Ruhrtriennale 2014: Matthew Herbert - 20 Pianos

Matthew Herbert

In einer Mischung aus Konzert und Performance verwandelt Matthew Herbert in deutscher Erstaufführung rohe Klangfundstücke in faszinierende elektronische Musik.

Erzählt wird die Geschichte von 20 Pianos, die unterschiedlicher kaum sein könnten.
Herberts hat Bild- und Tondokumente von berühmten und alltäglichen Piano, vom teuersten und von einem verwahrlosten Instrument genommen.
Neben dem Hausklavier der Familie Herbert kommt der Tourneeflügel von Rachmaninow zu Gehör.
Das brandneue Klavier der Firma Steinway erklingt mit glasklarem Ton neben solchen, die wie Herbert es ausdrückt, "getreten und gehämmert wurden, im Schutt steckten, gelebt" haben.
Herbert hat die Klänge historische Klaviere, die von Bach und Mozart oder Gustav Mahler verwöhnt wurden, und solche, die im Besitz der englischen Königsfamilie sind oder in einem Gefängnis stehen, gegeneinander gestellt.
Am meisten schien ihn beeindruckt zu haben, dass das teuerste Piano der Welt, der Steinway von 1970, auf dem John Lennon "Imagine" komponiert hat und das als Friedenssymbol die Welt bereiste , inzwischen als völlig verstimmtes, unbrauchbares Piano unter Plexiglas im Museum gelandet ist und nur noch als Klangkörper dienen kann.

Die fünfteilige Aufführung beginnt mit dem gesampelten Klang der einzelnen Instrument und einer kurzen Erzählung ihrer Herkunft in einem Videoclip. Die Töne der Pianos klingen nicht nur wie ein Klavier, sondern auch wie Stimmen, andere wie Geräusche, wie Trommeln oder Gitarren. Die Stimmen der Erzähler werden als Bruchstücke neu zusammengesetzt, wiederholt, vor und zurück gespielt wie Musik. Beides wird zu einem Klangteppich verwoben. Sam Beste am elektronischen Klavier (er spielte bis 2011 auf den Tourneen mit Amy Winehouse) spielt die Improvisationen zu Twenty Pianos.

An einer elektronisch unterstützten Klaviatur werden die verschiedenen Tasten den 20 verschiedenen Pianos zugeordnet. Mal spielt alt gegen neu, berühmt gegen verstimmt. Es entstehen immer wieder neue Klangteppiche.

Ohne wirklich spürbaren Übergang schließen sich die Teile 2 und 3 an, in denen Sarah Nicolls am Piano brillant mit der vorgetragenen Firmengeschichte der Thürmer-Klaviere und mit der Geschichte eines Kirchenpianos, das in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs getröstet hat, diskutiert. Sarah Nicolls ist eine experimentelle Pianistin, die ihre Aufführungspraxis des klassischen Pianos mit interaktiver Technologie anreichert.

Im vierten, von Sarah Nicolls vorgetragenen Teil, wirken die Töne des brandneuen Steinway-Pianos mit den Klangdokumenten des Rachmaninov Touring Piano zusammen.

Den musikalischen Abschluss bildet eine Version von Steve Reichs "Piano Phase", bei der Sarah Nicolls und Sam Beste alle 20 Pianos wie ferne Erinnerungen auftauchen und wieder verschwinden lassen. Die grandios gespielte Phase wirkte tranceartige auf die Zuhörer und schien sich durch die Ohren ins Gehirn hämmern zu wollen.
Es schien, als hätten sich 200 Jahre Klaviergeschichte in dieser Piano Phase konzentriert. Während die meisten Zuhörer begeistert waren, konnten andere die eindringliche und mit 20 Minuten doch arg lang gezogene Phase kaum aushalten.

Im Anschluss an die Performance folgte die Byte FM Party mit DJ Ingo Sänger und der Möglichkeit zum Gedankenaustausch mit anderen Zuhörern.

Insgesamt war der Abend ein Leckerbissen für Freunde der Avantgarde-Musik.

Autor:

Dorothea Weissbach aus Oberhausen

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