Starpianist Joja Wendt auf Tour: "Klavierspiel ist das neue Sushi!"

Pop, Jazz oder Klassik - für Joja Wendt gibt es auch am
Klavier kein Schubladendenken. Foto: Christian Barz
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  • Pop, Jazz oder Klassik - für Joja Wendt gibt es auch am
    Klavier kein Schubladendenken. Foto: Christian Barz
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Mit seinem gerade neu eingespielten Album „Jojas Klaviermusik“ geht Pianist Joja Wendt auf Tour und tritt dabei einmal mehr den Beweis an, dass Klaviermusik und Entertainment sich wunderbar ergänzen können. Bevor er am 8. April in der Philharmonie Essen und am 14. Oktober im Konzerthaus Dortmund auf der Bühne steht, spricht Joja Wendt im Interview über Schubladendenken, Humor, Gefühle in Noten und seine Kindheitserinnerungen ans Ruhrgebiet.

Joja Wendt, Sie werden als Starpianist, Geschichtenerzähler, Künstler mit Popstar-Qualität und Improvisationstalent beschrieben. Was trifft es am besten?
Joja Wendt: In erster Linie bin ich natürlich Pianist. Was ich anders mache als andere Pianisten: Ich stecke mir vorher keine Genregrenzen ab, sondern lasse Musik, die ich gerne mag, mit einfließen – egal, ob Pop, Jazz oder Klassik. Es gibt kein Schubladendenken, weil es einfach so viel geile Musik gibt. Was in meinen Konzerten an erster Stelle steht: die Musik ernsthaft zu betreiben. Alle andere vom Geschichtenerzähler bis zum Popstar, kommt durch die Präsentation. Erzählen, was hinter den Stücken steckt, ein paar humorvolle Geschichten – so, dass es für das Publikum ein abwechslungsreicher Abend wird.

Braucht es das heute auch, um die Menschen für klassische Musik zu begeistern?

Es ist meine Art, mich in mein Publikum hinein zu versetzen. Wenn ich dort sitzen würde, würde ich auch gerne mehr erfahren über die Stücke. Oder wissen, was den Pianisten erwartet. Ich erzähle zum Beispiel vorher, wenn eine schwierige Passage ansteht. So sensibilisiert man zu den Zuhörer. Und Humor ist auch ein pädagogisches Mittel. Wenn die Leute lachen und fröhlich sind, sind sie auch aufgeschlossen, um Dinge mitzunehmen.

Online-Klavierschule mit Otto und Udo

Steckt dahinter auch die Botschaft: Klavierspielen ist alles andere als langweilig und macht richtig Spaß?
Ich habe den Eindruck, dass dies gerade eine richtige Strömung ist. Klavierspiel ist das neue Sushi. Viele finden es hip und super, viele wollen es lernen. Und das geht eben heute auch leichter. Das versuche ich auch mit meiner Online-Klavierschule aufzufangen, die gerade gestartet ist und prominente Unterstützung hat. Otto ist vorbei gekommen, Stefan Gwildis war da, Udo Lindenberg und Annett Louisan, auch Steffen Henssler, der zuvor noch nie Klavier gespielt hat. Aber das Schöne ist: Man kann die Dinge ganz intuitiv auch ohne Noten lernen.

Man kann das Klavierspiel tatsächlich erlernen, ohne Noten zu kennen?
Das Schöne am Klavierspiel ist wirklich, dass es so intuitiv funktioniert. Das Klavier ist in gewisser Weise selbst erklärend. Es eignet sich wunderbar, Dinge selbst auszuprobieren. Und das greifen wir mit der Online-Klavierschule auf. Interessierte können dabei die neuen Medien nutzen. Sie müssen nicht zu einer Klavierlehrerin, die irgendwo im Hinterzimmer den Kindern auf die Finger haut. Hier kann man sich auch einfach mit dem I-Pad ans Keyboard setzen und irgendwo auf Mallorca im Urlaub Klavier üben.

Was man auch nachspielen kann, ist Ihr neues Album....
Es sind ganz leichte Stücke dabei wie der Eskimo-Song, dessen Melodie mit einem Finger gespielt wird. Aber es gibt auch kompliziertere Stücke a la Chopin. Jedes Stück wird gelehrt. Und es ist eben nicht unbedingt notwendig, Noten zu können.

Chopin trifft AC/DC

Der Grundidee Ihres Albums liegen aber sicher nicht didaktische Aspekte zugrunde. Was war der Leitgedanke?
Der Grundgedanke war, vor allem ein Album mit Eigenkompositionen zu machen. Viele Pianisten spielen Stücke nach, ohne eigene, zeitgeistige Musik zu machen. Dieses Album ist inspiriert von der Hörgewohnheit von heute: Filmmusiken, Werbung, Popsongs, AC/DC. Zugleich steht es aber auch in der Kompositionstradition klassischer Stücke. Wie hätte zum Beispiel Chopin komponiert, wenn er AC/DC gekannt hätte? Das war der Ansatz. Dann habe ich mir dazu Themen gesucht. Jedes Stück hat ein eigenes Thema und eine eigene Pointe, die sich musikalisch wiederfindet. Und das Ganze muss dann auch noch nach Joja Wendt klingen.

