„Augenzwinkernde“ Lesung in Ungelsheim
In einer WG mit Jesus und Luther
„Wie wäre es denn, wenn Jesus mit Martin Luther im Schlepptau eines Tages vor meinem Pastorat stehen würde und bei mir und meiner Frau einzöge?“ Der Hamburger Pastor Jonas Goebel machte aus dieser schrägen Idee eine schräge WG. „Jesus, die Milch ist alle“, heißt der erste Band seiner eigenwilligen Leben-mit-Jesus-Forschung.
„Bei uns gab es das Buch als Weihnachtsgeschenk für das Presbyterium“, begrüßt Pfarrer Rainer Kaspers letzten Freitag im Ungelsheimer Gemeindehaus der Evangelischen Versöhnungsgemeinde Duisburg-Süd die Gäste zur Lesung aus Goebels Werken. „Wenig später kam eine Presbyterin mit dem Vorschlag Pastor Goebel persönlich einzuladen, weil sie begeistert war von der neuen Perspektive auf Gottes Sohn.“
Gesagt, getan. Jonas Goebel sitzt vor einer interessierten Zuhörerschaft und empfiehlt mal gleich als erstes, die Ein-Stern Bewertungen bei Amazon als ergänzende Lektüre zu seinem Buch. Dort schreiben sich einige entsetzte Christen in Rage: Jesus soll die Bibel nicht gekannt haben und für ergänzungsbedürftig halten? Undenkbar? Jesus guckt Football und ist auf Tinder? Das ist doch Gotteslästerung! Jesus hat nie etwas zu seinem eigenen Vergnügen getan, damit basta!! Und jeder, der was anderes behauptet, der fällt automatisch dem großen Widersacher in die Hände!!!
Goebel ist ganz froh über die harsche Kritik, wollte er doch zum Nachdenken anregen und für neue Diskussionsansätze sorgen. Sicher tröstet ihn auch, dass die überwiegende Zahl der Rezensionen im Fünf-Sterne-Bereich liegt. „Das ist ja nur mein Jesus, den ich da schildere und ich überspitze die irdische Seite ganz bewusst“, sagt er.
Jesus im Nachtbus
zum Hauptbahnhof
Er liest vor, wie Jesus im Nachtbus zum Hauptbahnhof bei reichlich Wodka-Energy mit einer Gruppe Jugendlicher ins Gespräch kommt. Die wollen wissen, ob er wirklich der „Jesus von Weihnachten“ ist und ob er von Anfang an wusste, dass er Gottes Sohn ist. Im zweiten Band „Jesus, Füße runter“ ist die WG auf Reisen und Jesus düst auf einem gemieteten Roller durch Rom und denkt dabei an seinen Einzug in Jerusalem auf einem Esel. Er besichtigt das Kolosseum und spendiert in einer Trattoria einem Bettler einen Platz an seinem Tisch und ein Glas vom besten Wein des Hauses.
Unterwegs im Buch kommen automatisch theologische Fragen auf. Wie kann man Jesus göttliche und menschliche Natur zusammendenken? Was erfährt man in der Bibel darüber, welche Informationen fehlen? Wie würde Gottes Sohn die Kirche gefallen und was würde er doch lieber anders haben? Goebel mag seinen literarischen Jesus in Jogginghose und Stirnband hüllen, an der Ernsthaftigkeit seiner Fragestellungen ändert das nichts. Seine Bücher sind ein humorvolles, niederschwelliges Gesprächsangebot über den Glauben. Und die Wirkung setzt ganz schnell ein.
Ob Jesus wohl jemals
eine Freundin hatte?
Ob Jesus wohl jemals eine Freundin hatte? Und was es brächte, das zu wissen. Das fragen sich die Zuhörer nach der Lesung bei einem gemütlichen Glas vom besten Wein des Ungelsheimer Gemeindehauses. „Reibung erzeugt Energie,“ sagt Pfarrer Kaspers, „Die Bücher sind doch ein Weg, wie Kirche heute erscheinen muss, nämlich in vielen interessanten Zusammenhängen.“
Jonas Goebel hat seine Bücher nicht für eine bestimmte Altersgruppe geschrieben. Zumindest denkt er das. „Was ist denn dieses Tinder?“ will eine ältere Zuhörerin von ihm wissen. „Das ist eine von diesen Dating-Apps“, sagt der Pastor aus dem Jahrgang 1989 und glaubt, er hätte die Sache damit erklärt
Die Zuhörer finden es lustig und erläutern der Dame die Sache seniorengerecht. Sie ist verblüfft über die neuen Möglichkeiten zur Anbahnung aller Arten von menschlicher Nähe. Goebel ist auch verblüfft, vielleicht steht in seinem dritten Band, der noch nicht erschienen ist, ja eine Geschichte über die Verständigung zwischen den Generationen aus Jesu Sicht.
Text: Sabine Merkelt-Rahm
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