ABC – Altenessen Beton Chaos

Altenessen wird vor die Wand gefahren | Foto: Bild von Danielle Tunstall auf Pixabay
  • Altenessen wird vor die Wand gefahren
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Altenessen wird erdrückt von sozialen Problemlagen. Altenessen erstickt im Verkehr.
Altenessen fehlt es an Menschen, die aufstehen und das einfordern, was im Süden der Stadt Usus ist: Eine bürgerfreundliche Stadtplanung.

Offenen Auges planen Politik und Verwaltung weiter am verkehrlichen Supergau für den kompletten Essener Norden. Es gibt keine Vision und kein Ziel, wo man hin will, es gibt keine transparenten Verfahren, die den Nord-Bürger so einbinden, dass er sich als aktives, wertgeschätztes Mitglied einer Stadt empfinden kann. Kurz gesagt: Es gibt keinen Plan, keine „Formel für den Norden“, die Abwärtsspirale dreht sich weiter und das womöglich sogar schneller als je zuvor.

Das Skandalöse: Diese Vorgehensweise hat Tradition und der Süden bleibt der ewige Gewinner. Im Süden wird die Frage „Wie wollen wir leben?“ ausführlich behandelt, im Norden dominiert augenscheinlich eine zementierte Antwort auf alle Fragen: BETON! Darin befindet sich dann aber kein Krankenhaus, ein Museum oder ein Kino, nein, das ist Beton, wo Menschen irgendwie wohnen und integrieren sollen. Wie gut so etwas klappt, kann man an den Bauprojekten des letzten Jahrzehnts sehen. Der ein oder andere mag eine schöne Wohnung gefunden haben, mehr ist nicht passiert. An Armut, Kriminalität oder dem schlechten Image hat sich nichts geändert. Nichts. Lediglich die „sozialpädagogisierte Projektitis“ wächst und wächst, genauso wie das inflationäre Nutzen des Wortes "Leuchtturm". Gesehen hat sie noch keiner, diese vielen versprochenen Leuchttürme.

So tun, als ob

Da es an Investoren fehlt, greift man in Altenessen nach jedem Strohhalm, auch wenn er im übertragenem Sinn aus toxischem Plastik ist. Eine Analyse, warum es an Investoren fehlt und was der Ist-Zustand mit politischen Entscheidungen der Vergangenheit zu tun hat, wird nicht ernsthaft debattiert. Woanders hat man längst begriffen, dass es allerhöchste Eisenbahn ist, Lebensräume anders zu denken, neu zu planen. Im Essener Norden jedoch beschweigt man beharrlich die Fehler der Vergangenheit, setzt unbekümmert naiv auf ein „Weiter so“, frei nach dem Motto „Hauptsache, es sieht so aus, als würde überhaupt etwas passieren“.

Im Raum stehen nun zahlreiche Wohnprojekte, die man „einfach mal so“ in den infrastrukturell oft völlig maroden Raum oder auf schützenswerte Grünflächen knallen will. Die Frage nach einem Nutzen wird erst gar nicht gestellt, ebenfalls nicht die Frage, wieviel Wohnraum wirklich benötigt wird. Es gibt keine Antworten auf die Frage, ob eine Stadt überhaupt wachsen muss und auch das Thema „Leerstand“ wird nicht aufgegriffen. Genauso wenig redet man über gravierende bauliche Fehler, wie sie zum Beispiel „Am Alten Schweinemarkt“ passiert sind. Der Satz „Mit Altenessen kann man so etwas machen“ fällt nur hinter vorgehaltener Hand.

Die verschwiegene Chance auf eine positive Flächenentwicklung

Am Horizont winkt nun ein Verkehrstsunami durch das Projekt „Freiheit Emscher“ und weitere Bebauungen in einem Stadtteil, der die hässliche Fratze der Verkehrüberschwemmungen schon heute kaum mehr (er)tragen kann. Schon lange leiden Bürger stumm unter diesen Lasten, um dagegen aufzubegehren, sind sie jedoch zu kraftlos. Armut macht kraftlos, Krankheiten machen kraftlos, fehlende Bildung macht kraftlos, fehlende Identität macht kraftlos: Die Folge: Eine umfassende Ohnmacht. Es gibt in Altenessen so viele Zusammenhänge, die den Stillstand, den Bürgerfrust und die Resignation verstetigt haben, aus diesem Dilemma kommt der Norden nicht alleine raus. So wird der Nordbewohner zum Spielball von Kräften, die Geldmaximierung, aber nicht das Wohl des Bürgers im Visier haben. Flankiert wird das ganze Trauerspiel von einem unseriösen Märchen, mit dem man den Nordbewohner seit Jahrzehnten (!) hinhält und mundtot macht: Eine Autobahn als Retter. Kein Politiker hat den Mut, laut zu verbreiten, wieviel Flächen frei werden würden, wenn man das utopische Projekt endlich begraben würde. Genau das wäre jedoch die Chance auf eine positive Flächenentwicklung in ungeahntem Maße.

Jüngst hatte ein Ratsherr der SPD die Nase voll und bezeichnete das Vorgehen von CDU und den Grünen als „Schmierentheater“. Ratsherr Martin Schlauch hat mit seiner wütenden Aussage im Ratsausschuss für Stadtplanung und Bauen den Nagel auf den Kopf getroffen. Angesichts der tatsächlichen Lage im Essener Norden und den Zukunftsaufgaben, kann man noch einen drauf setzen: Hier wird ein Schmierentheater einer unsäglich schlechten Laienschaupielertruppe präsentiert, denn kein Profi würde es im Jahr 2021 zulassen, noch mehr ungezügelten Verkehr in den Norden zu beschwören. Profis hätten längst ein Verkehrskonzept für den gesamtem Essener Norden eingefordert und präsentiert.

Moratorium für Altenessen

Altenessen braucht ein Moratorium, eine Bedenkzeit, in der die offensichtlichen Probleme in den Fokus gerückt werden. Alles andere wäre fahrlässig und dumm zugleich. Man würde den Norden erneut willfährig als Versuchskaninchen missbrauchen und im Falle des Scheiterns sähe es so aus wie eh und je: Man überlässt dem Bürger das Chaos und sich selbst und schweigt.
Und falls es doch ein Nordbewohner wagt, das Wort „Nord-Süd-Gefälle“ auszusprechen, werden halt noch ein paar Sozialarbeiter losgeschickt. So dreht sich das Rädchen verfehlter Stadtplanung immer weiter und Altenessen wird mit Ansage vor die Wand gefahren. Einen Airbag für die Bürger des Essener Nordens gibt es nicht.

Autor:

Susanne Demmer aus Essen-Nord

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