Von A bis Z: Die Geschichten hinter den Fotografien
In Museumsarchiven sammelt sich im Laufe der Zeit allerhand an, doch nicht jedes Fundstück endet später mal als Exponat im Ausstellungsraum - vielleicht weil es einfach nicht ins Konzept der Schau passt. Das Ruhr Museum widmet seinen bislang unbeachteten Schätzen eine Ausstellungsreihe. Den Anfang macht das Fotoarchiv.
Die Entscheidung ist dem Team um Fotoarchivleiterin Sigrid Schneider nicht leicht gefallen: Aus einem Fundus von rund 2,5 Millionen Motiven hat es 600 für die Ausstellung „Von A bis Z“. Die fotografische Sammlung des Ruhrmuseums“ ausgewählt. Der erste Teil, sprich die ersten 300 Fotos, ist ab sofort in der Galerie auf Ebene 21 in der Kohlenwäsche zu sehen - von A wie Anfänge bis I wie Inszenierung.
Das Besondere: Die Auswahl der Bilder fügt sich keinem übergeordneten Leitmotiv, im Mittelpunkt stehen vielmehr das Wesen der Fotografie und die Arbeit des Fotoarchivs. „Der Besucher soll ein reflexives Verhältnis zur Fotografie entwickeln“, erklärt Sigrid Schneider. Wie ist das Motiv entstanden? Wie kommen die Fotos ins Archiv? Und wie bleiben Sie erhalten? All dies sind Fragen, die in der Ausstellung beantwortet werden - quasi eine Art „Making-of“ Fotoarchiv Ruhr Museum.
Tatsächlich ist es den Verantwortlichen des Ruhr Museums auch daran gelegen, Arbeiten zu würdigen, von denen der Besucher in der Regel nichts mitbekommt. Das Fotoarchiv auf Zollverein beherbergt immerhin eine der größten Sammlungen der Republik. „Mir ist keine größere Sammlung an einem Museum in Deutschland bekannt“, so der scheidende Direktor Ulrich Borsdorf. „Wir kaufen nicht nur fotografische Highlights an, wir sind vielmehr an Gesamtwerken interessiert“, ergänzt Schneider.
Die Folge: Inzwischen befinden sich ganze Nachlässe und Archive von Fotografen wie Ruth Hallensleben, Willy van Heekern, Josef Stoffels oder Peter Kleu im Besitz des Museums.
In den seltensten Fällen sind die Hinterlassenschaften katalogisiert. So kann es schon mal vorkommen, dass die Arbeit der Archivare vor blauen Müllsäcken beginnt. Manche Nachlässe sind so umfangreich, dass ihre Archivierung bis zu sechs Jahre in Anspruch nimmt. „Und dann gibt es immer noch weiße Stellen“, weiß Sigrid Schneider zu berichten.
Die interessantesten Entdeckungen, abseits der beliebten Motive, hängen nun in der Galerie. Meist erzählen sie von der Suche nach dem optimalen Bildausschnitt: Vom Werbefotografen, dessen Arbeit bis ins kleinste Detail hinein durchkomponiert ist, vom Kriegsberichterstatter, dem die ersten Zerstörungen der Rüttenscheider Kahrstraße im Zweiten Weltkrieg nicht fototrächtig genug sind, oder vom Sportreporter, der verzweifelt versucht, im richtigen Moment den Auslöser zu betätigen, um den Turmspringer in der Bildmitte zu platzieren.
Darüber hinaus ermöglicht die Schau Einblicke in die Foto- und Zeitgeschichte, aber auch in die „Abgründe“ des Fotoarchivs, das so manche Skurrilität birgt: Woher die Fotostrecke von der nackten Dame stammt, die mit einem Skelett interagiert, kann niemand mit Gewissheit sagen.So mag man der Ausstellung vorhalten, dass sie den roten Faden vermissen lässt - doch das hat er nun mal so an sich, der Gang durch ein Archiv.
„Von A bis Z“ ist bis zum 31. März täglich von 10 bis 18 Uhr, ab 1. April von 10 bis 20 Uhr zu sehen. Der Eintritt beträgt zwei Euro. In der zweiten Jahreshälfte 2012 folgt der zweite Teil der Ausstellung. Dann geht es unter anderem um Montagen, Pressefotografie und Manipulationen analoger Fotografie.
200 Jahre Krupp:
Die Sonderausstellung „200 Jahre Krupp“ sollte der Höhepunkt des Museumsjahres werden - nun hat das Ruhr Museum den geplanten Start vom 24. Oktober auf April 2012 verlegt. Ein Grund ist die in Erwägung gezogene Verlängerung der Schau „Krupp. Fotografien aus zwei Jahrhunderten“ in der Villa Hügel. „Einige der Exponate sollen auch in unserer Ausstellung zur Geltung kommen. Bei einer Überschneidung wäre dies nicht möglich“, klärt Direktor Ulich Borsdorf auf. Dass die Ausstellung nun nicht im Jubiläumsjahr der Firma Krupp stattfindet, bedauert er nicht: „2012 ist der 200. Geburtstag von Alfred Krupp.“ Der Titel passt also weiterhin.
Autor:Patrick Torma aus Essen-Nord |
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