Empfang in C-Dur: Mit Flüchtlingen der Kapitelwiese musiziert hat das Ensemble Ruhr

Trommeln statt Tristesse: Kreativ austoben konnten sich Bewohner der Kapitelwiese im Heimat-Projekt. Fotos: Ensemble Ruhr
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Heimat wird durch Abgrenzung kleiner, durch Teilen aber grenzenlos: Mit diesem Motto gab das Ensemble Ruhr durch einen Kreativworkshop in der Stoppenberger Behelfseinrichtung Kapitelwiese Ende Oktober den Startschuss für die Aktion „Heimat? Ein Musikprojekt mit Flüchtlingen“. Der Workshop ist nur erster Teil eines Dreiklangs, der seine Fortsetzung in einer musikalischen Reise durch mehrere Einrichtungen des Essener Nordens findet und in einem Abschlusskonzert im Maschinenhaus Essen am 20. Dezember gipfelt.

Die einen stehen vor der Frage, ob ihre alte Heimat die gleiche bleiben kann und wie die neue aussehen soll. Die anderen sind aus ihrer gerade erst geflohen und müssen sich nun in einer völlig fremden Umgebung zurechtfinden. „Die Gesellschaft verhält sich da nicht immer eindeutig, ob Deutschland für die Flüchtlinge zur Heimat werden kann“, bemerkt Anna Betzl-Reitmeier, Mitbegründerin des Ensemble Ruhr und Projektleiterin der Aktion „Heimat?“. Idee und Vision des Ensemble Ruhr ist, klassische Musik gerade auch jüngeren Zuhörern auf innovativen Wegen schmackhaft zu machen. Gleichzeitig sieht sich das von den Musikern geleitete Orchester in der Pflicht, aktuelle gesellschaftliche Themen in der künstlerischen Auseinandersetzung in den Fokus zu nehmen – so auch jetzt im Rahmen des Projekts „Heimat?“ die Flüchtlingsfrage.

Kreativer Austausch

Startschuss des dreiteiligen Projekts war ein Workshop im Gemeinschaftsraum der Stoppenberger Behelfseinrichtung Kapitelwiese. Sah der ursprüngliche Plan vor, unter Leitung des Berliner Grafikdesigners Christoph Bebermeier das Plakat für das Abschlusskonzert des Projekts zu gestalten, wandelte sich das Event schnell zu einem Nachmittag des Musizierens, Plauderns und Diskutierens. Der Dialog zwischen Musikern und Flüchtlingen klappt sofort reibungslos, Unterstützung gibt‘s von den Sozialbetreuern der Kapitelwiese, die helfen, auch die letzten sprachlichen Hürden zu nehmen. „Es war ein lebendiges Miteinander“, erinnert sich Cellistin Betzl-Reitmeier.
Das erste Kennenlernen war besonders auf Begegnung ausgelegt, los ging‘s deshalb mit einem Austausch über Musik. Hinterher brachten einige Bewohner selbst Dinge zu Papier, erarbeiteten Collagen oder teilten in Gesprächen ihre Sorgen und Hoffnungen mit. Nicht selten wurde es sehr persönlich, einer der Bewohner berichtet von der Bedeutung der Musik für ihn selbst. Zugleich gaben die Künstler des Ensemble Ruhr den Kindern und Erwachsenen ein Ständchen. Hörten einige der rund 25 Bewohner nur zu, schnappten andere sich sofort ein eigenes Instrument und stimmten ein: „Gerade die Kinder waren hellauf begeistert“, freut sich Betzl-Reitmeier.

Den Ton angeben

Seine Fortsetzung findet Heimat vom 3. bis zum 5. Dezember, wenn sechs Musiker des Ensemble Ruhr mit klassicher Musik durch die Flüchtlingsunterkünfte in Katernberg und Stoppenberg ziehen. Begeistern soll diese Reise fürs Abschlusskonzert im Maschinenhaus Essen am 20. Dezember: „Das ist der Part, wo die Öffentlichkeit ihre Rolle spielt“, kommentiert Betzl-Reitmeier. An frontale Dröhnung haben die Organisatoren dabei nicht gedacht: „Es ist weit davon entfernt, ein klassisches Konzert zu sein“, erläutert die Projektleiterin. „Es ist eher ein musikalisches Fest, dass davon lebt, wie viele Leute daran teilnehmen.“
Schon im Vorfeld wird das Ensemble Ruhr gemeinsam mit Flüchtlingen aus den Einrichtungen ein Konzertprogramm gestalten, das am 20. Dezember auf der Bühne des Maschinenhaus aufgeführt wird. Der Dialog ist gewünscht, deshalb dürfen die musikalischen Einlagen gerne von Gesprächen und Diskussionen unterbrochen werden – in der Planung geben die Teilnehmer den Ton an.

Ganz ohne Taktstock

Das Ensemble Ruhr ist ein Orchester aus der Region für die Region – stolz führt es die Ruhr im Namen. Es ist das einzige professionelle, von den Musikern gemeinsam geleitete und ohne Dirigenten auftretende Kammerorchester im Ruhrgebiet und versammelt ausgezeichnete Musiker, die bereits mit preisgekrönten Kammermusik-Formationen international für Aufsehen sorgten. Besonders am Herzen liegen dem Orchester dabei die jüngsten Zuschauer. Mit regelmäßigen Angeboten, wie Workshops oder Kinderkonzerten, begeistert das Ensemble Ruhr schon von Kindesbeinen an und weit darüber hinaus.

Autor:

Alexander Müller aus Essen-Borbeck

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