Zollverein ist am Zug
25 Züge in etwas über einem Jahr wären für einen normalen Bahnhof nicht wirklich viel. Die Strecke hätte die Deutsche Bahn längst stillgelegt. Zollverein ist aber kein normaler Bahnhof, und deshalb wird die Bilanz dort ganz anders bewertet.
Im Juni 2009 hielt eine Dampflok mit passenden historischen Wagen am Weltkulturerbe. Nicht irgendwo, sondern hinter der Kokerei an einem Bahnsteig, der, im Gegensatz zum Zug, nagelneu war. 1,5 Millionen Euro hatten die öffentlichen Hände (vor allem der RVR) ausgegeben, um Zollverein ans Schienennetz anzubinden.
Das blieb nicht ohne Kritik, war es doch viel Geld, zumal nicht lange davor und nicht weit entfernt ein Bahnsteig angelegt worden war: auf dem Zechengelände, wohin der Zug nur um die Kurve fahren muss. „Ja, aber...“ sagten die Verantwortlichen damals und erläuterten, dass der Zechen-Bahnsteig, der schönklingend am Gleisboulevard gelegen ist, mit 60 Metern Länge nur für Triebwagen und Kurzzüge geeignet sei. Dampfrösser samt Salonwagen und Abteilen zweiter und dritter Klasse brauchen mehr Raum.
Hat sich die Ausgabe gelohnt? „Ja“, sagt Barbara Klask vom RVR. Zwar sei das Fahrtenaufkommen im vergangenen Jahr „noch eher mäßig“ gewesen: „Dies lag an den bereits veröffentlichten Programmen der Eisenbahnverkehrsunternehmen, die im Regelfall sehr weit im Voraus ihre Fahrtenprogramme festlegen und Zollverein für 2009 nicht mehr berücksichtigen konnten.“
Die Tendenz sei nun aber steigend: „2010 zeigt eine stetige Zunahme an Sonderfahrten.“ Besondere Veranstaltungen auf dem Welterbe bilden willkommene Anlässe, auch wenn ihr Programm nicht direkt an Dampfloks denken lässt. Die „Promethiade“ etwa, die vor wenigen Wochen stattfand, bestand aus Theater und Film. Nichtsdestoweniger: „Die Veranstalter der Sonderfahrt waren von der Örtlichkeit so begeistert, dass sie Zollverein künftig verstärkt anfahren wollen“, berichtet Barbara Klask.
Grundsätzlich hätten in diesem Jahr noch mehr Züge Station machen können, doch wollen Zugreisende oft nicht nur eine bestimmte Veranstaltung besuchen, sondern die Umgebung kennenlernen, jedoch: „Im Kulturhauptstadtjahr stößt das Welterbe Zollverein an Kapazitätsgrenzen, was freie Führungstermine oder Platzmöglichkeiten in der Gastronomie betrifft.“
Bessere Chancen dürfte es in den nächsten Jahren geben, wenn Essen nicht mehr Kulturhauptstadt ist, aber seinen Bekanntheitsgrad durch diese gesteigert hat. Um das zu nutzen, bleibt der RVR am Zug und hat auf der Tourismusmesse ITB in Berlin für die direkte Anfahrt des Welterbes per Schiene geworben. Daraufhin hätten sich Veranstalter - auch aus dem Ausland - gemeldet. Barbara Klask: „Gespräche laufen zurzeit.“
Autor:Sabine Pfeffer aus Essen-Kettwig |
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