Noch kein Nachfolger von Christoph Hönig an der Gesamtschule Emschertal in Sicht – Duisburgs Image ein Problem?
Ein Urgestein verlässt das Klassenzimmer
Manchmal öffnen Rückblicke auch die Augen für die Zukunft. Christoph Hönig, langjähriger Schulleiter der Gesamtschule Emschertal (GET) im Norden unserer Stadt, ist jetzt in den Ruhestand gegangen. Er hat eine große Lücke hinterlassen. Wann und wie sie gefüllt wird, steht noch in den sprichwörtlichen Sternen.
Christoph Hönig hat sich immer mit seiner Schule identifiziert, er hat Schule gelebt. Obwohl der eingefleischte Borussia-Fan in Mönchengladbach wohnt, war er auch in Duisburg fest verwurzelt und zuhause. In Neumühl ist er längst eine Institution geworden. Dort an der Albert-Einstein-Straße sind die Jahrgänge 5 bis 10 „seiner“ Gesamtschule Emschertal beheimatet, während die Oberstufe im Gebäude des früheren Clauberg-Gymnasiums in Hamborn an der Kampstraße angesiedelt ist.
Die räumliche Trennung war, ist und bleibt eine große Herausforderung. In den letzten Monaten seines Berufslebens kam die Corona-Pandemie als noch größere hinzu. Das Schuljahr ist beendet, aber Hönig war auch danach noch öfter vor Ort. Wegen Corona konnte keine öffentliche Verabschiedung durchgeführt werden, deshalb nahm sich der engagierte Pädagoge, Mensch und Macher die Zeit, nach dem Leerräumen von Schreibtisch und Schränken noch einige persönliche Gespräche zu führen. Mitstreiter und Weggefährten hat er eine ganze Menge.
"Eine Schule muss
doch verankert sein"
Sein Wohnsitz hat ihn nie daran gehindert, sich im Stadtteil zu engagieren. Nicht selten gab es auch in den Abendstunden Termine und Aktionen, die ihm wichtig waren. „Eine Schule muss im Stadtteil verankert sein. Das ist ein Geben und Nehmen auf Augenhöhe“, stellt er im Gespräch mit dem Wochen-Anzeiger fest. Als sich vor Jahren populistische Proteste gegen die Einrichtung der Landes-Flüchtlings-Ausnahmestelle in den Räumen des ehemaligen St. Barbara-Hospital lautstark formierten, waren Hönig und die Gesamtschule Emschertal mit die ersten, die die Neumühler Erklärung des Presbyteriums der Evangelischen Kirchengemeinde Neumühl unterzeichneten. So gehörte die Schule letztlich auch zu den Preisträgern des für Bündnisses für Toleranz und Zivilcourage, den Hönig in der Duisburger Synagoge mit entgegennahm.
Hönig gehörte gleichermaßen zu den Mahnern und zu den Erneuerern. Schon früh macht er seine Schule zur Inklusionsschule und kooperiert mit der Christy-Brown-Schule, einer Landesschule für mehrfach behinderte Kinder. Immer wieder mahnte er Verbesserungen an und machte sich in mancher Behörde zum unbequemen, aber letztlich erfolgreichen Gesprächspartner. Mit der Aktionsgemeinschaft Neumühler Kaufleute arbeitete er genauso eng zusammen wie mit dem Moped-Club Neumühl.
Die Moped-AG
sorgte für Furore
Schülerinnen und Schuler der GET gestalteten Jahr für Jahr am 1. Mai den Tag der Vereine mit dem Aufstellen des Vereins- und Bürgerbaums mit, schleppten das Neumühler „Wahrzeichen“, gaben kulturelle und musikalische Einlagen. Hönig selbst war Schirmherr des Stadtteilfestes zum 663-jährigen Bestehen des Stadtteils und eröffnete es mit dem traditionellen Fassanstich.
Eine Moped-AG an der Schule machte Furore. Schüler restaurierten ein altes Schätzchen, eine Hercules, und versteigerte sie. Der Erlös kam natürlich der Schule, aber auch der Arbeit der evangelischen Kirchengemeinde Neumühl zugute. Schüler nahmen erfolgreich an Umweltschutz-Wettbewerben der Wirtschaftsbetriebe Duisburg und der Arbeitsgemeinschaft der Duisburger Wohnungsgenossenschaften teil. Die Lehrer, die Eltern und die Schüler sind eine Einheit geworden, die mitten im Leben steht. Auch der Blick über den Tellerrand hinaus war für Christoph Hönig dabei wichtig.
Messlatte für seine
Nachfolge liegt hoch
Hönig hat halt viel bewegt. Die Messlatte für seine Nachfolge liegt dementsprechend hoch. Vielleicht ist das ein Grund, weshalb sich bei der ersten Stellenausschreibung niemand beworben. Bei einem erneuten Versuch gab es eine einzige Bewerbung. Die kam aus der Nachbarstadt Dinslaken. Zum einen mag das etwas mit den stetig gewachsenen, nicht immer nachvollziehbaren Verwaltungsaufgaben eines Schulleiters zu tun haben. Deshalb, so mutmaßt Hönig, habe sich auch niemand aus dem Kollegium um seine Nachfolge beworben, „obwohl“, wie er betont, „einige davon geeignet und qualifiziert sind.“
Zum anderen aber wirft das auch ein Licht auf Image, Rang und den geringen Stellenwert, den Duisburg hat. „Der Ruf ist schlechter als die Wirklichkeit“, sagt er voller Überzeugung. Schon vor einem Jahr hatten die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Duisburger Elternrat auf diese Problematik hingewiesen. Junglehrer und andere Bewerber sollten sich nicht mehr „ihre“ Schule selbst aussuchen könne. Ihr Einsatzort solle nicht länger durch ein „Wunschkonzert“ bestimmt werden. Von NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) werde jetzt erwartet, dass das alte, in den 90er Jahren abgeschaffte „Zuweisungsprinzip“ wieder greifen müsse. „Lehrer müssen nach der Referendarzeit dort eingesetzt werden, wo die Not am größten ist“, bringt es die Gewerkschaft auf den Punkt.
Auch die Stadt selbst könne einen Beitrag leisten, dass sich mehr Lehrer für Duisburg entscheiden. Eine Idee, sei, dass sich Lehrer, die hierher kommen und eine Wohnung bei der GEBAG anmieten, drei Monate lang mietfrei wohnen können. Kostenlose Bus- und Bahntickets ins Spiel oder eine Art „Freizeit- und Kulturpass“. Fazit: Wenn sich die Situation nicht bessere, stünden katastrophale Zustände bevor.
Autor:Reiner Terhorst aus Duisburg |
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