Dellwig: Ausstellung über ein dunkles Kapitel der Reformation

Martin Luther, wie Lucas Cranach d.Ä. ihn sah. Der Theologe war ein mutiger Reformator - und gleichzeitig ein ausgesprochener Feind der Juden. Pressefoto: Kirchenkreis Essen
  • Martin Luther, wie Lucas Cranach d.Ä. ihn sah. Der Theologe war ein mutiger Reformator - und gleichzeitig ein ausgesprochener Feind der Juden. Pressefoto: Kirchenkreis Essen
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„‘Ertragen können wir sie nicht‘ – Martin Luther und die Juden“ lautet das Thema einer Ausstellung, die die Evangelische Kirchengemeinde Dellwig-Frintrop-Gerschede bis zum 4. November in ihrer Friedenskirche an der Schilfstraße zeigt. Eröffnet wird die Präsentation, die ein besonders dunkles Kapitel der Reformation behandelt, im Gottesdienst am Sonntag, 3. September, um 10 Uhr; die Predigt hält Pfarrer i.R. Dr. Norbert Ittmann aus Hamminkeln. „Zur Erinnerung an den Beginn der Reformation vor 500 Jahren gehört unverzichtbar eine offene Auseinandersetzung mit dieser dunklen Seite Martin Luthers“, erklärt die Gemeinde.

Mutiger Reformator und antijüdischer Kirchenmann

Martin Luther war nicht nur ein genialer theologischer Denker, Liederdichter und mutiger Reformator der Kirche, sondern auch ein vehement antijüdischer Kirchenmann. Zwar wechselt die Tonlage seiner Auseinandersetzung mit dem Judentum im Laufe seines Lebens, doch Luthers Grundhaltung bleibt Zeit seines Lebens dieselbe: Er hält den jüdischen Glauben für verblendet und die Juden – gleich nach dem Teufel – für die größten Feinde des Christentums. In seiner übelsten antijüdischen Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ von 1543 ruft der Reformator sogar ausdrücklich dazu auf, Synagogen und Häuser der Juden zu zerstören, ihre Gebet- und Talmudbücher zu verbrennen, die Juden zu entrechten und als letzte Möglichkeit, sie zu vertreiben. Wie kann Luthers Judenfeindschaft verstanden werden? Kann man sie als Entgleisung bewerten, war sie schlicht zeitbedingt oder weist sie auch auf Grundprobleme der reformatorischen Theologie hin?

Luther kannte keine Juden aus direkten Begegnungen

Natürlich war Luther auch ein Kind seiner Zeit, ein glühender Apokalyptiker. Er hat sich gern in einer Linie mit Johannes dem Täufer gesehen, als Prediger, der auf die Wiederkunft Christi verweist. So hat er lange auf eine große Bekehrung der Juden zum christlichen Glauben gehofft. In seiner Enttäuschung darüber, dass es dazu nicht kommt, zieht er schreckliche Konsequenzen: er brandmarkte die Juden als verstockt, als Menschen, die gegen den Heiland sind, er will ihre Synagogen anzünden und sie des Landes verweisen. Dabei kennt er selbst Juden nicht aus direkten Begegnungen. Zu seiner Zeit lebten in Deutschland nur wenige Juden mit ihren Familien. Luther hat seine „Judenschriften“ also ohne engere Kontakte zur jüdischen Bevölkerung verfasst und sich auch nicht um ein solches Kennenlernen bemüht. Juden sind in keiner Phase seiner Biographie Gesprächspartner gewesen. Seine Kenntnisse über Kultus und Kultur der Juden bezieht er nicht von den Juden selber oder aus ihren Schriften.

Scham und Trauer über diese dunkle Seite und ihre Folgen

So bestimmen Vorurteile sein Denken – mit schlimmen Folgen: Luthers Judenfeindschaft hat in den vergangenen 500 Jahren ihre Spuren in der Theologie und in der Gesellschaft hinterlassen. Im 19. und 20. Jahrhundert wurde sie zur Begründung für theologischen Antijudaismus und politischen Antisemitismus in Anspruch genommen. Heute blicken evangelische Gemeinden mit Scham und Trauer auf diese dunkle Seite im Gesamtwerk Luthers. In seinem Grußwort bei der Eröffnungsfeier zur diesjährigen „Woche der Brüderlichkeit“ erinnerte Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, an die Schuld, die die Evangelische Kirche durch die judenfeindlichen Denkmuster und Schriften Martin Luthers auf sich geladen hat: „Wir bitten um Vergebung für das unermessliche Leid, das, auch im Namen Martin Luthers, unseren jüdischen Schwestern und Brüdern angetan worden ist.“

17 Text- und Bilddaten laden zum Gespräch ein

Die Ausstellung in der Friedenskirche wurde durch das Referat für christlich-jüdischen Dialog der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland konzipiert. 17 Tafeln informieren über Grunddaten der Biographie Martin Luthers, geben einen Überblick über dessen Äußerungen zu „den Juden“, ordnen sein Verhältnis zum Judentum in die Theologiegeschichte ein und stellen nicht zuletzt die Frage, wie wir uns heute diesem dunklen Kapitel der Reformation nähern können. Termine für Besichtigungen, insbesondere für Gruppen, können mit Pfarrerin Anke Augustin, Telefon 0173 2978143, abgesprochen werden. Für ein anschließendes Gespräch kann bei Bedarf ein kleiner Gruppenraum mit bis zu dreißig Plätzen zur Verfügung gestellt werden. Mehr Informationen über die Ausstellung stehen im Internet auf der Seite www.christen-juden.de/medien.html.

Autor:

Stefan Koppelmann aus Essen

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