Strickguerilla ist im Ruhrgebiet aktiv
Wenn Sie einen Laternenpfahl mit Socke sehen, dann waren sie da - die Mitglieder der Strickguerilla. In Katernberg und inzwischen weit darüber hinaus sorgen sie für Farbtupfer. Allerdings finden viele Passanten die Werke so bestrickend, dass sie sie kurzerhand mitgehen lassen.
Davon lassen sich die Stricker/-innen nicht beirren, sie machen neue. „Wir sind so richtig wollsüchtig“, sagt Kratzbürste. Sie und die anderen arbeiten mit Künstlernamen. Oder sollte man sagen Tarnnamen? Ein bisschen Guerilla muss schließlich sein, sonst könnte man sich auch zum offiziellen Strickclub treffen.
So aber halten ca. 30 Mitglieder ruhrgebietsweit regen, doch nicht fest organisierten Kontakt. Kennengelernt haben sich die Gründungsfrauen 2009 im Fachgeschäft „1rechts 1links“. Inhaberin Andrea Krämer ist keine Guerillera, bekam aber kürzlich ein Geschenk von der Truppe: Vor ihrem Laden an der Gelsenkirchener Straße wurde ein Laternenmast verschönert. Ein Strickgraffito, wie solche Straßenkunst auch genannt wird, angefertigt von Kratzbürste, Utejot und Spinning Chris.
Wer nun denkt, Laternenmast ist einfach, irrt: „Die Arbeit stellte für uns eine besondere handwerkliche Herausforderung dar, denn die Laternen haben Wartungsschächte, die offen bleiben müssen. Das haben wir mit einer pfiffigen, eingebauten Reißverschlusstechnik passgenau gelöst“, erklärt Kratzbürste.
Die Strickbilder, welche die Frauen (und inzwischen auch einige Männer) im Stadtbild hinterlassen, sind meist vielfarbig. Wollreste eben, deren bestmögliche Verwertung seinerzeit mit zur Guerillagründung führte. Das tat auch der Wunsch, „mal etwas Nicht-Nützliches, scheinbar Sinnloses zu machen“. Scheinbar sinnlos, aber offensichtlich schön, was dem Stadtteil gut tut. Katernberg sei ja in weiten Bereichen „eher hässlich“, bilanziert man in der Gruppe bekümmert.
Nicht bloß hübsch, sondern Kunst ist das wache Bewusstsein, mit dem die Stricker/-innen ihre Umgebung wahrnehmen und mittels Wolle, Form und Farbe auf sie eingehen, Akzente setzen und sie ein wenig umgestalten.Das geschah zum Beispiel mit den gelben Kanarienvögeln nahe Zollverein, die wollig beringt wurden, mit Märchenbildern an Laternenpfählen und mit dem gehäkelten „Auge der Fatima“, das muslimische Frauen in der Umgebung von Moscheen anbrachten.
„Alles ist erlaubt, so lange nichts zerstört wird“, lautet das Motto. Privateigentum wird respektiert, ebenso Denkmalschutz, etwa auf dem Welterbe Zollverein. Umgekehrt stoßen die Werke der Strickguerilla nicht immer auf Respekt. Wohl nach dem Motto: „Das gehört ja keinem“, findet so manches gestrickte Kunstwerk neue Eigentümer, die sich seiner ebenso heimlich bedienen, wie seine Macher es angebracht haben.
Manches fällt sogar dem Vandalismus zum Opfer, wie die Arbeit vor „1rechts 1links“. War aber schnell repariert. So leicht geben Guerillakämpferinnen nicht auf.
Autor:Sabine Pfeffer aus Essen-Kettwig |
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