Altenessen - Nur Asylstandorte oder Wohnraum für alle?
Gerade las ich in der WAZ, dass viele neue Asylstandorte in Essen durch die Prüfung gefallen sind. In Altenessen-Süd sieht es anders aus. Nahezu problemlos scheinen hier in Kürze die Bagger mit ihrer Arbeit zu beginnen. Hier redete man nicht über Landschaftsschutz und es gab keine lauten Demonstrationen. Eine trügerische Ruhe?
Wieviel Bauten werden es denn nun?
Es ist zu lesen, dass neben der längst bekannten Planung im Bereich Bäuminghausstraße/Hövelstraße auch der riesige Bereich an der Liefeldstraße bebaut werden kann. Nicht vergessen werden darf ein Bauprojekt, dass wohl schon lange in der Schublade der Verwaltung schlummert und vielleicht jüngst aufwacht: Der Bereich an der Erbslöhstraße/ Ecke Berthold-Beitz-Boulevard. Dieser wird zurzeit zwar nicht in Zusammenhang mit Flüchtlingsunterbringung gebracht, jedoch sorgen sich viele Bürger, dass hier durch die Hintertür genau nur der Wohnraum geschaffen wird, den neue Mitbürger so dringend benötigen.
Multi- oder Mono-Kulti-Planung?
Während die WAZ im oben genannten Artikel lediglich über Asylstandorte schreibt, so stellt sich doch der Bürger die brennende Frage nach der Nutzungsmischung neuer Häuser. Gibt es bereits Konzepte und Veträge zur sozial ausgewogenen Mischung der Neubelegung? Welche Strategien gegen Ghettoisierungen liegen auf dem Tisch? Wer hat hier das Zepter in der Hand und wie lange gelten städtisch verordnete Nutzungsmischungs-Regelungen?
Wie realistisch ist eine "gute Bewohner-Mischung"?
Drei Ruhrpott-Rentner (zwei mit Grundsicherungsansprüchen) wohnen zusammen unter einem Dach mit einem in Süddeutschland geborenen Bankfilialleiter, einem libanesischen Bäckerlehrling, einem Kunststudenten aus Afghanistan, neun Langzeitarbeitslosen aus aller Welt, einer alleinerziehenden Mutter mit drei Kindern, fünf sucht-, psychisch- oder physisch kranken Menschen, 20 neu angekommenen Syrern unterschiedlicher Religionen und einem Hausmeister aus Kamerun. Mir gefällt die Vorstellung eines Mehrgenerationenhauses, in dem man friedlich miteinander und nebeneinander Inklusion lebt. Wenn jedoch aus der schönen Vorstellung Realität werden soll, braucht es mehr als idealistische Träumereien. Es sind vor allem die Menschen, die sich entscheiden müssen, so leben zu wollen. Und das kann man staatlich nicht verordnen.
Ist eine Ghettoisierung zu verhindern?
Ganz klar: Ja! Und zwar dann, wenn man davon abrückt, viel zu viele Menschen aus einem Land-, bzw. Kulturkreis auf einen Fleck zu verorten. Leider sieht die Essener Planung anderes vor und so bleibt die Sorge der Bürger um eine Ghettobildung berechtigt bestehen.
Parallelgesellschaften , Problemhäuser und uralte Probleme
Der negativ besetzte Begriff "Roma-Häuser" ist den Altenessenern bekannt. Im Alltag spüren viele das, was andere nur aus der Theorie kennen: Das tägliche Erleben einer Parallelgesellschaft, Müllchaos, Ratten- und Ungezieferplagen vor der eigenen Tür, das Scheitern eines Zusammenlebens mit den Nachbarn. Es gibt im Norden eben Beides: Gelungene Integration und krachend gescheiterte! Der O-Ton einer Altenessenerin: "Die Libanesen von nebenan wollten nie Kontakt knüpfen. Und jetzt schicken die mir Syrer? Die sollten mal auf Anfang schalten und wenn sie das gelöst haben, können die Syrer gerne kommen. Das wäre gut für mich, aber auch gut für die Syrer."
Das schöne Altenessen- demnächst Boomtown?
Wer mit offenen Augen durch Altenessen spaziert, sieht viele wunderschöne Fleckchen und trifft auf Unmengen wunderbarer Menschen. Hier gibt es ein enormes Potenzial für eine wohn- und lebenswerte Stadt. Wenn Altenessen aufwärts streben will, muss in diesen Tagen äußerst feinfühlig mit Bauprojekten umgegangen werden.
Viel zu viel ist noch zu schaffen in puncto soziale Altlasten. Wer auf Kosten ökonomisch schwacher Gebiete die Antworten auf Flüchtlingsfragen schnell beantwortet sehen will, baut auf wackeligem Grund.
Wer neue Häuser bauen will und proklamiert, dass hier "Wohnraum für Alle" entstehen soll, kann nicht nur einen fadenscheinigen Belegungsquoten-Mix fürs Gelingen anführen oder hoffen, dass der Markt schon alles regeln wird. Das reicht nicht! Im schlimmsten Fall gibt es dann eine Wanderung längst armer Menschen aus maroden Wohnungen in neue subventionierte Gebäude und so bleibt die sorgenvolle Frage: Wer zieht denn dann in den Altbestand? Man hat in Altenessen eben so seine Erfahrungen...
Die Ballungsräume müssen Druck ablassen
Der Druck auf die Ballungsräume beim Thema "Flüchtlinge" wird unterschätzt.
Um einer Ghettoisierung und der Bildung von Parallelgesellschaften vorzubeugen, müssen insbesondere die Stadtteile in den Fokus rücken, die einen Nährboden für diese negative Entwicklung bieten. Wer auf diesem Boden blindlings und konzeptlos baut, verbaut fahrlässig die Chance auf eine gute Zukunft aller.
Am Rande: Auch nicht bebaute Flächen in Altenessen haben meiner Meinung nach einen großen Nutzen für die betonierte Ballungsraum-Gesellschaft. Es sind Ruhe-Oasen, naturgewachsene Landschaften, Frischluftschneisen oder Kleingärten, also alles schützenswerte Landschaften, die uns in Zukunft vielleicht sehr fehlen werden.
Autor:Susanne Demmer aus Essen-Nord |
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