Mehr Licht: Essener Förster setzen Konzept "Erholungs-Dauerwald" um
Wald, so scheint es, ist auf jeden Fall von Dauer, solange nicht einer wie Kyrill des Weges kommt. Aber hinter dem Begriff Dauerwald steckt ein ganz eigenes Konzept. In der Kombi „Erholungs-Dauerwald“ wird es in den Essener Forsten umgesetzt. Ohne Fällungen geht das aber nicht.
Bei diesem Konzept und seiner Umsetzung lässt sich die Stadt von Volker Dubbel begleiten. Er ist promovierter Professor für Waldschutz und Waldbau der Fakultät für Ressourcenmanagement an der Hochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen (was ein Längenrekord unter Funktionsbeschreibungen sein könnte).
Seit 2005 berät er in Essen, denn seinerzeit entschied die Stadt nach ausführlichen Diskussionen auch mit den Bürgern, das Erholungs-Dauerwald-Konzept anzugehen. Es kombiniert die beiden Aspekte, die den Bürgern die wichtigstens sind und ist - so der Essener Förster Tobias Hartung - „der ökologischste Waldbau in Mitteleuropa“.
Ökologisch bedeutet nicht etwa, der Natur freien Lauf zu lassen, denn dann, weiß Volker Dubbel, würde sich letztlich die Rotbuche durchsetzen. Das ist nicht die mit den dunkelroten Blättern
(= Blutbuche), sondern jener grüne Baum, der einen großen Teil der Essener Wälder ausmacht.
Die Alleinherrschaft soll er aber nicht bekommen, vielmehr wünschen sich Bürger wie Forstleute eine möglichst hohe Artenvielfalt. Die ist zum Beispiel auch sturmfester als Monokulturen es sind.
Wie aber kommt man nun zum Erholungs-Dauerwald? Nicht ganz ohne zu fällen, wie sich derzeit auch am Hallo zeigt, und zwar auf beiden Seiten der Langemarckstraße. Dicke, alte Bäume bilden ein „Gerüst“, unter dessen Schutz der Nachwuchs hochkommen kann. Das kann er, weil „Förster die Lichtzufuhr steuern“, sagt Dubbel.
Wer genau hinschaut, kann sehen, welche Bäume in den zu bearbeitenden Flächen das Gerüst bilden. Es sind jene mit dem orangefarbenen Kringel. Meist befinden sich in der Nähe solche mit orangefarbenen Punkten, denen droht die Säge. Es sind einzelne Bäume auf eher kleinen Flächen, die herausgenommen werden. Mit dem Ergebnis, dass mehr Licht auf den Waldboden fällt und alle Sämlinge eine Chance haben, nicht nur jene der Rotbuchen, sondern auch etwa Ahorn und Esche.
Im Licht der Frühjahrssonne recken sich Mini-Bäume gen Himmel. Immerhin schon sechs Jahre alt ist ein Ahorn, dessen Stämmchen, dünner als ein Bleistift, es auf etwas mehr als einen halben Meter Höhe bringt. „Nachhaltigkeit auf kleiner Fläche“, nennt der Professor das Vorgehen. Wobei es in Essen 1.700 Hektar öffentlichen Waldbesitz gibt und dazu 1.000 Hektar Privatwald.
Ökologie und Erholung spielen also die Hauptrollen im Essener Waldkonzept, von Ökonomie ist eher am Rande die Rede. Mit einem Wald, wie wir ihn hier haben, können sich Kosten und Ertrag allenfalls die Waage halten. Das allerdings tun sie, betont Förster Tobias Hartung.
In einiger Zeit wird Volker Dubbel zu einem zweiten Beurteilungstermin ins Ruhrgebiet kommen. Er ist optimistisch: „Wir sind auf dem richtigen Weg.“
Schnell wird das alles jedoch nicht ablaufen, denn eines können die Förster nicht beeinflussen: die Wachstumszeit der Bäume. „70 bis 80 Jahre vergehen, bis es so ist, wie man will“, weiß der Essener Experte Armin Wuttke, der auch für den nördlichen Stadtbereich zuständig ist. Weshalb man „Imaginationsfähigkeit“ braucht: Der Förster muss sich vorstellen können, wie sich das, was er jetzt tut, in Jahrzehnten mal auswirkt - Klimawandel inclusive.
Sehen wird also keiner der jetzt Beteiligten das Ergebnis seiner Arbeit. Und wir auch nicht. Es sei denn, wir wären erst so alt wie der Ahornsämling.
Autor:Sabine Pfeffer aus Essen-Kettwig |
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