Ruhrtriennale "Earth Diver": Filmbilder aus eisigen Bergwerken
Ruhrtriennale-Uraufführung „Earth Diver“ auf Zeche Zollverein
Auch in seinem zweiten, alles „umschlingenden“ Ruhrtriennale-Jahr widmet sich Intendant Johan Simons den großen Zielen der Aufklärung: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Das große Revier-Festival der Künste ist für die Macher auch die Möglichkeit, an die eigentlich unschlagbaren Argumente menschlicher Kulturentwicklung zu erinnern.
Und dies hier auf höchstem künstlerischen Niveau:
Kultur macht den Mensch zum Menschen, wenn sie fehlt, beginnt die Barbarei. Nicht umsonst haben Diktaturen immer ein besonderes Auge auf die Kunst, manche verbieten sie einfach ganz. Dies war auch Thema der Bochumer Eröffnungsfeier: Literatur, Tanz, Musik und Schauspiel sind immer auch subversiv, wecken Sehnsüchte, entführen aus dem Alltag in glückliche Momente. Und zeigen Alternativen auf. Doch ist die revolutionäre Kraft, die in gemeinsamen, emotionalen Erlebnissen steckt, nur schwer kontrollierbar. Entwickelt auch Eigen-Dynamiken, die zu Recht gefürchtet werden.
"Dem Wahren, Schönen, Guten" verpflichtet
Daher haben sich in der Zeit der Aufklärung ihre großen Geister (wie Goethe und Schiller auch ganz persönlich) dem „Wahren, Schönen, Guten“ verpflichtet.
In diesem Jahr tun dies bei der Ruhrtriennale über 900 Künstler aus über 25 Ländern, die rund 200 Veranstaltungen mit einer ansteckenden Leichtigkeit „stemmen“. Und das in sage und schreibe gleich zwei Dutzend Spielstätten von Duisburg bis Dortmund.
„Earth Diver“ taucht tief in die Erde ein
Die Ruhrmetropole Essen darf sich diesmal auf eine ganz besondere Uraufführung freuen: Ein eigens für die Triennale produziertes Musiktheater-Ereignis wartet sowohl musikalisch als auch optisch mit großen Momenten auf. Und das Ganze an einem Spielort, der einst bei härtesten, menschenfeindlichen Arbeitsbedingungen unter Tage auch für die große Kraft zur Erneuerung durch Kunst steht - bis hin zum Weltkulturerbe. An so einem Ort wirken die Filmbilder von Wim Catrysse aus den eisigen Bergwerken in Spitzbergen doppelt intensiv.
„Earth Diver“ mischt die Musik von Heinrich Schütz aus einem dunklen Jahrhundert, das gerade den 30-jährigen Krieg überstanden hatte, mit heute komponierter Musik von Nikolaus Brass und Texten von Paul Verrept. Dazu singt das großartige ChorWerkRuhr gemeinsam mit Vocalkünstler Phil Minton sich die Seele aus dem Leib. Beim hervorragenden B´Rock Orchestra, unter Leitung von Florian Helgath, nur von der üblichen musikalischen Begleitung zu sprechen, würde seiner tragenden Rolle in dieser Aufführung nicht gerecht. Für Konzeption und Regie zeichnet Wouter Van Looy verantwortlich.
Der Erdtaucher „Earth Diver“ ist auch ein Werk über Krisen und Umbrüche unserer Zeit, die wie die gesamte Menschheitsgeschichte aus einer Aneinanderreihung von Krisen und Katastrophen besteht? Und benötigt „große Oper“ nicht geradezu Ungerechtigkeit für ihre emotionalen, musikalischen Höhepunkte? Doch wenn alles so bedrohlich nahe kommt und Konsequenzen fordert?
Gottvertrauen und Verursacherprinzip
Heinrich Schütz lebte von 1585 bis 1672 und gilt als der bedeutendste deutsche Komponist des Frühbarocks. Seine auch durch das Elend des dreißigjährigen Krieges geprägten religiösen Lieder voller Gottvertrauen spiegeln das eindringlich wider: „Herr, wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erden. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmacht, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und Heil“.
Dazu Vasco Boenisch von der Triennale treffend: „Unsere Krisen sind nicht mehr gottgegeben, kein Grund also, sie vergleichbar passiv zu erdulden. Wir sind auf uns selbst zurück geworfen. Wir sind die Krise und sollen gleichzeitig auch ihr Manager sein. Das ist, obwohl es so naheliegend klingt, neu: klares Verursacher-Prinzip. Bislang haben wir Heutigen uns noch nicht als gute Krisenmanager bewiesen.“.
Und er zitiert auch Benjamin Franklin, einen aufgeklärten Gründervater der USA mit „Erzähle es mir und ich werd es vergessen. Erklär es mir und ich werd es mir merken. Aber binde mich ein und ich werd daraus lernen.“ Viel aufklärerische Freude, viel schöner Götterfunken - beim live musikalisch gestalteten filmischen Erdtauchen auf Zollverein mit bewegenden Bildern aus eisigen Bergwerken Spitzbergens! (cd)
Earth Diver -Termine: 21. / 22. / 23. September um 20 Uhr und 24. September um 19 Uhr im Salzlager, Kokerei Zollerverein, Essen. Einführung 45 Minuten vor Vorstellungsbeginn. Karten (35 Euro, erm. 17,50 Euro) unter: www.ruhr3.com/ear
Autor:Caro Dai aus Essen-Werden |
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