Die Entstehung des Albums hat sich über 15 Jahre hingezogen. Waren Sie so beschäftigt oder sind die Ideen tatsächlich so lange gereift?
Die Themen sollten authentisch sein. Das kann man sich nicht aus den Fingern saugen, das muss man erleben wie bei der Geschichte des Eskimos. Leute in Kamtschatka haben mir erzählt, in ihrer kleinen Klavierschule sei jemand vorbeigekommen, habe zum ersten Mal in seinem Leben ein Klavier gesehen und eine Melodie probiert, die ihm seine Großmutter immer zum Einschlafen vorgesungen hat. Das ist solch eine tolle Geschichte! Sie zeigt, dass es kein Naturvolk gibt, das ohne Musik auskommt. Das sind Geschichten, aus denen man ein Stück macht.

Künstler verbinden mit ihren Alben gerne Botschaften. Ist es Ihre, die Vielschichtigkeit des Klavierspiels aufzuzeigen?
Die eigentliche Botschaft ist, dass Musik international über alle Ländergrenzen hinweg ein emotionales Transportmittel ist. Ich habe schon mit Chinesen zusammen gespielt, mit denen ich kein Wort wechseln konnte. Aber wir haben uns hinterher in den Armen gelegen, weil wir zusammen einen geilen Blues gespielt haben. Musik ist ein Verstärker für Gefühle, die jeder in sich trägt. Musik ist ein wunderbares Hilfsmittel, um das zu transportieren, was uns allen auf der Seele liegt – Leid, Freude, Sehnsüchte.

Es gibt also quasi für jedes Gefühl ein passendes musikalisches Stück. Würde Ihnen auf Zuruf immer eine entsprechende Melodie einfallen?
Das ist eine tolle Idee! Mal zu sagen, die Zuhörer sollen Emotionen oder Erlebnisse hereinrufen und ich versuche das musikalisch umzusetzen. Wie klingt Freude? Wie hört sich Schmerz an? Wie klingt ein erster Kuss? Ich denke schon, dass es geht. Nichts anders macht ein Filmmusiker. Es wäre spannend, das mal auszuprobieren.

Stimmung als Gradmesser für die Hallen

Zunächst sind Sie jetzt aber mit Ihrem neuen Album auf Tour. Gibt es Hallen oder Plätze, auf die Sie sich besonders freuen?
Ich habe in furchtbar hässlichen Hallen schon eine Wahnsinnsstimmung gehabt. Und manchmal habe ich mich in sehr schönen, arrivierten Hallen nicht so wohl gefühlt. Das hängt wirklich von der Stimmung ab der Menschen, die dort sind. Ein Künstler fühlt sich natürlich wohler, wenn er fröhlich aufgenommen wird. Das ist dann auch eher der Gradmesser als das Haus selbst.

Gibt es Unterschiede in der Mentalität der Menschen an verschiedenen Orten, die entsprechend ein Konzert prägt?
Na klar! In verschiedenen Ecken der Welt hat man auch unterschiedliches Publikum. Die Amerikaner sind zum Beispiel unheimlich auf Entertainment aus. Die Chinesen verstehen unheimlich viel von der Musik, sitzen aber eher ruhig da und applaudieren artig. Sie gehen nicht so aus sich heraus.

Macht es auch einen Unterschied, ob sie auf Ihrer Tour jetzt im Ruhrgebiet, im hohen Norden oder etwa in München spielen?
Man sagt immer, die Menschen seien so unterschiedlich. Aber das kann ich in meinen Konzerten eher nicht feststellen. Ich habe im Prinz-Regent-Theater in München gespielt, da war eine Wahnsinnsstimmung. Im Ruhrgebiet sind die Menschen sehr aufgeschlossen und feierfreudig und interagieren toll. Den Hamburgern wird gern nachgesagt, nicht so zu sein, aber das kann ich überhaupt nicht bestätigen. Einzig in den östlichen Bundesländern sind die Menschen manchmal etwas abwartend und zurückhaltend, bevor sie auftauen.

Premiere in Essen - Vorfreude auf Dortmund

Sie spielen jetzt in der Philharmonie Essen, im Herbst dann im Konzerthaus Dortmund. Kennen Sie beide Häuser?
In der Philharmonie Essen war ich noch nie. Das wird eine echte Premiere für mich und ich freue mich sehr darauf, etwas Neues kennenzulernen. In Dortmund war ich bereits häufiger. Den Dortmunder Intendanten Benedikt Stampa kenne ich schon aus seiner Hamburger Zeit. Wir sind viele Jahre befreundet. Das Konzerthaus ist mir auch ein bisschen ans Herz gewachsen, weil ich damals bei Sponsoringveranstaltungen mitgeholfen habe, Geld für seine Erbauung zu sammeln. Außerdem verbindet mich mit Dortmund generell so einiges.

Sie haben eine Verbindung zu Dortmund?

Ich habe viele Jahre als Kind in Dortmund gewohnt. Ich bin damals auf das Max-Planck-Gymnasium gegangen, habe im Dortmunder Süden gewohnt. Bundesjugendspiele im Stadion Rote Erde, all solche Dinge sind mir in guter Erinnerung. Ich habe auch noch viele Freunde in dieser Ecke. Für mich wird das Konzert im Herbst also ein Heimspiel.

INFO:
* Ende Januar hat Joja Wendt seine Tournee 2016 gestartet, die ihn quer durch die Republik führen wird.
* Am 8. April ist der Pianist zu Gast in der Philharmonie Essen.
* Im Herbst macht Joja Wendt am 14. Oktober Station im Konzerthaus Dortmund.
* Karten sind erhältlich an allen bekannten Vorverkaufsstellen, oder unter der Semmel Concerts Ticket-Hotline Telefon 01806/ 57 00 99 (0,20 EUR/Anruf – mobil max. 0,60 EUR/Anruf) sowie im Internet unter www.semmel.de.

Autor:

Dietmar Nolte aus Dortmund-West

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