Stairway to Heaven - dem Himmel so nah: Die Kirche Pax Christi in Krefeld

Magdalena Jetelová: Steig (2005). Dieser Steig bedeutete für Jetelová auch den "Ausstieg" aus dem kommunistischen System.
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  • Magdalena Jetelová: Steig (2005). Dieser Steig bedeutete für Jetelová auch den "Ausstieg" aus dem kommunistischen System.
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Keine Kirche wie jede andere: Sie ist leicht zu übersehen, die Kirche Pax Christi in einem Wohngebiet am Glockenspitz in Krefeld-Bockum. 1979 wurde der schlichte rote Klinkerbau des Gemeindezentrums eingeweiht, auf einen Glockenturm aus Kostengründen verzichtet.

Von Anfang an öffnete der zuständige Pfarrer Karl Josef Maßen (+2017) den Kirchenraum für zeitgenössische Kunst, die nicht den Glauben illustriert, sondern Fragen aufwirft und zum Nachdenken anregt - ohne aus der Kirche ein Museum zu machen. Oft spiegelt zeitgenössische Kunst aktuelle gesellschaftliche und politische Entwicklungen. Existentielle spirituelle und moralische Fragen werden thematisiert. Mit ihnen setzt sich auch Religion auseinandert und versucht Antworten zu geben. In fast vierzig Jahren hat sich, wie von Pfarrer Maßen erhofft, ein lebendiger Dialog zwischen Kunst und Gemeinde entwickelt, der inzwischen über die Grenzen Krefelds hinausgeht. Es gibt mehr als 30 zeitgenössische Kunstwerke innerhalb der Kirchenräume und im Kirchgarten. BIs auf wenige liturgische Ausstattungsstücke sind es keine Auftragsarbeiten.

Im Kirchenraum
Das Bronzekreuz von Ewald Mataré über dem Altar, ein Geschenk an die Gemeinde, entstand vor 1939. Das einzige ältere Kunstwerk in Pax Christi wurde von romanischen Vorbildern inspiriert und zeigt Christus nicht als Leidenden, sondern als Erlöser, der den Tod überwunden hat.
Der schlichte Steinaltar (1981) von Ulrich Rückriem ist eine Auftragsarbeit. Mit einfachsten Mitteln gestaltete Rückriem den Stein aus Anröchter Dolomit zu einem Altar um. Er spaltete den Stein, sparte den Mittelteil aus und setzte die Teile wieder zusammen: So lapidar und überzeugend visualisiert Rückriem die Vorstellung vom Felsen, auf dem die Kirche steht.

Aktueller denn je sind die gesellschaftkritischen Arbeiten von Günther Uecker und Klaus Staeck. Sie bekommen im Kontext des Kirchenraums eine zusätzliche Dimension. Ueckers schwarzes Boot, mit unzähligen Nägeln verschlossen und hinterfangen von einem weißen Tuch, entstand anlässlich des Berliner Katholikentages 1980. Der Titels "Chichicastenango" erinnert an ein Massaker in Guatemala, als aufständische Priester und Landarbeiter ermordet wurden. Wer dächte beim Anblick der zugenagelten Barke nicht an die Bootsflüchtlinge unserer Tage? Das reine weiße Leinentuch scheint ein Zeichen der Heilung und Hoffnung, vielleicht Erlösung, zu sein.
Staecks Installation "Abendmahl" (1982) wurde auf der documenta 7 1982 gezeigt. Es zeigt eindrücklsvoll den Gegensatz von Reichtum und Armut, thematisiert den Überfluss in unserer Gesellschaft und den Hunger in der Dritten Welt.
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Das "Tor zur Ewigkeit" (1990): Klaus Rinke hat eine schwarz glänzende polierte Granitplatte in das Ziegelstein-Mauerwerk seitlich des Altars eingelassen. Die Flügel eines Tores sind angedeutet. Beim Blick auf das Granit-Tor wird der Betrachter auf sich selbst zurückgeworfen. Oder befindet er sich jenseits der spiegelnden Fläche? Das Tor scheint verschlossen, aber jeder kann seine Vorstellungen, Hoffnungen oder den Glauben an das Jenseits hineinprojizieren.
Im Vorraum empfängt den Besucher Felix Droeses "Mutter/Hungertuch" . Es entstand 1981 als Reaktion auf die Niederschlagung der polnischen Solidarnocz-Bewegung. Das große Tuch weckt Assoziationen an eine knieende gekrümmte Figur, ein BIld der Trauer und des Schmerzes.
Unspektakulär ist dagegen das kleine, 1989 in eine Wandvitrine eingelassene "Samurai-Schwert" (1982), ein Multiple von Joseph Beuys. Das kriegerische Gerät ist in eine weiche Filzrolle eingehüllt, die scharfe Klinge unbrauchbar, der Schaft gebrochen. So wird das Symbol von Gewalt und Krieg umgedeutet zu einem Sinnbild der Gewaltlosigkeit und des Friedens. 

Der Kirchgarten
Zeichenhaft beherrscht die vierzehn Meter hohe Skulptur "Steig/Výstup" (2005) der tschechischen Bildhauerin Magdalena Jetelová die Grünanlage hinter der Kirche. In scheinbar labilem Gleichgewicht führen die eisernen Stufen mit der Holzstruktur geradewegs ins Nichts - oder in den Himmel. Im sakralen Kontext liegt natürlich die Umdeutung zur "Himmelsleiter" nahe. Allerdings schuf die Künstlerin die Treppe in Erinnerung an eine kleine Holzstiege in ihrem Prager Ateliergarten, die ebenfalls in den luftleren Raum führte. Jetelovás riesige Holzskulpturen von banalen Alltagsgegenständen sind ironischer Kommentar zu der unter den Kommunisten verordneten Monumentalität von Architektur und Kunst.

Neben der zeichenhaften "Treppe" setzen iin der Grünanlage weitere künstlerische Arbeiten Akzente. Erinnerungen an die frühere Funktion der Kirchenumgebung als "Kirchhof" oder "Friedhof" tauchen dabei auf, Fragen von  Werden und Vergehen, Leben und Vergänglichkeit. So legte etwa Klaus Simon sechs massive schwarze Holzblöcke mit dem Titel "Überdunkelt" (1988) nebeneinander auf die Wiese. Sie stammen von einem einzigen Baum, der durch die umliegenden Bäume so wenig Licht bekam, dass er umstürzte. Simon versah die sarkophagartigen Blöcke mit archaischen Zeichen. Der abgestorbene Baum hat eine neue Gestalt und einen neuen Sinn bekommen. So wird deutlich, dass Sterben auch ein Übergang in eine neue Daseinsform sein kann.
Erst im Mai 2018 erwarb die Gemeinde Pax Christi die Skulptur "Tod und Leben" (2011) von Günther Oellers. Die abstrakte Form suggeriert Niederknien und Aufrichten, Demut und für Gläubige vielleicht die Hoffnung auf Auferstehung. 

Weitere Infos auch zu den anderen  Kunstwerken gibt es bei den Bildunterschriften.                               
Quellen
Im Dialog, Zeitgenössische Kunst in Pax Christi Krefeld, Hrsg. v.d. Pax-Christi-Gemeinde Krefeld, Krefeld 2004.
http://pax-christi-krefeld.de/kunst/
https://rp-online.de/nrw/staedte/krefeld/neues-kirchenfenster-fuer-pax-christi_aid-19191449
http://www.strasse-der-moderne.de/portfolio/krefeld-pax-christi/

Autor:

Margot Klütsch aus Düsseldorf

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