Wiedergewonnene Zukunft auf Carl - Versäumnisse werden aufgeholt

Vor drei Jahren stand mit dem soziokulturellen Zentrum auf Carl ein
Wahrzeichen der Stadt vor dem Aus - durch Missmanagement hatte es sich als
ein Fass ohne Boden entpuppt. Seit 2009 treiben nun die Auf Carl gGmbH und
die Immobilienwirtschaft die Entwicklung des geschichtsträchtigen
Ensembles voran.

Was tut sich auf Carl? Und welche Perspektiven haben sich seit dem
Neustart des soziokulturellen Zentrumsaufgetan? Fragen, auf die das
Essener Bürgerbündnis (EBB) Antworten forderte. Auf einer offenen
Fraktionssitzung wurde nun das Verlangen der Stadtteilpolitiker gestillt.
Hintergrund sind rund 6,7 Millionen Euro, die spätenstens bis 2013 an der
Wilhelm-Nieswandt-Allee verbaut werden sollen. Allein für das Casino
stehen 3,8 Millionen zur Verfügung, davon stammt eine Million aus dem
Konjunkturpaket II. Diese Mittel müssen bis Ende 2011 in der Abrechnung
auftauchen. „Ein enger Zeitplan“, wie Ingo Penkwitt von der
Immobilienwirtschaft zugibt. Doch wofür wird das Geld genau verwendet?
„Drei Millionen sind eine stolze Summe. Dafür ist aber wenig sichtbar“,
merkt Michael Schwamborn, EBB-Fraktionsvorsitzender im Bezirk V, an.

Warum dies so ist, erklärt Auf Carl-Geschäftsführerin Kornelia Vossebein:
„Es handelt sich um eine Instandsetzung und nicht um eine Erneuerung.“ „95
Prozent“ der Maßnahmen, ergänzt Penkwitt, dienten der Erfüllung der
„Brandschutz- und Veranstaltungsverordnung“.

Ein kurzer Rundgang offenbart die gravierendsten Mängel: Freiliegende
Elektrik, dem Brandschutz nicht entsprechende Vorrichtungen,
Räumlichkeiten, die aufgrund ihrer unzureichenden Statik ungenutzt
bleiben. Mängel, die schon längst behoben sein müssten, aber erst vor zwei
Jahren, als die Immobilienwirtschaft im Auftrag der Stadt die
Verantwortung übernommen hat, beanstandet wurden.

Nach und nach werden die Versäumnisse aus der Vergangenheit behoben; und
das im laufenden Betrieb. Energetische und ästhetische Ansprüche stehen
dabei hinten an. Eine „Auffrischung“ der Bausubstanz koste bis zu zwei
Millionen Euro zusätzlich, rechnet Penkwitt vor. Geld, das die Stadt
derzeit nicht aufbringen kann und will.
Friedel Frentrop, Kulturbeauftragter im Bezirk, bleibt skeptisch:
„Brandschutzmaßnahmen sind wichtig. Aber was bringen die, wenn das Gebäude weiter verfällt?“

Dabei hegt die Stadt große Erwartungen an Carl: „Es ist ein Konzept mit
Tradition und Perspektive. In der Szene ist die Zeche Carl überregional
bekannt. Sie wird von den Menschen im Stadtteil nicht nur angenommen,
sondern auch weiterentwickelt und hat somit positiven Einfluss auf den
Bezirk“, erläutert Alfons Wafner vom Kulturbüro.

619.000 Euro war der Stadt das soziokulturelle Zentrum im Jahr 2010 wert -
Fördermittel, die aus dem Kulturetat und Stiftungstöpfen stammen. „Die
Hälfte spielt Carl wieder ein“, berichtet Kulturverwalter Wafner. „Was vor
dem Hintergrund der Neuausrichtung eine starke Leistung ist.“ Unter dem
Strich stehe zwar ein finanzielles Minus. „Doch der Gewinn für Stadt,
Stadtteil und Anwohner lässt nicht in Geld ausdrücken“, ist sich der
Experte sicher.

Dem stimmt auch das Bürgerbündnis zu, kritisch beobachten wird es die
Aktivitäten auf Carl aber weiterhin. Um das Ensemble an der
Wilhelm-Nieswandt-Allee langfristig zu stabilisieren, müsse auch an der
Bausubstanz Hand angelegt werden.
„2015 besitzt die Stadt wieder mehr Spielraum. Dann nämlich schreibt sie
wieder schwarze Zahlen.“, hält Friedel Frentrop abschließend fest.
Diese Hoffnung zerschlägt sich nur wenige Tage später. Inzwischen haben
Oberbürgermeister Paß und Kämmerer Klieve angedeutet, dass die Zinslasten
den Etat-Ausgleich gefährden...

Einen Kommentar zur Situation auf Carl lesen Sie hier: http://www.lokalkompass.de/essen-nord/politik/versaeumnisse-auf-der-zeche-carl-d72008.html

Was bislang passiert auf Carl ist und wo noch Handlungsbedarf besteht -
hier ein Überblick.

Casino:
- Die Stahlträger in der Dachkonstruktion des Lichthofs müssen
ausgetauscht werden. Ingo Penkwitt: „Es hat sich herausgestellt, dass wir
nicht das Dach öffnen müssen.“ Sonst wäre es mit der Sanierung im
laufenden Betrieb - und wohl auch mit der Finanzierung - schwierig
geworden.
- Technik und Elektrik sind bislang ohne jeden Brandschutz und werden
verlagert.
- Die ehemaligen Werkstätten (im ältesten Teil des Gebäudes) weisen
„erhebliche“, statische Mängel auf, eine Nutzung ist derzeit nicht
denkbar.
- In der neuen Kaue (große Veranstaltungshalle) wurden die Grundleitungen
saniert.
- Ein zweiter Fluchtweg - in Form eines Treppenturms - wird noch
installiert.
- hinzu kommen Brandschutzmaßnahmen wie neue Türen, Verstärkung von
Trennwänden, neue Lüftungswege, Abschottung der Geschosse und Räume (bei Rauchentwicklung wichtig).

Malakowturm:
- Nach einem Tragwerkgutachten von 2010 ist die dauerhafte Standsicherheit
gefährdet. Bislang wurden 85.000 Euro für „Kleinigkeiten“ ausgegeben,
eine erste Schadensaufnahme sieht einen Sanierungsbetrag von mindestens
360.000 Euro vor. Penkwitt: „Dabei wird es sicherlich nicht bleiben.
Demnächst werden uns neue Zahlen vorliegen.“ Interessierte Investoren gebe
es nicht.

Kesselhaus:
- Der Schornstein erwies sich als nicht standsicher, der Teilabriss ist
erfolgt. Kostenpunkt: 160.000 Euro.

Pförtnerhaus:
- Das Gebäude, in dem Förderturmhaus und Stadtteilbüro untergebracht sind,
ist undicht. Die Dachsanierung soll bald erfolgen.

Schacht I:
- Die erforderliche Gasdrainage ist nicht vorhanden. Hierbei handelt es
sich um eine reine Vorsorgemaßnahme, große Ansammlungen von Methangasen unter dem Gelände werden nicht vermutet.

Schacht II:
- Die Schachtabdeckung ist erneuert worden.

Steigerhäuser:
- Eine Nutzung ist nicht möglich. Der Abriss kostet 480.000 Euro - auch
weil Fernwärmeleitungen der Evonik direkt am Tragwerk befestigt sind.

Autor:

Patrick Torma aus Essen-Nord

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