Dekonstruierter Dreh
Mit „Spieler der Nacht“ verortet „Endzeit“-Regisseur Sebastian Fritzsch Ende 2014 einen Neo-Noir-Streifen in der authentischen und atmosphärischen Szenerie des Stadtteils Altenessen. Zuschauer können nicht nur auf, sondern auch hinter die Leinwand blicken: Einmal im Monat lädt Fritzsch auf die Zeche Carl ein, um mit einzelnen Mitwirkenden und Gästen übers Filmemachen zu fachsimpeln. Am 28. Oktober zeigt Komponist Rodrigo Lopez Klingenfuss den russisch-japanischen Klassiker Dersu Uzala von Akira Kurosawa.
„Der Abend ist keine Fachveranstaltung, und blöde Fragen gibt es nicht“, regt Fritzsch die Diskussion an. Begleitet der Berlinale-Streifen „Endzeit“ den Überlebenskampf der Protagonistin, dokumentiert der Liebesfilm Spieler der Nacht das Leben einer romantischen Dreier-WG. Problemen folgt soziale Armut, an Ausgrenzung reihen sich Kriminalität und Sinnsuche – existenzielle Momente.
Der Ton bestimmt den Streifen
Fritzsch und Klingenfuss sind alte Bekannte, ausschlagebend für ihre Zusammenarbeit ist ein innovatives Konzept: „Ich habe den Job angenommen, weil Musik und Script zusammen entstehen“, kommentiert der Kölner seine künstlerischen Freiheiten. Gibt sonst der Film den Ton an, können Klingenfuss Stücke das Drehbuch umschreiben. Der gebürtige Argentinier ist ein musikalisches Multitalent: Dirigiert Klingenfuss nicht gerade einen Kirchenchor oder widmet sich der Leitung des wilden Künstlerkollektivs gRoBA, lehrt er an der Filmhochschule Köln Komposition. Das musikgeschichtliche Fachwissen kommt auf Carl zum Einsatz.
Musikalische Urinstinkte
An die Sitze fesseln will Klingenfuss sein Publikum durch Dersu Uzala von Kult-Regisseur Akira Kurosawa. Für den Komponisten ist der Klassiker ideales Beispiel für bewusst ausgewählte akustische Untermalung. Kulturelle Hintergründe und Psychologie spielen in der Wahrnehmung zusammen und erzeugen so musikalisches Empfinden. Die freie Natur in Dersu Uzala durch volkstümliche Hörner zu begleiten, weckt sozusagen Urinstinkte im Zuschauer.
Bei solch tiefen Einblicken besteht am 28. Oktober um 19 Uhr definitiv die Gefahr, dass die Film-Fanatiker völlig von der Rolle sind.
Autor:Alexander Müller aus Essen-Borbeck |
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