 in Deutschland an die 2500 Tote.
Insbesondere im Ruhrgebiet waren aber im Frühjahr 1920 die Kämpfe zwischen den rechten Militärs und der sich in einer „Roten Ruhrarmee“ bewaffnenden Arbeiterschaft besonders opferreich auch unter Zivilisten in betroffenen Arbeitersiedlungen.
Die Coronapandemie verhinderte im letzten Jahr viele vorbereitete Veranstaltungen, die den 100. Jahrestag dieses Militärputsches zum Anlass für tiefergehende Debatten und auch bloße Wissensvermittlung nehmen wollten.
Mit einer abschließenden Sendung im Bürgerfunk von Radio Essen soll am Montag, dem 19. Juli (Sendezeit 21.04 – 21.55 Uhr) mit einem Vortrag des früheren Liters des Essener Stadtarchivs, Klaus Wisotzky, an die blutigen Auseinandersetzungen erinnert werden, die sich in unserer Stadt nach dem Kapp-Lüttwitz-Militärputsch vom 13. März 1920 entwickelten. Damit haben wir in sechs Radiosendungen ausführlich zu verschiedenen Aspekten dieser frühen Phase der Weimarer Republik und ihrer Bedrohung durch antidemokratische und durchaus auch bereits faschistische Kräfte Stellung nehmen können.
Auserzählt ist die diese kurze, aber wichtige geschichtliche Phase unserer Region damit aber noch lange nicht
Historischer Aufriß - Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920
Der von republikfeindlichen Militärs wie Walter von Lüttwitz, Erich Ludendorff oder Herrmann Ehrhardt, dem Kommandeur der berüchtigten Marinebrigade Ehrhardt als ziviles Aushängeschild vorgeschickte eher unbedeutende Politiker aus Ostpreussen hieß Wolfgang Kapp. Seine Deutsche Vaterlandspartei hatte sich im Kaiserreich während des ersten Weltkriegs als Verfechterin besonders aggressiver deutscher Kriegsziele einen Namen gemacht. Er selbst war 1918 in der Schlussphase des Kaiserreichs noch kurzzeitig auch Reichstagsabgeordneter.
Als selbsternannter Reichskanzler hatte er sich im März 1920 gerade 100 Stunden im Amt halten können. Ein am 15. März 1920 wirklich umfassender Generalstreik im deutschen Reich hatte ihn und die seine Putschregierung stützenden Militärs bereits nach 4 Tagen zur Aufgabe gezwungen. Das führte insbesondere bei uns im Ruhrgebiet aber noch lange zu friedlichen Zeiten.
Wieder eingesetzte SPD-Regierung schickt Militärtruppen ins Ruhrgebiet
Ab dem 21. März kann es die vorher nach Stuttgart geflohene gewählte Reichsregierung und der Reichspräsident Ebert wieder wagen, nach Berlin zurückzukehren und dort die Regierungsgeschäfte wieder aufzunehmen. Aber auch jetzt nach Flucht der offensichtlichen Putschisten im Militär hat die die verbliebene, noch weitestgehend aus dem Kaiserreich übernommene Generalität und das Offizierskorps Einfluß.
Es besteht die Sorge, dass die aufgebrachte, bewaffnete Arbeiterschaft sich jetzt als Gegenschlag zu große soziale Rechte insbesondere im Bergbau erkämpft.
Kaum republiktreue Reichswehrtruppen unter General von Watter und Berufssoldaten sogenannter Freikorps sind jetzt bereits in Militärzügen zur Besetzung des Ruhrgebiets geschickt worden und sollen die aufgebrachte Arbeiterschaft in Schach halten. Diese Kämpfe, der sich später „Rote Ruhrarmee“ nennenden bewaffneten Arbeiterschaft gegen die der Weimarer Republik feindlich gesinnten Militärs verliefen in den Märzwochen 1920 erfolgreich, bevor die bestens ausgestattete Militärmaschinerie im April das Ruhrgebiet besetzte und mit Standgerichten und willkürlichen Erschießungen im sogenannten „Weissen Terror“ füran die 1500 Tote in unserer Region für (Friedhofs)Ruhe sorgte.
Auf der Internetseite des Medienzentrum Ruhr e.V. "www.ruhrkampf1920" sind weitere Artikel zu lesen und Interviews zum Thema zu hören.
Autor:Walter Wandtke aus Essen-Nord |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.