"Das Zeitalter der Kohle" - Große Ausstellung zum Abschied von der Kohle auf der Kokerei Zollverein
Nun ist bald Schicht im Schacht. Mit der Schließung der beiden Bergwerke Prosper Haniel in Bottrop und Anthrazit Ibbenbüren geht nach 200 Jahren das Zeitalter der Kohle in Deutschland zu Ende. Das Ruhr Museum und das Deutsche Bergbau-Museum Bochum präsentieren mit "Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte" eine beeindruckende Sonderausstellung in der Mischanlage der Kokerei auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein. Ein spektakulärer Ort für einen würdigen Abschied von der Steinkohlenförderung.
Zum Abschied gibt es sogar noch Premieren: zum einen ist die Ausstellung die erste Gemeinschaftsausstellung des Ruhr Museums in Essen zusammen mit dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, zum anderen ist die Schau die erste europäische Ausstellung, die zum Abschied von der Kohle gezeigt wird. Und die ist erstklassig geworden!
Facettenreiche Ausstellung
Die Ausstellungsmacher haben sich einiges einfallen lassen, um die vielfältigen Themen rund um die Kohle zu beleuchten und die über 1.200 Exponate von mehr als 100 regionalen, nationalen und internationalen Leihgebern und aus den Sammlungen beider Museen wirkungsvoll zu präsentieren. Es ist ein groß angelegter Rundgang durch die Geschichte der Kohle in Europa. Beginnend mit ihrer Förderung und Nutzung bis zum Aufzeigen ihrer vielfältigsten Auswirkungen im Alltag.
Gezeigt werden Bergbaurelikte und schwere Maschinen, Fahnen der Bergarbeitervereine und -bewegungen, Gemälde und Büsten der europäischen Zechenbesitzer, historische Plakate, Fotografien und Filme. Zu sehen ist auch eine historische, 14 Meter lange Wandtapete, auf der der Kohletransport per Eisenbahn von St. Étienne nach Lyon dargestellt ist. Über 3.000 Original-Farbgläser zeugen davon, dass aus Steinkohlenteer synthetische Farbstoffe gewonnen werden konnten. Die fettreiche Kohle wurde zur Seifenherstellung verwendet, sogar Medikamente wie Aspirin konnten gewonnen werden. Laternen und ein riesiger Kandelaber erinnern an die Nutzung der in der Kohle gebundenen Gase. Mit der Kohle kam also auch das Licht.
Im blauen Licht glitzert die Kunstinstallation „Dark Star“ des britischen Künstlers Jonathan Anderson. Der schwebende „Kohlestern“ hat einen Durchmesser von rund 12 Metern und ist aus Fiberglas gefertigt und mit Anthrazitkohlenschicht bezogen. Vom Aussehen unscheinbarer, dafür besonders symbolträchtig ist der aus dem Nationalarchiv Luxemburg entliehene Original- Gründungsvertrag der "Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl" (EGKS), der 1951 u. a. von Bundeskanzler und Außenminister Konrad Adenauer unterzeichnet wurde. Der Vertrag kann als Grundstein der späteren EWG bzw. der EU angesehen werden. Kohle stand als Garant für Fortschritt, Arbeit und Wohlstand, aber auch die dunklen Seiten werden in der Ausstellung thematisiert. So befeuerte der Hunger nach Kohle besonders den 1. Weltkrieg. Die Schattenseiten der Industrialisierung, Klassengegensätze wie Oberschicht und Lumpenproletariat, Grubenunglücke, harte Arbeit und die ökologischen Folgen , die sich aus Abbau und Verbrennung der Kohle bis heute ergeben, werden nicht ausgespart. Bergsenkungen und Wasserhaltung sind z.B. Folgen, die uns auch nach dem Kohle-Ende weiterhin begleiten werden.
Spannender Ausstellungsparcours
Nicht nur die Ausstellung ist spannend, auch der Parcours durch die Ausstellung ist erlebnisreich gestaltet. Die Besucher nehmen den ehemaligen Weg der Kohle von der Zeche Zollverein hinüber zur Mischanlage der Kokerei. Vom Wiegeturm geht´s per Standseilbahn auf der einstigen Bandbrücke in die Kopfstation der Mischanlage. Stoppok singt dazu seine Version des Steigerliedes. Oben angekommen, sollte man dem Dach der Mischanlage einen Abstecher und sich selbst die tolle Aussicht auf die Kokerei gönnen. Danach kann man das größte je im Revier zutage geförderte Kohlestück bestaunen: 7 Tonnen wiegt der aus Prosper Haniel stammende Koloss. Sehr viel kleinere Kohlestücke liegen in Vitrinen und zeigen exemplarisch die weltweiten Lagerstätten.
Der Ausstellungsparcours durchläuft drei Ebenen. Auf der weitläufigen Verteilerebene dreht sich alles um den Bergbau, um die Welt unter Tage. Die ständige Gefahr und die Schwere der Bergwerksarbeit werden anhand zahlreicher Exponate deutlich. Weiter geht es durch das Treppenhaus bergab in die Tiefe der Mischanlage wie in die Tiefe eines Bergwerkes. Der Abstieg wird durch die Installation "Der Weg in die Tiefe" symbolisch dargestellt: es hängen unterschiedliche Werkzeuge, Bohrhämmer und ein Abteufkübel wie ein Mobile im Treppenauge. Was für ein imposanter Ab- und Einstieg in die Bunkerebene!
Die Bunkerebene ist sicher die spektakulärste Ausstellungsfläche. Spannend ist es, die Raumfluchten mehrmals zu durchschreiten und die Exponate immer aus einer anderen Sicht auf sich wirken zu lassen. Im zentralen Bunkerraum hängt die Kunstinstallation "Dark Star". Dieser Raum hat als einziger dieser Ebene keinen eingezogenen Boden und so hängt der "Kohlestern" frei und losgelöst. Großzügige Öffnungen ermöglichen Durchblicke in die umliegenden Bunkerräume. So entstehen spannende Sichtachsen.
Folgt man der Treppe weiter hinunter, gelangt man in die Trichterebene der Mischanlage. Hier wird Höhepunkt und Abschied der Kohle thematisiert. Strukurwandel, neue Energien und ökologische Folgen werden u.a. in den Fokus genommen. Eine Stiege führt zum Abschluss in das Rollenlager. Hier erzählen Menschen von ihrem ganz persönlichen Abschied von der Kohle. Draußen, unterhalb den Bandbrücke, wird die Ausstellung von einem Skulpturenpark mit Maschinen aus dem Bergbau ergänzt.
Die Ausstellung wird von der RAG-Stiftung im Rahmen der Initiative "Glückauf Zukunft!" gefördert.
Es gibt ein vielseitiges Begleitprogramm mit Vortrags- und Filmreihen, Exkursionen und Führungen.
Zur Ausstellung ist ein reich bebilderter Katalog erschienen.
Die Ausstellung läuft bis 11. November 2018
Die Fotos entstanden während der Präsentation. Mehr Infos in den Bildunterschriften. Viel Spaß beim virtuellen Rundgang!
UNESCO-Welterbe Zollverein
Areal C /Kokerei, Mischanlage
Eingang Wiegeturm
Arendahls Wiese
45141 Essen
www.zeitalterderkohle.de
Autor:Andrea Gruß-Wolters aus Duisburg |
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