Interview mit Klaus Maria Brandauer zum Filmstart "Der Fall Wilhelm Reich"

Klaus Maria Brandauer ist Wilhelm Reich. | Foto: movienet
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„Der Fall Wilhelm Reich“ startet ab morgen in den Essener Filmkunsttheatern. Zur Vorpremiere besuchte Hauptdarsteller Klaus Maria Brandauer die Ruhrstadt. Der SÜD ANZEIGER traf ihn zusammen mit Regisseur Antonin Svoboda zum Gespräch.
Svoboda drehte bereits einen Dokumentarfilm über Wilhelm Reich, bevor er sich in einer Kinoproduktion den letzten Jahren des vielfach begabten Psychotherapeuten zuwandte, der unter Freud seine Karriere startete und als ein Pionier ganzheitlichen Denkens gesehen werden kann.
Wilhelm Reich wurden schon zu Lebzeiten viele Bezeichnungen zuteil. Er galt als Visionär, Aufklärer, Provokateur, Rebell, Scharlatan, Wunderheiler und Sexguru. Dabei bemühte er sich Zeit seines Lebens darum, den Mensch als Ganzes zu betrachten.
Zur Zeit des Nationalsozialismus‘ floh Wilhelm Reich vor den Nazis nach Amerika und war auch dort unter der Ära McCarthy großen Anfeindungen ausgesetzt. Seine Bücher wurden verbrannt und die von ihm entwickelten Orgon-Akkumulatoren, mit Metall ausgekleidete Kisten, die Energiefelder verstärken sollten, zerstört.
Bis zuletzt forschte er darüber, was den Menschen ausmacht und entdeckte die von ihm benannte Orgon-Energie. Von seinen Forschungen ließ er sich durch nichts und niemanden abbringen. Er beschäftigte sich zudem mit Krebsfällen und deren Heilung, verhalf unfruchtbar geltenden Frauen zu Kindern und ließ es durch einen von ihm erfundenen Apparat, den„Cloudbuster“, über der Wüste regnen. Wohl mit Erfolg. Auch damalige US-Atomversuche ließen den akribischen Wissenschaftler nicht kalt.
Ein echtes Universalgenie also? Antonin Svoboda, der bereits einen Dokumentarfilm über Reich drehte, erzählt: „Vor allem Reichs letzte Jahre sind bis heute unklar und mysteriös. Sie stelle ich im Film dar. Mich fasziniert an ihm sein ganzheitliches Menschenbild, er sah alles miteinander verbunden. Reich hatte umfangreiche Kenntnisse auch auf den Gebieten der Medizin und der Physik. Er hat in einer Zeit gewirkt, in der viele Weichen gestellt wurden. Interessant wird es vor allem dort, wo er von vielen als verrückt bezeichnet wurde. Wenn es ins Unbekannte geht, sind Menschen schnell dabei, jemanden zu verurteilen.“
Nach der Dokumentation war Svoboda schnell klar, dass er noch mehr über das „Phänomen Reich“ zu erzählen hatte. Sein Wunschdarsteller war Brandauer. Das fertige Drehbuch schichte er ihm zu und hatte Glück: „Es gefiel mir!“ betont Brandauer, „ich hatte mich auch zuvor schon mit Wilhelm Reich beschäftigt. Er war eine faszinierende Persönlichkeit, der auf so vielen verschiedenen Gebieten etwas konnte. Und sicherlich hat er auch heute noch Vorbildcharakter.“
„Jemanden zu umarmen, eine Berührung, so etwas tut uns allen gut, warum also dies nicht in der medizinischen Therapie einsetzen? Reich hat dies getan. Mit Erfolg!“ Seine unorthodoxen Therapiemethoden und seine Ergebnisse auf dem Gebiet der Orgasmusforschung machten ihn später auch zum Leitbild der 68er Generation. Unterdrückte Triebe führten zu Neurosen, konstatierte Reich.
„Reich hat zur Solidarität unter den Menschen aufgerufen“, erklärt Brandauer. „Man sollte sich gegenseitig nicht am Leben hindern.“ Inwieweit hat diese Rolle auch Einzug in Brandauers privates Leben gehalten?
„Wir haben alle im Laufe der Dreharbeiten viel von der Beschäftigung mit Wilhelm Reich mitgenommen.“ Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn Brandauer ist seither im Besitz eines Orgon-Akkumulators. „Als er aufgestellt wurde, ist unser ganzes Haus auf einen geeigneten Platz untersucht worden. Schließlich wurde er dann mitten im Wintergarten aufgestellt - und dort steht er heute noch“

Orgon-Akkumulator im Wintergarten

Brandauer selbst war aber noch nicht drin. „Ich werde dies wohl noch nachholen“, lacht er. Seine Haushälterin wurde im Akkumulator jedenfalls ihre Knieprobleme los: „Kein Scherz!“, attestiert er.
Dann scherzt er aber doch und hebt mit den Knien den Caféhaustisch an und lässt ihn schweben: „Manchmal hat mich Wilhelm Reich übrigens auch an meine Großmutter in Altaussee erinnert, die enorm viel wusste und uns Kinder in langen Wintern unterhalten und uns die Sterne erklärt hat.“
Was wirklich dran ist an Reichs Lehren, lässt sich auch heute nur schwer überprüfen. „Reich war ein Mensch, der mit vielen Koordinaten des Kosmos verbunden war“, so Brandauer.
Wer den Film schaut spürt schnell, dass Brandauer Reich nicht nur spielt, sondern für ganze 110 Minuten Wilhelm Reich ist. Trotz aller Widerstände, auf die der Wissenschaftler stößt, bleibt Wilhelm Reich ein in sich ruhender Mensch, der an seine Theorien glaubt und diese bis zuletzt vertritt. Selbst vor Gericht verzichtet er auf einen Anwalt und übernimmt seine eigene Verteidigung.
„Wir sollten alle viel öfter darüber nachdenken warum wir hier sind“, fordert Brandauer seine Zuschauer auf. Apropos: War er schon hier? Kennt er das Ruhrgebiet? In den 60ern hat er am Düsseldorfer Schauspielhaus gearbeitet. „Hier sind die Berge nicht so hoch“, erinnert er sich.
Mit Halden kann man einen gebürtigen Österreicher aus der Steiermark natürlich nicht locken. Da legt er sich vor der Premiere lieber noch etwas aufs Ohr. Zumal es draußen regnet. Ob er es war mittels Cloudbuster, da man doch immer etwas aus seinen Rollen mitnimmt? Er lächelt auf altbewährte, charmante Brandauer-Art: „Wer weiß...“

Autor:

Petra de Lanck aus Essen-Süd

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