Der Weg ist das Ziel

Als Gärtner wird man zwangsläufig Philosoph. Man stellt Fragen, auf die es keine konkrete Antwort gibt: Wieso wächst eigentlich immer alles über den Weg?
Da billigt man den Pflanzen genug Platz zu, sollte man jedenfalls meinen, und dann müssen sie unbedingt das bisschen Freiraum, was man braucht, um als Menschen von A nach B zu gelangen, auch noch beanspruchen.

Weil unbeantwortete Fragen zumal in Medien unbefriedigend sind, hier der Versuch zweier Antworten:

a) Die Pflanze wächst über den Weg... weil da Platz ist. Die weiße Stockrose auf dem Foto z.B. würde normalerweise senkrecht in die Höhe streben. Da haben aber Sommerflieder, Eibe und Tamariske dicht gemacht, also nimmt sie ein Stück weit die Querrichtung.
Als Anschlussfrage könnte man wissen wollen, warum die Stockrose sich aus eigenen Stücken an einer für sie so ungünstigen Stelle angesiedelt hat. Die Antwort würde wahrscheinlich lauten: Weil das Samenkorn es nur bis dahin geschafft hat.
Und daran gemessen, gedeiht sie gar nicht schlecht, trotz der diversen Fußtritte, die sie schon bekommen hat.

b) Die Pflanze wächst über den Weg... weil die Bedingungen da besser sind. Das gilt jetzt eher nicht für die zitierte Stockrose, aber z.B. für einen Thymian. Seine Kollegen auf dem Beet (kalkhaltig, wenig Staunässe) wurden gehätschelt und sahen trotzdem nach den kalten Februarwochen aus, als hätten sie eine Lungenentzündung mit Mühe überstanden.
Etwas abseits hat sich ein Thymian in einer Fuge zwischen Pflastersteinen angesiedelt, und dem ging es schon im März ganz prima, obwohl sich niemand um ihn kümmerte. Vielleicht behagt ihm, dass unter dem Pflaster der Sand ist, also garantiert keine Staunässe. Oder dass die Steine die Sonnenwärme speichern, was ihn über den Februar gerettet hat.

Jedenfalls weiß die Natur einfach immer am besten, wo was gedeiht.
Da soll man nicht zum Philosophen werden.