Lohnabschluss im öffentlichen Dienst wieder einmal enttäuschend

Bekowerdo hat nachgerechnet.

Ver.di feiert in einem Flugblatt die Tarifeinigung: "Erhöhung der Entgelte im Volumen von 8 Prozent!" Ver.di-Chef Bsirske spricht von "spektakulären" Verbesserungen, die Bundesländer von einem "finanziellen Kraftakt".

Auf den ersten Blick ein gutes Ergebnis, aber auch nur auf den ersten Blick. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass man praktisch über 3 Prozent nicht hinausgekommen ist, da sich der Abschluss auf eine Laufzeit von 33 Monaten bezieht. Gefordert hatte Ver.di 6 Prozent für 12 Monate. Für die Europäische Währungsunion sind die Auswirkugen dieses Ergebnisses katastrophal. Man hat es in Deutschland wieder nicht geschafft, eine vernünftige Lohnsteigerung zu realisieren, damit die von der EZB vorgegebene Inflationsrate von 1,9% sichergestellt wird. Dazu müssten die Löhne um 1,9% über der nationalen Produktivität eines Landes steigen. Davon ist Deutschland seit Jahren meilenweit entfernt.

Unter den Bedingungen der Europäischen Währungsunion war es aus betriebswirtschaftlicher Sicht vollkommen rational, auf eine Strategie der Unterbewertung durch Lohnzurückhaltung zu setzen, weil die Gefahr einer Aufwertung der nationalen Währung nicht mehr existierte. Nur weil sich niemand innerhalb der EWU dagegen gewehrt hat, war diese Strategie bis heute erfolgreich. Denn außerhalb einer Währungsunion hätte die D-Mark bei einem riesigen Leistungsbilanzüberschuß unter massivem Aufwertungsdruck gestanden.

Wer aber als Gewerkschaftler das deutsche Lohndumping leugnet, zeigt damit, dass die grundlegenden makroökonomischen Zusammenhänge nicht verstanden wurden.

Im Gegensatz zu den deutschen Gewerkschaften wird Emmanuel Macron offensichtlich wach und beginnt, mit dem Finger auf Deutschland zu zeigen. Deutschland sei laut Macron zu einer Beharrungskraft in der EU geworden, die den nötigen Fortschritt verhindert. Das ist sehr vornehm ausgedrückt. Macron realisiert nun offensichtlich langsam aber sicher, dass der größte historische Fehler Frankreichs innerhalb der Währungsunion der Schulterschluss mit Deutschland ist. Er traut sich nur noch nicht, diese Erkenntnis offen auszusprechen.

Um in Frankreich und Europa ein anderes Wirtschaftskonzept durchzusetzen, muss sich Macron und seine französische Wirtschaftspolitik gegen Deutschland positionieren. Anders wird es nicht funktionieren. In Frankreich gibt es keinen Reformbedarf. Das ist ein frei erfundenes deutsches Märchen. Die Produktivität in Stunden ist in Frankreich höher als in Deutschland. Man glaubt es kaum.

Es macht für Frankreich also keinen Sinn, die deutsche Wirtschaftspolitik in Bezug auf Lohndumping zu kopieren, weil dadurch in Frankreich die Binnennachfrage geschwächt und die Arbeitslosigkeit sich noch weiter erhöhen würde. Solange Deutschland an seinen irrsinnigen Exportüberschüssen festhält und der schwarzen Null im Staatshaushalt hinterherläuft, hat Frankreich keine Chance.

Für eine veränderte Wirtschaftspolitik müsste man in Deutschland jedoch umdenken und die neoliberale Linie verlassen und vor allem die dahinter stehende makroökonomische Logik begreifen.

Autor:

Rüdiger Beck aus Dortmund-City

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