Nicht aus Altenessen wegzudenken: Die Zeche Carl
Wie wichtig den Altenessenern ihre Zeche Carl ist, zeigte sich vor fünf Jahren. Damals schlitterte der Trägerverein in die Insolvenz. Die handelnden Personen, die Carl in die finanzielle Krise geführt hatten, sie waren zu ersetzen, keine Frage. Die Arbeit aber, die musste weitergeführt werden. Der Stadtteil stand nicht nur vor einem kulturellen Aderlass. Sondern vor dem Teilverlust der eigenen Identität.
Dieser Beitrag erscheint in der Jubiläumsausgabe 40 Jahre Nord Anzeiger!
Denn die Zeche Carl ist quasi der Gegenentwurf zu Zollverein: Während das heutige Weltkulturerbe Unterstützung „von oben“ erfuhr, atmet das soziokulturelle Zentrum auf Carl den Schweiß bürgerschaftlichen Engagements.
Man muss sich nur mal vorstellen: Da liegt ein Gelände jahrelang brach. Bereits 1929 wurde die Kohleförderung aufgegeben, die Kokerei 1931. Die letzten passiven Bergbauaktivitäten wurden 1970 eingestellt. Die Stadt weiß mit dem Ensemble nichts anderes anzufangen, als es niederzureißen und durch eine Wohnbebauung zu ersetzen. Die Pläne wurden durchkreuzt. Von belagerungsbereiten Jugendlichen und einem evangelischen Pfarrer! Verrückte Siebziger.
Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Als Pfarrer Willi Overbeck 2009 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wird, reicht er die Anerkennung weiter: „Viele Menschen haben bei der Zeche Carl angepackt, mitgemacht und Idealismus bewiesen.“
Carl atmet den
Schweiß der Bürger
Die 1978 ins Leben gerufene Initiative Zentrum Zeche Carl stößt auf erbitterten Widerstand in der Stadt, muss viel Überzeugungsarbeit leisten. Viele helfende Hände opfern ihre Freizeit, entrümpeln die alten Industriehallen und schaffen einen Raum für die Jugend- und Kulturarbeit. Mit der Unsicherheit im Rücken: Nächste Woche schon könnte sich die Arbeit als verlorene Liebesmüh‘ herausstellen.
Doch die Beharrlichkeit zahlt sich aus: Die Stadt überlässt der Initiative die Räumlichkeiten. Miet- und betriebskostenfrei. Rückblickend lässt sich natürlich darüber streiten, ob der volle Rückzug der Stadt nicht doch zu allzu großer Sorglosigkeit geführt hat. Die Zeche Carl erarbeitete sich einen hervorragenden Ruf als Kultur-, Party- und vor allem Konzertstandort, der Pleitegeier aber wollte sich nie vom Malakowturm verjagen lassen. Bis eben zu jenem Crash im Jahr 2008.
Dass es an der Wilhelm-Nieswandt-Allee trotzdem weiterging, hängt mit dem Idealismus der Gründerjahre zusammen. Auch wenn es in der Ausführung kräftig haperte, die Idee von einem sozialkulturellen Zentrum war richtig.
Dr. Johannes Werner Schmidt war einst als Stadtkämmerer beispielsweise ein ausgewiesener Gegner der Initiative. Heute zeigt er sich geläutert: „Diese Menschen haben enorm Wichtiges für Altenessen geleistet“. Als Kulturbeauftragter des Stadtbezirkes V schließt sich Schmidt „diesen Menschen“ an: Er pflegt ein inniges Verhältnis zu Carl, schlug das Ensemble mit dem wohl ältesten erhaltenen Malakowturm für eine Nominierung auf der Vorschlagsliste zum Weltkulturerbe vor - als Teil der „Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet“.
Der Bund entscheidet frühestens im nächsten Jahr über eine Aufnahme in die Vorschlagsliste, bis zur einer Ernennung können bis zu 15 Jahre vergehen.
Es wäre ein später Ritterschlag für die Zeche Carl.
Autor:Patrick Torma aus Essen-Nord |
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