Geschichtskultur und Grabsteinerneuerung
Aktuelle Ehrung für Kriegsdichter Christoph Wieprecht - Ungereimtheiten
Staatstragender Arbeiterdichter im 3. Reich
Vor mehr als 80 Jahren ist der Arbeiterdichter, Kruppsche Wohnungsaufseher und zeitweilige Laborant, Christoph Wieprecht, am 24. September 1942 gestorben. Unter großer Anteilnahme des NS-Kulturbetriebs im Ruhrgebiet wurde er am 30. September 1942 in einem Waldgrab auf dem Südwest-Friedhof in Fulerum beerdigt. Mittlerweile ist aber nicht nur seine Arbeiterdichtung, sondern auch sein Grabstein sichtbarer Verwitterung ausgesetzt. Wieprechts Nachkommen, wie den Liebhabern seiner Texte, sollte es sicher unbenommen sein, diesen Grabstein wieder ansehnlich zu restaurieren.
Allerding wird dieser Grabstein mit zweitausend Euro aus Mitteln der "Stiftung zur Verschönerung der Stadt Essen" wieder in einen schönen Zustand versetzt. Immerhin, mit den für 2023 voraussichtlichen Stiftungserträgen von 10000 € werden mit 7900 € hauptsächlich der Schillerbrunnen und der Schillerhain in Stadtwald saniert. Das war jedenfalls der Beschluss unter Tagesordnungspunkt 11 des Ausschusses für Umwelt, Klima – und Verbraucherschutz vom 6. Juni. Kritische Nachfragen des grünen Ratherrn Marc Zitan zur NS-Nähe von Christoph Wieprecht änderten nichts mehr am Mehrheitsbeschluß.
Eigentlich ist die Erinnerung an diesen Dichter ja bereits seit 1954 durch eine Strassenbenennung in Katernberg gesichert. Vielleicht ist sein Lobgedicht aus den dreissiger Jahren "Ein Arbeiter an Adolf Hitler" ja auch noch manchen im Gedächtnis geblieben.
2000 Euro für Christoph Wieprecht
2000 Euro aus dem riesigen Stadthaushalt sind angesichts der Milliarden Gesamtschulden unserer Stadt eigentlich keine große Sache. Andererseits gibt es aber Beschlüße des Stadtrats, auch 90 Jahre nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland aufklärende Geschichtsarbeit zu fördern.
Profiteure der Bücherverbrennung
Gerade in diesem Monat Juni jährt sich zum 90 Mal die Bücherverbrennung auf dem heutigen Gerlingplatz. 1933 wurde die Bücherverbrennung organisiert durch den den damaligen nationalsozialistischen Schriftsteller und Stadtbibliotheksleiter Richard Euringer. Schon am 19. Mai 1933 hatte allerdings das Helmholz- Gymnasium mit einer eigenen Bücherverbrennung ( z.B. Ernst Toller, Thomas Mann; Heinrich Mann, Carl Zuckmeyer, Ludwig Renn ) auf ihrem Schulhof vorgelegt.
90 Jahre, nach dem zur Feier der Sommersonnenwende am 21. Juni 1933 in Essen zum zweiten Mal die Bücher missliebiger Autorinnen und Autoren ins Feuer geworfen wurden, gibt es Grund zur kritischen Rückschau auf unsere Erinnerungskultur.
Werke staatsnaher Arbeiterdichter wie Christoph Wieprecht, Heinrich Lersch, von Ernst Jünger oder Gottfried Benn oder andere, die z.B. im Ruhrgebiet in Literaturzirkeln wie "Werkleute in Haus Nyland" zusammengefunden hatten, wurden natürlich keine Opfer der Flammen.
Kein Geld für tote Bergleute & Gewerkschafter
Im Todesjahr von Christopf Wieprecht 1942 starben bei einer Schlagwetterexplosion am 23. Juni auf der Altenessener Schachtanlage Fritz-Heinrich 45 Bergleute. Unter schlechten Kriegsbergbaubedingungen waren versuchsweise neue Abbaumaschinen eingesetzt worden, die zu dieser Katastrophe geführt hatten. Viele Jahrzehnte lang erinnerte auf einem gesonderten Grabfeld des Nordfriedhofs auch eine überlebensgroße trauernde Bergmannsstatue an dieses auch durch den deutschen Angriffskrieg verursachte Unglück. Nach dem Diebstahl dieser Bronzeskulptur vor mehreren Jahren wurde weder durch die Stadt Essen, noch etwa durch die Ruhrkohle AG oder ihre Rechtsnachfolger auf dem Nordfriedhof irgend ein Ersatz zur Erinnerung aufgestellt. Am ehemaligen Standort des trauernden Bergmanns ist nur ein leerer Sockel geblieben, der langsam zuwächst.
August Brust - ein christlicher Gewerkschaftsführer
Ein weiteres Beispiel aus Altenessen:
August Brust, führender Mitbegründer der Christlichen Gewerkschaftsbewegung und bis zu seinen Tode 1924 gewählter Abgeordneter im Preussischen Landtag wurde dort auf dem Nordfriedhof beerdigt. Bis vor wenigen Jahren erinnerten über seinem Grab auf einem großen Findling sowohl eine bronzene Texttafel wie auch aufgesetzte Bronzebuchstaben an sein Lebenswerk. Zuerst die Erinnerungstafel, später dann auch die verbliebenen Buchstaben sind mittlerweile den grassierenden Metalldiebstählen zum Opfer gefallen.
Unsere Stadt Essen hatte leider weder zur Erinnerung an die elendig gestorbenen Bergleute von Fritz-Heinrich, noch an den Gewerkschafter August Brust Mittel übrig. Sicherlich wäre ein Ersatz aus Bronze oder Kupfer schnell wieder gestohlen - künstlerische Arbeiten aus Holz oder Stein, vielleicht eine modern gestaltete Informationstafel hätten aber bestimmt ebenfalls Sinn gemacht.
Braune Flecken städtischer Erinnerungskultur
Eine kurze Information noch – Bis heute haben Heinrich Lersch oder Christoph Wieprecht ihre Straßennamen behalten. Hochgeachtete und bis heute gedruckte Autoren wie Erik Reger , ein Bergarbeiterschriftsteller wie Hans Marchwitza oder ein bedeutender, bis zur NS-Machtübernahme lange in Essen arbeitender Bildhauer wie Will Lammert müssen weiter auf solche Ehrungen warten.
Wer mehr zu den Ehrungen alter Kriegsdichter und Nazifreunde in unserer Stadt erfahren möchte:
Am 19. Juni um 21.04 Uhr gibt es eine ausführliche Sendung in der Bürgerfunkstunde von Radio Essen ( Frequenz 102,2 und 105 UKW oder per Webradio : www.radio-radioessen.de ). Produziert wurde diese Sendung von "Medienzentrum Ruhr macht Radio" unter Nutzung des Sendearchivs der Neuen Essener Welle e.V.
Autor:Walter Wandtke aus Essen-Nord |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.